Als Ich Einmal im Frühjahr für einige Tage in das Hochland der Sierras wanderte, hatte ich Gelegenheit, mich um Hilfe an Gott zu wenden — etwas, was ich zu der Zeit häufig vernachlässigt hatte.
Eines späten Nachmittags kam ich an eine meiner Lieblingsstellen zum Zelten in der Nähe eines Bergsees. Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte, beschloß ich, auf einen nahegelegenen Berg zu steigen, um von dort die Aussicht zu genießen. Als ich mich aufmachte und über Felsen und Schneeverwehungen kletterte, frischte ein schwacher Talwind auf. Es bildete sich Wolken, und bald war der ganze Berg in dichte Wolken gehüllt. Da nun keine Hoffnung mehr auf eine schöne Aussicht bestand, beschloß ich, auf einem anderen Weg zum Lager zurückzukehren. Ich orientierte mich an einem noch sichtbaren Punkt im Gelände und brach in Richtung meines Lagers auf.
Ich hatte mich schon so oft in dieser Berggegend aufgehalten, daß ich glaubte, mich dort nie verirren zu können. Ich genoß die Landschaft, während ich so dahinwanderte, steckte den Kopf zwischen Felsbrocken, um mir winzige Moos- und Flechtengärten anzuschauen oder hier und da eine frühe Blume. Ich hob Steine und Kristalle auf.
Nach ungefähr einer Stunde begann ich mich nach dem Lager umzusehen. Es hätte jetzt in der Nähe sein müssen. Als ich auf den Boden blickte, entdeckte ich einen Fußabdruck im Schnee. Zunächst war ich überrascht, bis mir klar wurde, daß der Fußabdruck von mir stammte, kurz nachdem ich zum Gipfel aufgebrochen war; ich war im Nebel in einem großen Kreis gegangen. Ich versuchte, mich an diesem einen Fußabdruck zu orientieren, doch mein Weg hatte fast nur über Felsen geführt. Hier war ich nun, hoch auf einem Grat, und fragte mich, auf welcher Seite des Berges sich mein Lager befand. Nach einer mir bekannten Landmarke suchend, änderte ich die Richtung auf jenem hohen Grat mehrmals. (Mit meinem Stolz, mich in der Wildnis zurechtzufinden, war's erst mal vorbei!)
Inzwischen mußte sich auch meine Gedankenrichtung geändert haben, denn schon bald hörte ich mich folgende Worte aus einem bekannten Kirchenlied singen: „Hirte, über Berge steil / Zeig den Weg mir klar ...“ (Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 306). Das schienen in dem Augenblick sehr passende Worte zu sein. Dieses Lied hatte mich schon in anderen Situationen getröstet, und nun erfüllte es mich nicht nur mit innerer Ruhe, sondern half mir auch, meine Einstellung zu ändern. Das Gefühl der Hilflosigkeit verschwand.
Da es bald dunkel wurde, erwog ich die Möglichkeit, die Nacht in einer Mulde zwischen Felsblöcken zu verbringen. Ich fand einen geeigneten Platz unter einer Felsplatte, wo ich ein kleines Feuer machen konnte. Da stand ich nun und überlegte, ob ich die Nacht dort bleiben oder weiter nach meinem Lager suchen sollte.
In dem Moment fiel mir der folgende Bibelvers ein: „Gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen“ (Spr 3:6). Einen Augenblick lang vergaß ich die Gegenwart und dachte an andere Situationen in meinem Leben zurück, in denen ich durch mein Verständnis von Gott Hilfe erhalten hatte. Mir wurde bewußt, daß ich bei diesen Erfahrungen jedesmal einen zunehmenden inneren Frieden empfunden hatte. Jetzt, wie damals, wurde ich dadurch getröstet, daß ich Gott als eine Kraft anerkannte, die stärker war als ich — eine immergegenwärtige Stütze, an die ich mich wenden konnte.
Kurz nachdem ich begonnen hatte, über diese Dinge nachzudenken, brachen die Wolken auf und enthüllten einen mir bekannten Berg, der zur westlichen Wasserscheide auf der anderen Seite der Schlucht gehörte. Der Berg war nur wenige Sekunden sichtbar. Doch weil ich an jener Stelle stehengeblieben war, genügte der kurze Blick, um mich in die richtige Richtung zu führen. Ich kam freudig, voller Dankbarkeit und auf direktem Weg im Lager an.
Da es dann fast die ganze Nacht schneite, war ich um so dankbarer, daß ich mich von meinem eigenen Orientierungssinn und Stolz abgewandt und mich auf Gott verlassen hatte. Er regelt alles viel besser.
Wieder im Lager angekommen, dachte ich darüber nach, wie sich die Wolken kurz zerteilt hatten; war dies ein Beweis göttlicher Führung oder lediglich ein glücklicher Wetterumschlag? Ich brauchte nicht lange zu überlegen, denn was ich in jenem Augenblick empfunden hatte, bestätigte mir, daß es mehr als nur ein glücklicher Zufall gewesen war. Ich dachte über ähnliche Erfahrungen in meinem Leben nach. Immer war ihnen derselbe innere Frieden und die ruhige Zuversicht vorausgegangen, die ich auch auf dem Grat empfand, als ich mich von einem persönlichen Orientierungssinn abwandte und mir vergegenwärtigte, daß Gott Seine Schöpfung — mich eingeschlossen — beherrscht.
Erlebnisse wie diese zeigen mir, daß es immer möglich ist, bei Gott Führung und Fürsorge zu suchen. Ich erinnere mich noch insbesondere an zwei körperliche Heilungen, und zwar wurde ich schnell von einer Knöchelverletzung und augenblicklich von einer Erkältung geheilt. Beide Heilungen wurden durch Gebet bewirkt. Die Gewißheit, daß die Schritte des Menschen vom unbegrenzten, göttlichen Gemüt behütet und gelenkt werden, läßt mich immer wieder nach jenen Öffnungen in den Wolken Ausschau halten.
O’Brien, Oregon, USA
