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Als die Kirche dahin kam, wo ich wohnte

Aus der Dezember 1992-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ich War Nicht sehr glücklich. Ich lebte in einer der Vorstädte in Frankreich, die in den sechziger Jahren eilig erbaut worden waren. Sie schien alle Nachteile — wie übereilte Planung, schlechte Lage und Isolation — in sich zu vereinen, ohne einen der Vorteile, die man erwarten würde aufgrund der Tatsache, daß sie relativ neu war. Alles war weit entfernt. Ich fand in dieser Gegend keine der kulturellen, sozialen oder künstlerischen Möglichkeiten, nach denen ich mich sehnte. Viele von uns, die hier wohnten, hatten das Gefühl, daß es von hier kein Entrinnen gab. Ja, es schien so, als triebe der Mangel an anregenden und sinnvollen Beschäftigungen die Jugendlichen in die Kriminalität und andere Ausdrucksformen großer Unzufriedenheit.

Zur Universität war ich täglich drei Stunden unterwegs. Auch der Weg zur Kirche erforderte je eine Stunde Zeit. Aber ich liebte die Kirche! Wenn ich dort war, hatte das Leben einen Sinn, und ich empfand Freude und Frieden. Danach mußte ich mich auf den Heimweg machen — auf den langen Weg nach Hause. Ich war sehr unglücklich, weil ich wußte, daß alles, was mich interessierte — die Innenstadt, die Universität, die Kirche und alles andere — so weit von meinem Wohnort entfernt war. Ich empfand die Situation als einen wahren Fluch.

Eines Tages jedoch begann sich etwas zu ändern. Ich hatte im Christian Science Journal einen Artikel gelesen, der sich mit der heilenden Rolle der Kirche im kommunalen Leben befaßte. Meine erste Reaktion war: „Aber dort, wo ich wohne, gibt es keine Kirche, und die Kirche, in der ich Mitglied bin, befindet sich nicht an meinem Wohnort, und mein Wohnort ist furchtbar!“ Jedoch ließen mich Geist und Botschaft dieses Artikels nicht ganz so hoffnungslos zurück. An diesem Tag löste sich etwas, was sich in mir verhärtet hatt. Tatsächlich wurde mir wenig später klar, daß Kirche nicht auf einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Zeit in der Woche beschränkt ist. Ich begann zu verstehen, daß Kirche eine geistige Idee ist. Und ich erkannte, daß der Frieden, die Freude und die Inspiration, die ich während der Gottesdienste und bei anderen Kirchenaktivitäten spürte, unzweifelhaft aus der Beziehung des Menschen zu Gott erwuchs.

Diese geistige Beziehung zu Gott ist niemals begrenzt, noch ist sie davon abhängig, wo wir wohnen. Kirche — die wahre Kirche — ist ein geistiges Bewußtsein von Gott, das unser gesamtes Leben einschließt und daher auch die Gemeinde, in der wir leben. Nun wurde mir klar, warum dieser Artikel mich so sehr angesprochen hatte; er hatte mir die Augen dafür geöffnet, daß die wahre, geistige Kirche nicht begrenzt oder eingeengt werden kann, sondern eine sich stets weiterentwickelnde Idee sein muß, die unser Leben erlöst.

In einem Brief an eine neue Zweigkirche Christi, Wissenschafter, schrieb Mrs. Eddy: „Gott wird diese willige und gehorsame Kirche unendlich segnen mit dem reichen Lohn derer, die Ihn suchen und Ihm dienen. Keine größere Hoffnung haben wir als die, die auf rechtem Denken und rechtem Handeln beruht und auf unserem Glauben an den Segen der Treue, des Mutes, der Geduld und Gnade“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes). Was Mrs. Eddy an Möglichkeiten für jene Zweigkirche sah — und was ich in meinem Leben zu erkenne begann — ist, daß weder die Kirche noch die Gemeinde, in der wir leben, einfach nur physische oder geographische Gebilde sind. Es sind mentale Begriffe, und in dem Maße, wie Christus, Wahrheit, unser Leben verändert und erneuert, werden wir die Kirche als eine heilende und rettende Macht begreifen, die dort ist, wo wir leben.

Eine ablehnende und zerstörerische Einstellung zu der Gemeinde, in der wir leben, würde uns für die gegenwärtige geistige Wirklichkeit blind machen. Inspiration und Frieden, die wir in den Gottesdiensten erfahren, sind ganz einfach nicht auf die Zeit oder den Ort öffentlicher Anbetung begrenzt. Die hinter diesen Aktivitäten stehende göttliche Macht, so wurde mir nun klar, mußte ich anerkennen. Dafür mußte ich aufgeschlossen sein, auch wenn ich nicht in der Kirche war, sondern wieder dort, wo ich wohnte. Ich entschloß mich, ganz in Einklang mit diesem geistigen Verständnis von Kirche und ihrer wahren Bedeutung zu leben und keine Entmutigung oder Unzufriedenheit über meine Vorstadtsiedlung aufkommen zu lassen.

Dies schien nicht gerade einfach zu sein. Ich begann damit, daß ich jede Kundwerdung des Guten in meinem Stadtteil würdigte. Wurde mir Freundlichkeit beim Einkaufen entgegengebracht, so sah ich es bewußt als Ausdruck der Allgegenwart Gottes und des Menschen als Seinem geistigen Bild und Gleichnis. Ich dankte Gott für jedes Zeichen der Güte, ob groß oder klein. Ich betete buchstäblich monatelang, Gott möge mir die Augen für das Gute öffnen. Oft betete ich mit den Worten des Psalmisten: „Öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.“

Dieses Gebet verlangte von mir, daß ich langgehegte persönliche Meinungen aufgab, so etwa die Neigung, die Welt lediglich aus einem soziopolitischen Blickwinkel zu betrachten. Ich bemühte mich, dort, wo die materiellen Sinne ein sterbliches Selbst wahrnahmen, mehr von Gottes geistigem Menschen zu sehen. Soziale und politische Standpunkte wurden zum Schweigen gebracht und der Wahrheit und Liebe untergeordnet. Es dauerte nicht lange, und ich stimmte nicht mehr in den Chor „Hier gibt es gar nichts Gutes“ ein. Ich fand Gutes in meinen Mitmenschen.

Mir wurden die Augen geöffnet, und in meinem Leben zeigte sich ganz konkret immer mehr Gutes. Hier ein einfaches Beispiel, wie ein geistiges Bewußtsein von der Gegenwart und Wirksamkeit Gottes — das durch Gebet klarer wurde — Veränderung bewirkte und unserer Gemeinde half. Vielleicht illustriert es auch, daß wir dem abgedroschenen Argument des sterblichen Gemüts „Ich bin nur einer, was kann ich allein tun?“ nicht erlauben lassen sollten, uns zu entmutigen. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, daß eine Gemeinde ebenso Heilung und Fortschritt erleben kann wie der einzelne Mensch.

Ich hatte mich schon seit Jahren für Tanz interessiert. Ich suchte nach einer Trainingsmöglichkeit, die es jedoch nicht zu geben schien — ich hatte kein Geld, um Unterricht zu bezahlen, und dort, wo ich wohnte, gab es keinen Lehrer. Doch als ich eines Tages mit einer Freundin ein Filmplakat für einen bekannten spanischen Film mit viel modernem und klassischem Tanz anschaute, erzählte sie mir von einer spanischen Tanzlehrerin, die ganz in der Nähe wohnte. Meine Freundin hatte sogar ihre Telefonnummer!

Dies führte dazu, daß ich Tanzunterricht nehmen konnte. Aber nicht nur das. Bald fand sich in unserer Vorstadt eine Gruppe zusammen, die ein anregendes Kulturprogramm entwickelte.

Das ist zwar nur ein einfaches Beispiel dafür, wie Gebet zu Veränderungen führen kann, doch es weist auf etwas viel Wesentlicheres hin: nämlich geistige Erneuerung und ihre Bedeutung für unser ganzes Leben.

Mein Leben veränderte sich, als ich verstand, was Kirche wirklich ist — eine geistige Idee, eine geistige Inspiration, weder an Zeit noch an Raum gebunden. Die geistige Liebe und Freude, die ich in den Gottesdiensten erlebte, schlossen unsere Gemeinde ein und veränderten mein Leben in einer Weise, die ich mir niemals hätte träumen lassen. Der Verfasser jenes Journal-Artikels löste eine gewaltige Veränderung in meinem Leben aus, und auch das ist „Kirche“.

Menschliche Umstände können uns öde erscheinen, und wir möchten vielleicht manchmal verzagen. Aber die Situation ist nicht so hoffnungslos, wie sie sich uns darstellen mag. Die Worte des Propheten Jesaja beschreiben ziemlich treffend, was ich erlebt habe: „Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien.“

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu
einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den
Toten, zu einem unvergänglichen und
unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch,
die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt
werdet zur Seligkeit, die bereit ist, daß sie
offenbar werde zu der letzten Zeit.

1. Petrus 1:3–5

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