Dieser Artikel basiert auf verschiedenen Gesprächen mit Ivanka Bates, einer engen Freundin und Christlichen Wissenschaftlerin aus London. Er wurde durch ihre Ideen inspiriert und geformt.
Im Dezember und Januar schockierten und bewegten uns die Bilder und Berichte von der Sintflut in Asien mit ähnlicher Macht wie die Geschehnisse des 11. September 2001. Das erste Gefühl war eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit. Nach dem anfänglichen Schock jedoch begann eine in diesem Ausmaß noch nie da gewesene Hilfsaktion auf individueller, nationaler und internationaler Ebene. »Die Krise«, so UN-Generalsekretär Kofi Annan, »ist so groß, dass kein einzelnes Land und keine einzelne Hilfsorganisation damit fertig werden kann.«Die Zeit, 2005/02 »Das Geld des Augenblicks«
Die Katastrophe — nicht die einzige in den letzten Jahren — deutet an, in welchem Zustand sich unsere Welt befindet. Welche Gedanken hegt die Menschheit, dass eine Flutwelle solchen Ausmaßes entstehen konnte? Unter anderem scheint es, dass sich diese Gedanken in einer erschreckenden Umweltzerstörung manifestieren. (Ausdrücklich betonen möchte ich, dass diese Umweltzerstörung nicht nur in Asien stattfindet; Katastrophen gibt es auch in Deutschlands und Europas jüngster Vergangenheit.)
Korallenriffe bilden einen natürlichen Schutz vor Stürmen und Flutwellen. Die Surin-Inselkette in der Nähe von Phuket blieb vom in der Region üblichen Korallenriffabbau verschont. Der Tsunami brach einige Breschen in das Riff, verlor aber so sehr an Kraft, dass die meisten Einwohner überlebten. In Indonesien dagegen, einem Land, das besonders stark von der Flutwelle getroffen wurde, sind die Riffe fast völlig abgebaut oder weggesprengt worden. Mangrovenwälder hätten die Wellen ebenfalls abschwächen können. Hinter Riffen und Dünen bilden sie einen dritten Wellenbrecher. Thailand und Indien haben ihre Mangrovenwälder jedoch gut zur Hälfte abgeholzt, z.B. um Platz für Touristenhotels direkt am Strand zu schaffen. Und um Garnelenfarmen anzulegen, kraterförmige Brackwasserteiche, die nach wenigen Jahren mit Chemikalien und Nährstoffen überlastet sind, so dass die Farmer in den nächsten Mangrovenwald weiterziehen. In der indonesischen Provinz Aceh wurden die Mangrovenwälder von der Holzindustrie flächendeckend gerodet.Die Zeit, 2005/02 »Entzweite Welten«
Das ist nicht die einzige Art und Weise, wie sich das negative und zerstörerische Bewusstsein ausdrückt. Tiefe Risse trennen die Kulturen in den am stärksten betroffenen Ländern. Das thailändische Grenzgebiet zu Malaysia ist Aufmarschgebiet muslimischer Separatisten. Auf Sri Lanka kämpfen hinduistische Tamilen gegen buddhistische Singalesen. In Aceh herrscht seit einem Vierteljahrhundert Bürgerkrieg.
Es ist leicht, der Versuchung zu erliegen, mit dem Finger auf »die da in Asien« zu zeigen. Werfen wir jedoch einen Blick auf unsere eigene Gesellschaft. Es herrscht kein Bürgerkrieg, aber Risse sind auch hier vorhanden. Risse in Familien, in Unternehmen, in der Gesellschaft (»die und wir«), im sozialen Gefüge, in Kirchen und anderen spirituellen Vereinigungen, Risse in uns selbst. Sind wir uns dessen bewusst?
Vielleicht können wir eine durchgreifende Änderung des Zustandes unserer Welt eher durch viele kleine, tägliche Taten bewirken. Nicht durch eine große Tat — so wichtig und wertvoll die großen Hilfsaktionen im Angesicht von Katastrophen auch sind. Solche Katastrophen verändern jedoch oft unseren Fokus. Wir vergessen darüber, dass wir nur uns selber ändern können. Man könnte versucht sein zu glauben, dass mit einer großen Tat genug getan ist, dass die Welt für eine Weile enger zusammenrückt. Aber rücken wir wirklich enger zusammen? Helfen wir unserem Nächsten, tun wir Gutes auf täglicher Basis? Gott ruhte nur am 7. Tag. An jedem der vorhergehenden sechs Tage hat Er etwas erschaffen — nicht alles an einem Tag, sondern jeden Tag etwas (siehe Genesis).
So genannte kleine Taten: Ein Lächeln, ein freundliches Wort, eine Einladung zum Essen, ein Artikel aus einer Zeitschrift, der für einen Bekannten interessant sein könnte, ein großzügiges Trinkgeld, echtes Interesse an einem anderen Menschen. Gibt es in der Kirche jemand, der einsam ist, der nicht in die Gemeinschaft mit eingeschlossen ist? Jemand, der Hilfe braucht? Was können wir in unserer unmittelbaren Umgebung, in unserer Familie tun? Was können wir für uns selbst tun? Eine Basis für gute Taten Anderen gegenüber ist gut zu sich selbst zu sein. Sich selbst vergeben, sich einen Moment der Ruhe mit einem guten Buch oder einem schönen Film gönnen. Einen Spaziergang in der Natur machen. Den Mut zu haben, Limitationen, negatives Denken und eigene Illusionen zu überwinden. Wo sind wir engstirnig und verurteilend? Wo hegen wir negative, ärgerliche, vielleicht sogar hasserfüllte Gedanken? Wo spüren wir Neid, wo sind wir egoistisch und selbstsüchtig? Wo haben wir nicht gerecht gehandelt? Schulden wir jemand eine Entschuldingung? Wo haben wir vergessen, dass wir Gottes Kinder sind und die Person uns gegenüber ebenfalls?
Es geht niemals darum, einen Schuldigen oder ein schuldiges Land auszumachen, sondern darum, gemeinsam Anregung, Ansporn und Ermutigung zu finden, »besser« zu denken und zu handeln. Wenn wir alle auf der Welt Gottes Liebe lebten, würden solche Tragödien wie diese Flutwelle vielleicht nicht passieren.
Es ist gut, dass viele Menschen im Angesicht dieser und anderer Katastrophen helfen. Wir sollten jedoch nicht vergessen, über die wahren Ursachen nachzudenken und uns bewusst machen, dass unsere Welt jeden Tag gute Taten und Gebete braucht. »Wenn alle, die jemals am Abendmahl teilgenommen haben, sich wirklich die Leiden Jesu in Erinnerung gerufen und aus seinem Kelch getrunken hätten, sie hätten die Welt revolutioniert. Wenn alle, die sein Gedenken durch materielle Symbole feiern, das Kreuz auf sich nehmen, die Kranken heilen, die Übel austreiben und den Armen — dem empfänglichen Gedanken — Christus oder WAHRHEIT predigen, sie werden das Millennium einleiten.«Wissenschaft und Gesundheit, Mary Baker Eddy, Seite 34