„Die Christliche Wissenschaft erhebt die Fahne der Freiheit und ruft:, Folget mir! Entrinnt der Knechtschaft von Krankheit, Sünde und Tod!' Jesus zeichnete den Weg vor. Bürger der Welt, nehmt die herrliche, Freiheit der Kinder an und seid frei!“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 227). Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Sünde sich zwangsläufig selbst zerstört, und diese große Wahrheit hat sich mir bewiesen.
Als ich im Gefängnis saß, schien alle Freude aus meinem Leben zu weichen. Bitterkeit und Haß traten an ihre Stelle. Ich lehnte jede Autorität ab und war in dieser Hinsicht unverbesserlich; verbittert schwor ich — als wenn meine Probleme nicht das Ergebnis meines eigenen Tuns gewesen wären —, daß ich mir mein Leben nicht von der Polizei ruinieren lassen würde.
Eines Sonntags besuchte ich einen Gottesdienst und beschloß, eine Bibel mit in meine Zelle zu nehmen. (Eine Bibel bei sich zu haben galt bei den anderen Häftlingen als Zeichen der Schwäche; so nahm ich eine Zeitung von der hinteren Kirchenbank, um das Buch zu verbergen.) In meiner Zelle stellte ich fest, daß die Zeitung der Christian Science Monitor war. Ich hatte als kleiner Junge die Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft besucht, war aber nicht in einer christlich-wissenschaftlichen Familie groß geworden. Nun erinnerte ich mich an die Worte an der Wand in der Sonntagsschule: „Gott ist Liebe.“ Ich beschloß, einen christlich-wissenschaftlichen Gottesdienst zu besuchen. Anfangs ging ich nur, um eine Stunde Frieden zu haben und von der Gefängnisatmosphäre wegzukommen, aber ich wurde ein regelmäßiger Besucher der Gottesdienste.
Mrs. Eddy schreibt: „Die Menschen sind konsequent, die wachen und beten, die, laufen' können, und nicht matt werden, ... wandeln' können, und nicht müde werden', die das Gute schnell erringen und ihre Stellung behaupten oder die es langsam erlangen und sich nicht entmutigen lassen. Gott verlangt Vollkommenheit, aber nicht eher, als bis die Schlacht zwischen Geist und Fleisch ausgefochten und der Sieg gewonnen ist“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 254). Bei mir ging es eher langsam, aber mein Fortschritt war stetig. Die Christliche Wissenschaft zeigte mir das Licht, das das ewige Aufdämmern des Christus ankündigt. Hoffnung erschien am Horizont, und ich erkannte eine Möglichkeit, nach Hause zu kommen.
Dann besuchte mich ein Mitglied eines Komitees für Gefängnisarbeit aus der dortigen christlich-wissenschaftlichen Zweigkirche. Der Mann hatte nur ein paar Jahre vorher in demselben Gefängnis gesessen. Ich hatte jemanden erwartet, mit dem ich mich richtig identifizieren konnte — einen „Ehemaligen“. Voller Erwartung sah ich dem Besuch entgegen, war dann aber recht enttäuscht, weil der Mann mir nicht in dieser vertrauten Art begegnete.
In der folgenden Woche kam mir eine Erkenntnis, als ich im Christian Science Journal einen Artikel über einen anderen ehemaligen Häftling fand, der nach seiner Entlassung auch in den Gefängnissen arbeitete. Er hatte seine Freiheit gefunden, als er aufhörte, sich als ehemaligen Häftling zu betrachten, und sich statt dessen als vollkommenes Kind Gottes sah. Genauso war es dem Betreffenden ergangen, den ich kennengelernt hatte — er hatte aufgehört zu glauben, er sei „anders“ oder „weniger wert“. Und das mußte auch ich tun.
Im Leben eines Gefängnisinsassen scheint kein Ereignis von größerer Bedeutung zu sein als die Anhörung vor der Kommission für Haftentlassung. Diese Kommission wird sehr gefürchtet — man hält sie für eine Gruppe von gemeinen Menschen, die gegen die Gefangenen sind. Aber meine neugefundene Identität als Kind Gottes brachte die wunderbare Erkenntnis mit sich, daß die geistige Wahrheit über mich auch für meine Mitmenschen gilt, und das schloß die Leute in der Kommission ein. Erfüllt von diesem neuen Selbstwertgefühl, das sich auf meinen unveränderlichen Wert als Kind Gottes gründete, und voller Vertrauen in die guten Eigenschaften der Kommissionsmitglieder ging ich zu meiner Anhörung; ich hatte das beruhigende Gefühl, die Freiheit schon erlangt zu haben. Mir wurde Bewährung bewilligt, und einige Monate später wurde meine Gefängnisstrafe widerrufen, so daß ich in einen anderen Bundesstaat ziehen und ein neues Leben beginnen konnte.
Ich war obdachlos und arbeitslos und empfand den dortigen Leseraum der Christlichen Wissenschaft als Zufluchtsort und die Gottesdienste am Sonntag und Mittwoch als eine Quelle des Trostes.
Eines Tages hatte ich ein sehr ermutigendes Vorstellungsgespräch und glaubte, daß ich gute Chancen hatte, eingestellt zu werden. Ich hatte jedoch meinen Gefängnisaufenthalt nicht in meinem Lebenslauf erwähnt, und als man das entdeckte, erhielt ich die Stelle nicht. Ich war völlig niedergeschmettert. Aber da das an einem Mittwoch geschehen war, trug ich meine Last in die Abendzeugnisversammlung der dortigen Zweigkirche der Christlichen Wissenschaft. Ich hörte eine besonders hilfreiche Lesung und Zeugnisse über den Wert der Ehrlichkeit und erfuhr, daß wir zuversichtlich sein können, wenn wir recht handeln. Ich fühlte mich getröstet und faßte in diesem Gottesdienst den Entschluß, meinen Lebenslauf zu berichtigen. Innerhalb weniger Wochen hatte ich eine gute Stelle gefunden. Nun konnte ich eine Wohnung mieten. Auch erfuhr ich, daß ich an einem regionalen Jugendtreffen teilnehmen konnte, das von Der Mutterkirche organisiert wurde.
Einige Tage nach dem Treffen bot sich mir die Gelegenheit, ein paar Bier zu trinken; ich hatte diese Gewohnheit noch nicht ganz ablegen können. Dann fiel mir etwas ein, was ich als Idee von diesem Jugendtreffen mit nach Hause genommen hatte, und ich erkannte, daß ich noch nicht soweit war, mich in jeder Lage, in die ich geriet, als Christlicher Wissenschafter zu verhalten. Mir wurde aber klar, daß ich im Grunde meines Herzens den höheren Anforderungen gerecht werden wollte. Im gleichen Augenblick wurde ich von einem Alkohol- und Drogenproblem geheilt, mit dem meine Familie seit mehreren Generationen zu tun gehabt hatte. Dieses Problem hatte mich auch ins Gefängnis gebracht. Ich stellte ferner fest, daß eine Abhängigkeit von Tabak, die bis in die Grundschulzeit zurückreichte, geheilt worden war. Seit jenem Mittwoch, an dem ich verstehen gelernt hatte, wie wichtig Ehrlichkeit ist, war mir nicht einmal der Gedanke gekommen, eine Zigarette zu rauchen.
Kurz danach stieß ich bei meinem Studium von Wissenschaft und Gesundheit auf folgende Erklärung: „In der Christlichen Wissenschaft gibt es niemals einen Rückschritt, niemals eine Rückkehr zu einem Standpunkt, dem man entwachsen ist“ (S. 74). In der Gewißheit, daß ich in meinem Leben den Anforderungen der Christlichen Wissenschaft gerecht werden konnte, bewarb ich mich um Mitgliedschaft in Der Mutterkirche.
Seit der Zeit hat es keinen Blick zurück gegeben — nur freudige Dankbarkeit für die Allgegenwart Gottes, die mich frei macht.
New York, New York, USA
 
    
