Von Beruf Handelsreisende verkaufe ich Werbung und trete täglich mit circa 20 bis 30 mir meist unbekannten Personen in Kontakt. Meine Tage sind im Allgemeinen von Harmonie geprägt, verbunden mit Erfolg je nach meinem momentanen Verständnis der Liebe und Einheit Gottes, die die ganze Schöpfung einschließen. Wohlverstanden sind wir in Wahrheit immer eins mit dem Allmächtigen, doch müssen wir uns diese Tatsache von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen. Als mich einmal die Umstände dazu zwangen, dies zu tun, lernte ich eine wunderbare Lektion; ich entdeckte, was es heißt, eine Situation aus der Perspektive des himmlischen Vaters zu sehen.
An jenem Tag sprach ich die Ehefrau eines Geschäftsinhabers in dessen Büro an und unterbreitete ihr das Angebot meiner Firma. Von Anfang an benahm sie sich völlig eigenartig und misstrauisch. Ich hatte das Gefühl, dass sie nur den Moment abwartete, um unser Produkt zu deklassieren. Das war völlig unüblich, da es allgemein als gut befunden wurde.
Zum Schluss stellte sie mich noch als Lügnerin hin bei etwas, was ich ihr sogleich beweisen konnte und wollte. Dies erlaubte sie mir jedoch nicht mehr, sondern sie stand an der Tür und warf mich quasi hinaus. So etwas ist ganz und gar nicht mein Alltag! Gewöhnlich werde ich liebenswert behandelt. Ich stand draußen und zitterte. Sogleich betete ich kurz und wandte mich an Gott, um meinen Frieden wiederherzustellen, so wie ich es durch mein Studium der Christlichen Wissenschaft gelernt hatte. Beruhigt ging ich weiter und verbrachte den Rest des Tages in Eintracht und Erfolg.
Doch abends zu Hause in der Stille kamen die deprimierenden Gedanken und schienen mich zu bombardieren. Ein Kampf zwischen Fleisch und Geist tobte. Selbstrechtfertigung und Groll begehrten ständig Einlass — einesteils gab ich mir die Schuld und anderenteils schob ich sie ihr zu. Ich wusste, dass ich bei dem mentalen Argumentieren darum rang, am Geistigen festzuhalten, und zugleich versuchte, mich von den falschen, Gott unähnlichen Gefühlen freizumachen.
Immer wieder vergegenwärtigte ich mir, dass es nur ein Sein, eine Wirklichkeit, eine Quelle gibt, und die ist Gott. Doch meine Bemühungen, dieses eine unendliche Gemüt wahrzunehmen, waren erst erfolgreich, als ich mich fragte:, Wie sieht Gott diese Situation? Hat Er Kenntnis von einem unharmonischen, misstrauischen Menschen voller Frustrationen oder etwa einem Menschen, der sich irgendwelche Schuld aufgeladen hat?” Ich wusste, dass alles wirkliche Leben in Gott ist, und erkannte plötzlich, dass es keinen Sinn hatte, sich weiter menschlich mit der Situation auseinanderzusetzen — sich Gedanken darüber zu machen, welche Fehler begangen wurden und wer der Schuldige war. Da Gott den Menschen samt Seiner ganzen Schöpfung als sehr gut befunden hat, kann Seine Schöpfung in keiner Weise mangelhaft sein. Sie ist geistig und vollkommen.
Ich spürte die heilende Liebe, und mir wurde leichter ums Herz. Immer wenn eine Situation äußerlich schlecht erscheint, ist es wichtig, sofort zu fragen: „Wie sieht es Gott?”
Ich spürte die heilende Liebe und mir wurde leichter ums Herz, wie wenn eine schwere Bürde abgefallen wäre. Mir wurde bewusst, dass immer, wenn eine Situation äußerlich schlecht erscheint, es wichtig ist, sofort zu fragen: „Wie sieht es Gott?” Die Antworten sind klar, und diese Wahrheiten können augenblicklich heilen. Groll, Selbstrechtfertigung und Hass verschwinden und Beweise der immergegenwärtigen göttlichen Liebe erscheinen. Jetzt verstand ich auch die Worte Christi Jesu in der Bibel: „Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.” Joh 15:9, 12.
Freude habe ich wohl darüber empfangen und unendliche Dankbarkeit empfunden, doch war die Situation damit noch nicht völlig bereinigt. Äußerlich mussten auch noch Schritte unternommen werden. Vermutlich litt die Frau ebenfalls unter dieser Erfahrung, so musste ich auch dahin das Licht tragen. Für mich war es eine Gelegenheit, Mrs. Eddys Auslegung der folgenden Zeile aus dem Gebet des Herrn gehorsam zu sein: „Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern.” Mrs. Eddy schreibt: „Und Liebe spiegelt sich in Liebe wider.”Wissenschaft und Gesundheit, S. 17.
Am nächsten Abend brachte ich der Frau ein kleines Präsent und teilte ihr mit, dass ich von ihr wohl unüblich behandelt worden sei, dies aber vermutlich von gewissen schlechten Erfahrungen ihrerseits herrühre. Ich versicherte ihr, dass ich keinen Groll gegen sie hegte. Durch eine kleine Aussprache wurden die Missverständnisse aufgelöst und durch Freudenstrahlen und Händeschütteln ersetzt.
Diese Wahrheiten können augenblicklich heilen.
Seit diesem Tag versuche ich immer, mich zu fragen: „Wie sieht es Gott? Hat Gott Kenntnis von diesen oder jenen Irrtümern oder Zuständen? Schließt Gemüt Sünde, Krankheit und Tod Disharmonie irgendwelcher Art ein?” Im Geist — in dem wir „leben, weben und sind” Apg 17:28., wie Paulus so schön erkannte — gibt es nur Freude, Frieden, Vollkommenheit und Wahrheit. Wir alle können über den Nebel steigen, zu unserer göttlichen Quelle gehen und uns fragen: „Wie sieht es Gott?” Dann werden wir die Harmonie finden, nach der wir suchen.
