Im Treffpunkt können Herold-Leser Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen, die sie bei ihren geistigen Entdekkungen in der Kirche und in der Gemeinschaft, in der sie leben, gemacht haben.
Im April dieses Jahres veröffentlichte der Herold Auszüge aus Interviews mit mehreren Ausübern der Christlichen Wissenschaft (Seite 49–59). Wir fragten sie damals, was sie dazu veranlaßt hatte, ihr Leben der Aufgabe zu widmen, anderen durch Gebet zu helfen.
Viele Leser fanden ihre Antworten aufschlußreich und ermutigend — und sie baten uns, mehr darüber zu veröffentlichen. Das schien auch uns eine gute Idee zu sein. Denn schließlich liegt uns nichts mehr am Herzen als ein Christentum, das angewandt wird und Heilung bringt.
So haben wir mit weiteren Frauen und Männern gesprochen, die als Ausüber der Christlichen Wissenschaft tätig sind. Die meisten arbeiten schon seit vielen Jahren als Ausüber, doch wir haben sie gebeten, hier über einige ihrer frühen Herausforderungen und Erfahrungen zu berichten.
Sie sprachen ganz offen über die Dinge. Es war für sie nicht immer leicht gewesen. Sie mußten Angst überwinden, familiären Verpflichtungen Rechnung tragen, geistig wachsen, um diese tief christliche Tätigkeit auf eine feste Grundlage zu stellen. Doch gleichzeitig war da die lebendige Freude, die stets das ehrliche Bemühen begleitet, Gottes Willen gemäß zu leben.
Aus dem, was sie sagten, geht hervor, daß es so etwas wie einen „typischen“ oder einen „Durchschnittsausüber“ nicht gibt. Ihre Erfahrungen waren von Anfang an ganz individuell. Einige hatten noch keine Patienten, als sie sich zur vollberuflichen öffentlichen Ausübung verpflichteten; andere wurden ziemlich regelmäßig gebeten, durch Gebet zu helfen, noch bevor sie sich als Ausüber betrachteten. Einige lebten allein; andere waren verheiratet und hatten kleine Kinder. Sie kamen aus den verschiedensten Berufen; wir finden unter ihnen ehemalige Lehrer, Politiker, Hausfrauen und Geschäftsleute.
Bei all diesen Unterschieden hatten sie eins gemein: das Verlangen, durch christliches Heilen ihr Leben in den Dienst am Mitmenschen zu stellen. Lesen Sie nun, was diese Ausüber zu sagen hatten:
Ich erinnere mich an den ersten Anruf, den ich erhielt, nachdem ich ein Büro gemietet hatte. Es war vielleicht mein zweiter Tag im Büro, und ich hatte keine Patienten. Meine Großmutter war die erste, die mein Telefon klingeln ließ; sie rief an und fragte, wie’s denn laufe. Sie hatte selbst beinahe 75 Jahre als Ausüberin gearbeitet.
Ich sagte: „Na ja, ich habe die Bibellektion [aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft] vier- oder fünfmal gelesen, ich habe alle unsere Zeitschriften gelesen und auch den Christian Science Monitor.“ Und sie redete mir sozusagen ins Gewissen und sagte: „Weißt du, der Sinn deiner Anwesenheit im Büro ist aber nicht, das Lesen nachzuholen, sondern Behandlungen zu geben.“
Ich antwortete: „Ich habe niemanden, den ich behandeln kann.“
Sie entgegnete: „Wenn du essen gehst, kauf dir eine Lokalzeitung und lies sie. Streich dir fünf Dinge an, denen du in eurer Stadt eine Behandlung geben kannst.“
Das tat ich. Und an jenem Nachmittag kamen zwei Leute von der Straße in mein Büro, die nichts über die Christliche Wissenschaft wußten. Sie waren in das Bürogebäude gekommen, hatten auf der Informationstafel die Worte Ausüber der Christlichen Wissenschaft hinter meinem Namen gesehen und waren tatsächlich drei Stockwerke hoch gestiegen, um etwas über die Christliche Wissenschaft zu erfahren
Seitdem ist mir klar, daß echtes Engagement für das Gemeinwohl davon abhängt, wie sehr man sich im Gebet einer Gemeinde annimmt.
Ein Problem, mit dem ich fertig werden mußte, bevor ich mich im Christian Science Journal eintragen ließ, war Furcht — was, wenn ich von Furcht überwältigt werde?
Ich erinnere mich an einen Anruf: Eine Mutter sagte, daß ihr Mann, der kein Christlicher Wissenschafter war, ihr 20 Minuten zum Beten gegeben habe und daß ihr Kind nach Ablauf dieser Frist unverzüglich ins Krankenhaus gebracht werde. Es war mitten in der Nacht.
Ich stand auf, setzte mich auf einen Stuhl und begann ganz einfach zu beten. Und sehr aggressive, furchterregende Gedanken wollten sich bei mir einschleichen: „Was, wenn ich nun nicht heilen kann?“ Was, wenn ich nicht genug weiß?“ So begann ich einfach, meine eigene Furcht zu handhaben.
Mrs. Eddy erklärt in Wissenschaft und Gesundheit: „Furcht hat das Sein und seine Tätigkeit noch niemals zum Stillstand gebracht.“ Ich betete inbrünstig, um diese Tatsache zu verstehen und zu demonstrieren, als das Telefon klingelte und die Mutter sagte: „Er ist gesund.“ Und ich antwortete: „Wirklich?“ Ich war noch gar nicht dazu gekommen, speziell für das Kind zu beten, weil ich wußte, daß ich zuerst meine eigene Furcht überwinden mußte, wenn ich helfen wollte. Diese Erfahrung zeigte mir, daß Gottes Liebe unendlich viel größer ist als jede Furcht.
Furcht — das ist, als würde man Sand auf die Sonne werfen, und natürlich kann man damit die Sonne nicht auslöschen.
Ich war in leitenden Stellungen in der Geschäftswelt tätig gewesen — zum Beispiel als Direktor und Vorstandsmitglied. Als ich Ausüber wurde, mußte ich ganz von vorn anfangen. Das war anfangs keine Schlittenfahrt. Es kam eine Zeit, in der wir keinen Pfennig auf unseren Bankkonten hatten.
Meine Frau beschloß, eine Teilzeitarbeit anzunehmen, um sicherzustellen, daß unsere vier Kinder und wir etwas zu essen hatten. Zur gleichen Zeit wurde ich zum Leser gewählt Dies beides trug neben meinen Einkünften aus der Praxis zu unserem Unterhalt bei. Aber in den folgenden drei Jahren wurde uns klar, daß wir die Praxis doch als ausreichende Quelle unserer Versorgung betrachten konnten.
Als meine Leserzeit endete, sagte meine Frau, sie halte es für richtig, ihre Arbeit aufzugeben, und ich stimmte ihr zu. Von da an nahm meine Praxis einen enormen Aufschwung. Wir verließen uns völlig auf Gott, und innerhalb eines Monats war meine Praxis so sehr gewachsen, daß wir davon leben konnten.
Man muß sich voll und ganz für die Sache einsetzen und tun, was notwendig ist. Das mußte auch ich tun. Als wir an dem Punkt angelangt waren, wo wir sagen konnten: „Gut, ich bin in der Praxis; wir werden uns ihr mit aller Kraft zuwenden; wir werden Gott vertrauen“ — da erlebten wir viele Heilungen in bezug auf Versorgung Wir haben einfach gelernt, Gott völlig zu vertrauen.
Während meiner ersten sechs Monate als Ausüber wurde ich jeden Tag mit aggressiven mentalen Suggestionen irgendwelcher Art konfrontiert — mit Halsentzündung, Depressionen, Erkältung, Groll und anderem mehr. Jeden Tag sah ich mich einer anderen Form des tierischen Magnetismus gegenüber. Zuerst setzte ich mich einfach mit dem betreffenden Anspruch auseinander, um seine Machtlosigkeit zu erkennen.
Nach ein oder zwei Monaten wurde mir klar, daß das ein Dauerzustand war, und ich fing an, die Sache etwas genauer zu untersuchen, um herauszufinden, was wirklich vor sich ging. Und als ich darüber betete, kam mir der Gedanke, daß dies eine konzertierte Aktion des tierischen Magnetismus war, der mir einreden wollte: „Mensch, vielleicht hast du doch die falsche Entscheidung getroffen. Vielleicht hättest du nicht in die Praxis gehen sollen. Vielleicht wirst du darin nicht erfolgreich sein. Vielleicht ist es einfach nicht das Richtige.“ So ging ich denn jede suggestion von dem Standpunkt aus an, daß es sich dabei lediglich um einen weiteren Versuch handelte, mich daran zu hindern, Gottes Willen zu tun.
Nach ungefähr sechs Monaten hörten diese sehr aggressiven Suggestionen auf. Ich wurde immer häufiger um Hilfe gebeten. Das war vor etwa 20 Jahren.
Natürlich boten sich auch in den folgenden Jahren viele Gelegenheiten, mich mit aggressiven Suggestionen auseinanderzusetzen, doch ich habe sie immer so gesehen, wie ich es in diesen ersten sechs Monaten gelernt hatte: nämlich als Versuche, mich daran zu hindern, Gottes Willen zu tun. Jene ersten sechs Monate stellten mich wirklich auf ein ganz festes Fundament.
Ich glaube, man muß sich zu Anfang erst selbst als Ausüber akzeptieren — bereit sein, sich selbst als jemand zu sehen, der in der öffentlichen Praxis steht.
Es riefen mich ständig Leute an und baten um Hilfe, und ich riet ihnen dann, einen Ausüber anzurufen. Mir wurde klar, daß ich die Ausübung als etwas betrachtete, was getrennt war von den liebevollen und heilenden Eigenschaften, die ich ganz natürlich zum Ausdruck brachte.
Eines Tages schließlich — ich entsinne mich, ich stillte gerade mein Baby — rief wieder jemand an und bat um Hilfe. Ich rief daraufhin eine Ausüberin an, und sie sagte: „Wollen Sie mir sagen, daß Sie keine Behandlung geben können, während Sie Ihr Baby stillen?” Ich sah ein, daß ich es tun konnte, und gab die Behandlung.
Doch danach mußte ich lernen, mich selbst als Ausüberin zu akzeptieren. Als ich das tat, war ich häufiger bereit, Fälle anzunehmen.
Als mein jüngstes Kind in die Schule kam, stellte ich einen Antrag auf eine Ausüberanzeige im Journal.
Jedem, der neu in der öffentlichen Praxis ist, möchte ich sagen, daß er einzig und allein und zuallererst mit Gott beginnen sollte. Ihre Einheit mit Ihm, Ihre Gemeinschaft mit Gott, Ihr Verbundensein mit dem einen Ich oder Gemüt, Gott, ist der Ausgangspunkt für Ihre Ausübung. Erwarten Sie keine Heilung von Personen — von sich selbst oder von dem, was die Welt sagt. Das Bewußtsein der unzerstörbaren Einheit mit Gott — Ihrer und der des Patienten — ist es, was heilt. Ich habe die Stelle auf Seite 575 in Wissenschaft und Gesundheit sehr gern, wo Mrs. Eddy von dem Vermähltsein Liebe und ihrer Idee spricht — „Liebe, die sich ihrer eigenen geistigen Idee vermählt“.
Jesus sagte: „Mein Reich“, mein Bewußtsein, „ist nicht von dieser Welt.“ Wenn wir glauben, wir seien „von dieser Welt“, einem materiellen Universum, gehen wir von der falschen Grundlage, vom Dualismus, aus. Wir arbeiten dann mit Gegensätzen — mit Gut und Böse, mit Geist und Materie —, und das hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Die Ausübung ist keine Person, kein Ausüber, der versucht, die Wahrheit zu erreichen — die Wahrheit auf ein „echtes“ Problem anzuwenden. Geist definiert die einzige Wirklichkeit, die es gibt. Unser Ausgangspunkt muß stets Gott, das göttliche Gemüt, und Sein Ausdruck sein Das Heilen zeigt, daß es praktische Auswirkungen hat, wenn man von diesem Standpunkt aus arbeitet.
Jesus hatte keinen persönlichen Vater, kein persönliches Prinzip, nein, absolut nicht. Der Vater, den Jesus hatte, ist derselbe Vater, den auch wir haben; die Macht, die Jesus hatte, ist dieselbe Macht, die aucht wir haben.
Gott drückt sich beständig aus, und Sein Ausdruck, das sind wir. Man kann den Ausdruck, die Wirkung, nicht von der Ursache trennen; sie sind eins. Und gerade das ist es, was mir so viel Freude macht, die Vollkommenheit des Menschen zu erkenen und zum Vorschein zu bringen. Wir sind die Fülle Seiner Liebe. Ich liebe diese Arbeit.
Schon früh in meiner Arbeit als Ausüber wurde mir die Notwendigkeit bewußt, mich selbst zu prüfen. Vielleicht kann ich deutlicher machen, was ich meine. Mrs. Eddys Ansprache an die Mitglieder Der Mutterkirche im Mai 1895 behandelte im wesentlichen das Thema Sünde. In dieser Ansprache, die auch in ihren Vermischten Schriften veröffentlicht wurde, sagte sie unter anderem (und ihre Worte sind für mich immer so etwas wie eine Richtschnur gewesen): „Prüft euch und erkennt, was und wieviel die Sünde von euch fordert und inwieweit ihr diese Forderung als berechtigt gelten laßt oder ihr nachkommt.“
In jenen ersten Monaten versuchte ich, die Ansprüche der Sünde an uns klarer zu erkennen — sei es in Form von Depressionen, Entmutigung, Schuldgefühlen, mangelndem Selbstwertgefühl oder auch Gesundheitsproblemen. Ich erkannte mehr und mehr, daß es sich hierbei nur um einen Anspruch handelt und daß ich es als einen Anspruch erkennen kann, statt es für mein wahres Sein als Kind Gottes zu halten. Dann kann ich mein Denken daraufhin überprüfen, inwieweit ich diesen Anspruch gelten lasse. Das hilft mir, es von meinem wahren Sein als geistiger Idee zu trennen. Dabei verschließe ich keineswegs die Augen vor den Ansprüchen, denen ich mich gegenübersehe. Ich überprüfe mein Denken, damit ich mich mit den Ansprüchen von Sünde oder Krankheit gezielter auseinandersetzen und sie auslöschen kann und damit ich anderen helfen kann, dasselbe zu tun.
Die Ausübung fordert Vertrauenswürdigkeit. Mit anderen Worten, der einzelne muß sich seiner Arbeit und all dessen, was von ihm verlangt wird, würdig erweisen. Man muß bereit sein, sich ganz einzusetzen. Es kommt immer wieder vor, daß man mit Zweifeln zu kämpfen hat. Aber wir müssen diese Zweifel einfach überwinden und Vertrauen haben. Das Großartige, was ich gelernt habe und was auch meine Familie gelernt hat, ist, daß Gott wirklich unsere Nöte stillt — unsere eigenen, die unserer Familie und die unserer Patienten.
