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Das Verständnis, das heilt

Aus der April 1995-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Rede, Die ich mir ausgesucht und für meinen Shakespeare-Kurs auswendig gelernt hatte, war die bekannte Ansprache des Marcus Antonius aus Julius Caesar — „Mitbürger, Freunde, Römer, hört mich an.. .“ Stundenlang hatte ich mir den Wortlaut mit Pausen und Betonung gründlich eingepaukt, bis ich das Ganze fließend aufsagen konnte. Als ich es schließlich meiner Lehrerin vortrug, nickte sie höflich als Anerkennung für die Sorgfalt und Mühe, die ich aufgewandt hatte. Doch dann sagte sie mit einem leicht gelangweilten Lächeln: „Nun sprechen Sie es noch einmal — aber so, als ob Sie es auch wirklich meinten.

Was für ein armseliger Marcus Antonius war ich gewesen! Da hatte ich eine Rede vor mir, die Tausende zum Schrei nach Gerechtigkeit aufstacheln sollte — und ich hatte nichts weiter darin gesehen als eine Aneinanderreihung nichtssagender Sprüche. Zwar hatte ich kein Wort ausgelassen, aber den tieferen Sinn der Rede hatte ich völlig außer acht gelassen. Ich hatte sie auswendig aufgesagt, aber nicht inwendig, aus dem Herzen heraus — und das ist ein gewaltiger Unterschied. Das eine ist bloßes Deklamieren, aber bei dem anderen weiß man wirklich, was die Worte bedeuten.

Nirgends ist diese Unterscheidung wichtiger als bei unserem Verhältnis zur Religion. So beruhte zum Beispiel Christi Jesu heilendes Wirken auf seinem unvergleichlichen Verständnis von Gott und der besonderen Beziehung des Menschen zu Ihm, einem Verständnis, das aus dem Herzen kam und die Herzen berührte. Jede menschliche Not, die vor ihn gebracht wurde, wurde gestillt, weil er wußte, daß der Liebe Gottes keine Grenzen gesetzt sind.

Der Meister verstand das Wesen Gottes als Liebe so gut, daß keine menschlichen Meinungen — etwa daß ein Mensch sündig oder krank sei — ihn davon abhalten konnten, die Liebe des Vaters zu Seinen Kindern zu demonstrieren. Jesus bewies, daß die göttliche Liebe ewig, allmächtig, unauslöschlich und einfach grenzenlos ist.

„Jesus half den Menschen mit Gott zu versöhnen, indem er dem Menschen einen wahreren Begriff von Liebe, dem göttlichen Prinzip der Lehren Jesu, gab“, schreibt Mrs. Eddy, „und dieser wahrere Begriff von Liebe erlöst den Menschen von dem Gesetz der Materie, der Sünde und des Todes durch das Gesetz des Geistes, das Gesetz der göttlichen Liebe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 19. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft
Christian Science (kr´istjen s´aiens), war selbst von den lebensbedrohenden Folgen eines schweren Sturzes geheilt worden und hatte dabei eine neue, tiefe Dimension geistigen Verständnisses erlangt. Sie entdeckte, daß das Dasein in Wirklichkeit geistig ist und daß durch Gebet ganz natürlich Sünde und Krankheit geheilt werden und so die gottgebene Vollkommenheit des Menschen als Sein Bild und Gleichnis zum Vorschein kommt. Gebet war für sie kein Flehen zu Gott um Hilfe, kein blinder Glaube an Ihn. Wirksames Gebet, so erkannte sie, fordert von uns ein Verständnis Seines Wesens, ein gewisses Maß an geistiger Einsicht.

Überall in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift betont Mrs. Eddy den überaus wichtigen Zusammenhang zwischen geistigem Verständnis und christlichem Heilen. So schreibt sie im ersten Kapitel: „Das Gebet, das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt, ist ein absoluter Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe.“  Ebd., S. 1.

Wenn wir ernstlich versuchen, Gott zu verstehen, dann bemühen wir uns, mehr von Seiner Natur, Seinem Wesen und Seinem Tun zu erfassen. Die Wirksamkeit unseres Gebets hängt davon ab, wie entschieden und umfassend wir diese Arbeit tun.

Wenn wir uns Gottes unendliche Natur als göttliches Prinzip klarmachen, erkennen wir, daß es in Wirklichkeit nichts gibt, was außerhalb Seiner geistig aufrechterhaltenen Ordnung existiert oder sich ihr entgegenstellt. Mehr und mehr wird uns bewußt, daß der völlig gute und vollkommene Gott Alles ist und daß Seine geistige Schöpfung, einschließlich des Menschen, in Seiner ewigen Vollkommenheit lebt und sie widerspiegelt. Krankheit oder Disharmonie irgendwelcher Art sind mit dieser ewigen Vollkommenheit Gottes unvereinbar, daher haben sie keine Daseinsberechtigung. Wenn wir dies begreifen, erwachen wir zu der immer gegenwärtigen geistigen Realität, und als natürliche Folge davon tritt Heilung ein. Wir fühlen uns so natürlich und eindeutig gewandelt und wiederhergestellt, daß wir erstaunt denken: „Aber klar doch — wie könnte es auch anders sein?“

Jeder von uns kann hier und jetzt dieses geistige Verständnis entwickeln, denn es ist der Wille unseres himmlischen Vaters, daß wir Ihn als unendliche und allmächtige Liebe kennenlernen.

Nun begreifen wir vielleicht langsam, was dieses umwandelnde Verständnis alles in sich schließt — aber wie können wir es erlangen? Etwa damit, daß wir uns mit endlosen Passagen aus der Bibel und den Schriften Mrs. Eddys abplagen und sie auswendig lernen? Sicherlich, ernsthaftes Studium und hingebungsvolles Gebet fördern das Wachstum geistiger Erkenntnis. Sie stillen jenen Hunger nach der Gerechtigkeit. Aber wir brauchen nicht mühsame mentale Arbeit zu leisten oder intellektuelle Klimmzüge zu veranstalten, um geistiges Verständnis zu erlangen. Vielmehr sind Demut und Sanftmut gefordert und der feste Wille, im Gebet auf das eine Gemüt zu hören, wobei alle inneren Einwände und Vorbehalte beiseite geschoben werden und wir in der Erwartung des Guten leben.

Jeder von uns kann hier und jetzt dieses geistige Verständnis entwickeln, denn es ist der Wille unseres himmlischen Vaters, daß wir Ihn als unendliche und allmächtige Liebe kennenlernen. Bei Jesaja lesen wir: „Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wißt und mir glaubt und erkennt, daß ich’s bin.“  Jes 43:10. Ja, es ist eine geistige Tatsache, daß wir Ihn schon jetzt kennen, weil der Mensch als Ausdruck des einen göttlichen Gemüts immerdar dieses Gemüt widerspiegelt.

Oft ist es in der Christlichen Wissenschaft so, daß gerade durch schwierige Situationen unser Verständnis wächst. Vor einiger Zeit schlugen sich mehrere Mitglieder meiner Familie mit einer besonders unangenehmen Form der Grippe herum. Ich hatte Stunden in — wie ich meinte — ernsthaftem Gebet verbracht, aber es wollte sich keine geistige Klarheit einstellen. Heute weiß ich, daß ich die wunderbaren Wahrheiten über Gott und Seine ewige Güte nur „deklamierte“, ohne zu erfassen, welche Heilkraft in ihnen liegt.

Eines Nachts wachte unsere kleine Tochter auf und klagte über schlimmes Ohrweh. Sofort wandten sich mein Mann und ich im Gebet an unseren Vater-Mutter Gott. Wir hatten immer wieder erlebt, daß durch die Christliche Wissenschaft alle Nöte unserer Kinder gestillt wurden; und wenn die Lage kritisch war, hatte es stets schnelle Heilungen gegeben.

Ich sagte dem Kind einfache Wahrheiten über Gott und seine Beziehung zu Ihm, die es in der Sonntagsschule gelernt hatte. Doch immer wieder jammerte es unter Tränen dazwischen: „Aber es tut immer noch weh.“ Der Gedanke, daß meine Gebete wirkungslos seien, schreckte mich auf. Ich sah ein, daß ich recht dogmatisch und ohne Inspiration an die Sache herangegangen war und das ein Fehler war. Demütig geworden, wandte ich mich nun von ganzem Herzen an Gott als Prinzip und bemühte mich, die ununterbrochene Wirksamkeit Seines geistigen Gesetzes wirklich zu verstehen. Da wir das Gefühl hatten, sehr schnell Hilfe zu brauchen, setzten wir uns auch mit einer Ausüberin der Christlichen Wissenschaft in Verbindung und baten sie, uns durch Gebet zu unterstützen.

Ich ging ans Bett meiner Tochter zurück und wollte ihr wieder versichern, daß sie Gottes vollkommenes Kind sei. Aber was ich wirklich sagte, war: „Du bist Gottes liebes Kind.“ Ich wunderte mich, wieso das Wort liebes über meine Lippen gekommen war, da ich in diesem Augenblick daran nicht gedacht hatte. Doch dann wurde ich mir plötzlich der vollen Botschaft bewußt, die ich empfangen hatte: „Dies ist mein liebes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe“ — das war fast wortwörtlich der göttliche Segen, mit dem Jesus nach seiner Taufe gesegnet worden war. Siehe Mt 3:17.

Es war einer jener Momente, wo man das Gefühl hat, auf heiligem Boden zu stehen. In tiefer Dankbarkeit erkannte ich klar und deutlich das Wesen des alliebenden Gottes, der sich Seines geliebten Kindes zärtlich annimmt. Der Vater wußte nichts von einer Unvollkommenheit in unserer Tochter. In Seinen Augen war sie strahlend wie immer, rein, ganz und gar vollkommen und in Ewigkeit gut. Und im Gegensatz zu der mühsamen und ziemlich fruchtlosen mentalen Anstrengung, die ich vorher gemacht hatte, war dieses geistige Verständnis mühelos gekommen, tröstete mich bis in den letzten Winkel meines Herzens und wandelte alles um.

Ich schaute auf das Kind und sah, daß es sanft eingeschlafen war. Der Rest der Nacht verlief friedlich. Und wir waren nicht überrascht, als unsere Tochter am Morgen fröhlich aufwachte und verkündete: „Mein Ohr tut überhaupt nicht weh.“ Von Kindern können wir einiges über das unschuldige Vertrauen lernen, das nichts Geringeres erwartet als vollkommene Gesundheit.

Als Paulus zu den Athenern darüber sprach, daß sie unwissend Gott verehrt hätten, sagte er, es sei die Aufgabe der Menschen, daß „sie Gott suchen. .., ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir. .. Wir sind seines Geschlechts.“  Apg 17:27, 28. Wir alle sind die geliebten Kinder der göttlichen Liebe. Wenn wir diese unverrückbare Beziehung in ihrer ganzen Tragweite erfassen, fühlen wir ihre Macht, jede disharmonische Situation zu heilen — und wir wissen in unserem Herzen, daß dies das geistige Verständnis ist, das heilt.

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