Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn [Elia] an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. (1. Kön 19.7,8)
»Der Engel ... kam zum zweiten Mal. ... Dass sich dieser Vorgang wiederholt, zeigt, wie erschöpft Elia war. ... Gott lässt Elia Zeit, um zu Kräften zu kommen, bevor mit ihm spricht und ihm einen neuen Auftrag gibt.
... Elia befolgt das Wort des Engels. ... Noch einmal stärkt er sich, aß und trank. ... Elia ist nicht nur äußerlich gestärkt. Er ist auch neu ermutigt. Er kann wieder gehen. Das hat seinen bisherigen Weg ausgezeichnet, dass er auf Gottes Anweisung hin ging ... Die Betonung liegt auf dem Wunder des Aufstehens und Weitergehens, der überwundenen Niedergeschlagenheit und Todessehnsucht. Die äußere Ernährung steht im Hintergrund. Dass er unterwegs Speise zu sich nahm, ist nicht ausgeschlossen.
Vierzig Tage und vierzig Nächte war Elia unterwegs. ... Die Zahl »vierzig begegnet oft in der Bibel und steht für einen langen und abgeschlossenen Zeitraum.
Das Ziel ist jetzt eindeutig genannt, der Horeb. Horeb ist der zweite Name für den Berg Sinai und ist vor allem in 5M0 verwendet. Als Berg Gottes wird er selten bezeichnet. ... Aber warum ging Elia zum Horeb? Wäre inzwischen nicht Jerusalem mit dem Tempel der richtige Ort gewesen? ... Elia wollte Israel auf dem Karmel zurückführen zur Anfangsentscheidung für Jahwe ... Nach dem Scheitern ging er an den Ort des Bundesschlusses, der auch schon zum ersten Mal gescheitert war und erneuert werden musste. Der Horeb dürfte von Anfang an Elias Ziel gewesen sein, auch wenn zunächst die Kraft nicht reichte. Die genaue Lage des Sinai bzw. Horeb ist bis heute umstritten. Die christliche Tradition identifiziert ihn seit dem 4. Jh. mit dem dschebel musa im Süden der Sinai-Halbinsel. Gehen wir bei aller Unsicherheit von diesem Ort aus, so wäre die Entfernung von Beerscheba bis zum Horeb etwa 320 km Luftlinie. ... Bedenken wir, dass der Weg durch die Wüste führte mit Trockenheit, Hitze und Gefahren, dass wir außerdem den genauen Weg nicht kennen, so ist klar, dass Elia längere Zeit dazu benötigte und vierzig Tage durchaus realistisch sein können.« (WStB)
Und siehe, da brachten sie zu ihm einen Gelähmten, der lag auf einem Bett. Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. (Mt 9:2)
»Wir erleben hier das Wunderbare, dass ein Mensch durch den Glauben seiner Freunde gerettet wird. Ohne diese Freunde wäre der Gichtbrüchige nie zu Jesus gelangt. Vielleicht hatten die Freunde ihn sogar gegen seinen Willen zu Jesus gebracht, weil er selbst bereits alle Hoffnung aufgegeben und resigniert hatte. Wie es sich damit auch verhalten haben mag, auf jeden Fall wurde dieser Mann durch den Glauben seiner Freunde gerettet. ...
Vielleicht wundern wir uns über die Art, in der Jesus diesem Manne entgegentrat. Als erstes sagte er ihm, seine Sünden seien ihm vergeben. Das hatte einen doppelten Grund. In Palästina glaubte man ganz allgemein, dass sämtliche Krankheiten die Folge von Sünden der Menschen seien und dass Krankheiten nur geheilt werden könnten, wenn den Menschen ihre Sünden vergeben würden. ... Es besteht infolgedessen kein Zweifel daran, dass eine Heilung dieses Mannes unmöglich gewesen wäre, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass seine Sünden ihm vergeben worden seien. Höchstwahrscheinlich hatte dieser Mann tatsächlich gesündigt und war überzeugt, dass seine Krankheit eine Folge seiner Sünden sei, was auch durchaus möglich ist; ohne die Versicherung, dass ihm vergeben sei, wäre er nicht geheilt worden. ...
Auch die moderne Medizin ist durchaus der Meinung, dass der Geist den Körper zu beeinflussen vermag und es auch tatsächlich tut und dass niemand einen gesunden Körper haben kann, dessen Geist nicht gesund ist. Paul Tournier führt in seinem Buch Aus der Praxis eines Arztes ein typisches Beispiel dafür an: Ein mir befreundeter Kollege behandelte ein junges Mädchen mehrere Monate lang ohne großen Erfolg wegen einer Anämie und schickte sie schließlich zum Vertrauensarzt ihres Bezirks, damit man ihr einen Kuraufenthalt im Gebirge genehmige. Eine Woche später überbrachte die Patientin einen Bericht des Vertrauensarztes, der sich als ein guter Kollege erwies und die Kur genehmigt hatte, seinem Bericht jedoch hinzufügte: »Bei der Blutanalyse konnte ich freilich keines der von Ihnen angeführten Merkmale feststellen.« Mein Freund, darüber aus der Fassung gebracht, machte sofort eine neue Blutprobe und stellte fest, dass das Blutbild sich plötzlich verändert hatte. ... Zu der Patientin zurückgekehrt, fragte er sie: »Hat sich seit Ihrem letzten Besuch in Ihrem Leben etwas Außerordentliches ereignet?« »Ja«, erwiderte sie, »ich konnte auf einmal jemandem verzeihen, dem ich bis dahin schrecklich gezürnt hatte; und auf einmal konnte ich danach wieder ja sagen zum Leben.« In dem Augenblick, in dem ihre Geisteshaltung sich geändert hatte, hatte sich auch ihr Blutbild zu seinen Gunsten verändert. Nachdem sie geistig gesund war, befand sie sich jetzt auch körperlich auf dem Wege der Besserung.
Nachdem Jesus ihn der Vergebung Gottes versichert hatte und er wusste, te, dass zwischen ihm und Gott alles in Ordnung war, dass Gott nicht sein Feind, sondern sein Freund war, wurde er gesund.
Es war die Art der Heilung, die die Schriftgelehrten empörte. Jesus hatte gewagt, jemandem seine Sünden zu vergeben; die Vergebung der Sünden aber war Gott vorbehalten, und Jesus hatte infolgedessen nach ihrer Meining Gott beleidigt. ... Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Schriftgelehrten glaubten, niemand könne aufstehen, es sei denn, seine Sünden seien ihm vergeben. Wenn Jesus also imstande war, diesen Mann zu veranlassen, aufzustehen und zu wandeln, dann war das der unwiderlegliche Beweis dafür, dass dem Manne seine Sünden vergeben waren und dass der Ausspruch Jesu zutraf. Jesus bewies also, dass er den Menschen Vergebung der Seele und Gesundheit des Körpers zu geben vermochte. Wir werden körperlich nur gesund sein, wenn uns auch geistig nichts fehlt; Gesundheit des Leibes und Frieden mit Gott stehen in enger Beziehung zueinander.« (Barclay)
Nebukadnezars Wahnsinn (Dan 3:31-4:34)
»Wir haben hier ein amtliches Dokument vor uns, ein religiöses Bekenntnis des babylonischen Königs in Form eines Edikts. Die Form dieses Edikts stimmt vollkommen mit dem überein, was uns aus der archäololgischen Forschung über babylonische Edikte bekannt ist.
Zunächst handelt es sich um ein dramatisches Geschehen, in dem wie in Dan 2 ein Traum des Königs und dessen Deutung durch Daniel – nach dem abermaligen Versagen der babylonischen Weisen – von Bedeutung sind. Doch anders als in Kap. 2 schließt sich ein seelsorgerlicher Rat Daniels an die Deutung an. Daraufhin setzt sich das dramatische Geschehen fort: Nebukadnezar verachtet die Mahnung, verfällt in menschlich unheilbaren Wahnsinn, gewinnt aber eine Erkenntnis des wahren Gottes und wird dann geheilt. Abgesehen von der Schlussprophetie in Kap. 10-12 handelt es sich um die längste Einzelerzählung im Danielbuch.
Was ist ihr Sinn? Im Hochmut des Weltherrschers erreicht der im Sündenfall offenbarte Hochmut des Menschen einen Gipfel. Nebukadnezar preist seine eigene Macht und sagt sich los von der Abhängigkeit von Gott. Daraufhin straft ihn Gott, indem er ihn zum Tier werden lässt. Das Geschehen ist real und zugleich tief symbolisch: Gott widersteht dem Hoffärtigen, der von Gott emanzipierte Mensch – nach 1M0 1; Ps 8 zur Krone der Schöpfung bestimmt – wird zum Tier. Es deutet sich hier schon prophetisch-modellhaft der Sturz aller Weltreiche an, während Gottes Reich ewig bleibt. Die unendliche Überlegenheit Gottes tritt hervor, der heute schon in Verborgenheit das Weltregiment ausübt. Aber dieser unendlich überlegene Gott warnt den Sünder, gibt ihm Gelegenheit zur Umkehr und nimmt den Umkehrenden gnädig an.« (WStB)
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. (Mt 6:13)
»Aramäisch lautet der Text wörtlich: Lass uns nicht in Versuchung fallen. Im Orient sagt man auch heute noch häufig: Lass uns nicht in Not sein, und Behüte mich davor, Fehler zu begehen. ...
Das aramäische Wort nesiona (= versuchen) bezieht sich auf eine luxuriöse, weltliche Lebensführung. Natürlich ist es nicht der Sinn des Verses, dass Gott uns in solch ein Leben führen und dadurch versuchen würde. Es war auch nicht Gott, der Judas in Versuchung brachte, als er seinen Meister um Geld verriet, sondern seine eigene Liebe zum Geld. Gott führt niemand in Versuchung. Das schrieb schon Jakobus in seinem Brief an die Zwölf Stämme klar und deutlich: Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand (1:13). Gott führt diejenigen, welche um Weisheit und Einsicht zu Ihm aufblicken, und hilft ihnen, das Übel (das Falsche, die Bosheit, den Irrtum) des materiellen Lebens zu überwinden. Das Wort pasan ist besser mit trenne (scheide) uns von dem Bösen, als mit erlöse uns zu übersetzen. Gott gebietet über das ganze Universum, und wir stehen in Seiner Macht.« (Lamsa)
Quellenangaben
WStB = Wuppertaler Studienbibel;
Barclay = William Barclay, Auslegung des
Neuen Testaments;
Lamsa = Die Evangelien aus aramäischer Sicht
