Als sie am 30. Dezember zum Studio des Bombay Radio kam, war das Ausmaß der ungeheuren Tsunami-Verwüstung in Indien schon deutlich abseh-und spürbar gewesen. »So viele ließen ihr Leben, und so viele davon waren Kinder«, sagt Jer Master, eine ehemalige Kinderärztin, die nun Christian Science Heilen durch Gebet praktiziert und lehrt und mit Vorträgen über geistiges Heilen viel auf Reisen ist.
Jer Masters Interview wurde am nächsten Morgen gesendet, als in Bombay Millionen von Pendlern »All India Radio's FM Gold« auf ihrem Weg zur Arbeit hörten. Master sagt, sie wollte die Trauernden trösten und praktikable spirituelle Antworten auf einige der drängendsten Bedürfnisse anbieten, die die Nachwirkungen mit sich bringen – die dringende Notwendigkeit, den Überlebenden Hilfe zukommen zu lassen, sowie Furcht vor möglichen Epidemien. Doch vor allem wollte sie die Zuhörer den profunden Trost spüren lassen, der, wie sie sagt, durch eine geistige Sicht des Lebens gewonnen werden kann und durch das Gefühl, von Gott geliebt zu sein, egal was passiert.
Bei einem Gespräch Anfang Januar mit dem Sentinel erläutert Jer Master die Quelle eines Trostes, der über Anteilnahme und Mitgefühl hinausgeht: »Gott selbst ist Leben«, sagt sie, »und dieses Leben von allem und jedem ist immerwährend, weil es geistig ist. Auch wenn viele ihr Leben ließen, existieren sie in Wirklichkeit immer noch — als Ideen im göttlichen Gemüt, was ein anderer Name für Gott ist.«
Dieses Konzept vom geistigen Dasein — dem Sein eines jeden menschlichen Wesens, ausgestattet mit einem einzigartigen und göttlichen Charakter, und dieses Lebens »in Gott» als fortwährend und vollständig — wird im Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy ausführlich erforscht. Jer Master benutzt Wissenschaft und Gesundheit zusammen mit der Bibel als Grundlage ihrer Heilpraxis. Als sie erstmals über das Ausmaß des Tsunamis hörte, kam ihr ein Satz aus Wissenschaft und Gesundheit in den Sinn, der zum Kern ihres Gebetes und ihre Hauptaussage während des halbstündigen Interviews wurde. »Die Worte kamen mir immer wieder«, sagt sie, »»Fluten der Liebe«« (S. 201). Sie glaubt, dass die Flut von Gottes Liebe im Grunde viel mächtiger ist als irgendeine Erd-Kraft und dass sie Überlebenden helfen kann, aus Schock und Trauer auszubrechen.
»Im Radiosender fragte mich jemand, ob ich ein Gedicht kenne, das ich vorlesen könne.« Eines, das trösten würde. Jer Master dachte an ein Gedicht, das im Christian Science Liederbuch vertont wurde (Lied 174). Es beginnt so:
»Wie eine Mutter,
so tröstet Gott die Seinen.
Ruhig Sein Trost,
der alle Unrast stillt.
Sein Trost gibt Hoffnung –
Mut erneut zum Streben –
Ist reine Liebe,
fried- und freuderfüllt.«
»Ich erklärte, dass diese Situation nach Heilung schreit und dass wir heilende Ideen brauchen, um auf dieses Ereignis einzuwirken. Trost kommt von Gott, der der eine universale Schöpfer ist. Es ist die Natur Gottes, Liebe zu sein. Gott ist die Quelle aller Liebe, und da Er der universale Schöpfer ist, ist Er jedermanns Vater und Mutter. Für mich heißt Gebet, die Gedanken zu dem Punkt zu erheben, wo man Gottes Fürsorge sehen und fühlen kann.«
Sie fährt fort: »Für viele Leute in Indien ist die Idee, dass Gott uns liebt, ein ganz neuer Gedanke. Deshalb habe ich die Liebe Gottes immer wieder betont. Manchmal dachte ich, dass ich es vielleicht zu oft sage, aber ich glaube, dass es gesagt werden musste.«
»Furcht bleibt eine große Herausforderung. Es gab Schlagzeilen (über die Möglichkeit künftiger Tsunamis), die fragten: »Wäre Mumbai (Bombay) für solch ein Ereignis gewappnet?« Der menschliche Schritt zu Sicherheit ist der, sich an eine höhere Dienst-Ebene zu wenden. Aber wir müssen auch geistig höher steigen. Wir können unser Denken auf eine höhere Ebene emporheben, auf der wir uns unserer Einheit mit Gott, Seiner Gegenwart, bewusst sind, wie auch der Tatsache, dass Er uns in Seiner Liebe hält. Wir müssen uns nicht krampfhaft festhalten Gott hält uns. Wenn wir unsere Gedanken auf diese Tatsache gerichtet halten, wird die Furcht weichen, zusammen mit den Unannehmlichkeiten, die durch weitverbreitete Ängste verursacht werden.«
In diesen ersten Tagen schien in Indien das Bedürfnis nach sauberem Wasser, Essen, Zuflucht und Kleidung sehr groß zu sein. Jer Master zitierte für ihre Zuhörer einen weiteren Satz aus Wissenschaft und Gesundheit: »Die göttliche Liebe hat immer jeden menschlichen Bedarf gestillt und wird ihn immer stillen« (S. 494). Sie erklärte, dass Reinheit eine Qualität von Gott, Seele, sei. »Sie ist in erster Linie eine mentale Qualität und Gottes Macht steht immer zur Verfügung, um Gedanken zu reinigen. Geläutertes Denken kann dazu führen, den Weg zum benötigten reinen Wasser zu finden.«
»Das Denken beeinflusst unsere Erfahrung. Zusätzlich zu allen Maßnahmen, die notwendig erscheinen — sauberes Wasser und Hygiene bereitzustellen, und man spricht nun davon, ein Tsunami-Warnsystem im Indischen Ozean zu installieren — geht es um das Verständnis der ganz und gar gegenwärtigen Macht Gottes, die jeden von uns retten kann.«
Indiens grundlegende Schwierigkeit war das Transportsystem. Der Radiomoderator merkte an, dass viele der betroffenen Gebiete unerreichbar geworden seien. Jer Master erwiderte daraufhin, dass Gott überall hin reiche und es nichts gebe, was die Gottheit nicht sehen würde. Liebe ist unendlich, überall, auch wenn die Probleme, denen wir gegenüberstehen, so riesig erscheinen.
»Ich sagte, dass jede Hauptreligion in Indien Gott als allgegenwärtig, allmächtig und allwissend betrachtet. Was weiß Er dann? Er weiß nur um das Gute. Die göttliche Liebe führt jeden, der anderen helfen möchte. Mitgefühl veranlasst Menschen überall auf der Welt, Hilfe zu schicken. Diese menschlichen Bekundungen von Liebe sind Zeichen der Gegenwart Gottes in unserem Dasein. Er wird das sichere und zweckmäßige Verteilen von Hilfeleistungen leiten.«
Der Radiomoderator las einen Bericht von der aktuellen Titelseite der Tageszeitung The Times of India vor, der von »Wundern« berichtete, die während des Tsunami geschahen, beispielsweise von einem kleinen Kind, das auf einer schwimmenden Matratze gefunden wurde. The Times verglich dieses Ereignis mit Moses Rettung als Kind, als seine Mutter ihn in einem schwimmenden Weidenkorb versteckte.
In den Nachrichten des gleichen Tages hörte man von einer Lehrerin aus Andhra Pradesh, einem Bundesland an Indiens Ostküste, die, nachdem sie die Warnung eines bevorstehenden Tsunami in den Kurzmeldungen des Morgenfernsehens gehört hatte, augenblicklich auf ihrem Fahrrad eine halbe Stunde zu einem Fischerdorf fuhr. Viele Dorfbewohner hörten erst nicht auf sie, aber sie blieb hartnäckig und schließlich flüchteten sie auf die Höhe. Es wurden etwa 700 Leute gerettet.
Jer Master erzählt uns weiter: »Trotzdem gab es eine Wehklage, die durch die indische Presse ging: Wo ist Gott? Warum lässt Er zu, dass solche furchtbaren Dinge passieren? Viele Inder glauben an Karma — dass man jetzt für Sünden bestraft wird, die man in einem vorigen Leben begangen hat. Doch diese Selbstlosigkeit während eines Notfalls — die Menschen, die sich nicht um ihre eigene Sicherheit sorgten, sondern an das Wohlergehen anderer dachten — dieser Impuls kommt von Gott. Deshalb geht eine Macht damit einher, die es einem ermöglicht, Dinge zu tun, die übernatürlich erscheinen.« Für Master bringen diese Taten die Tatsache zum Ausdruck, dass Gott wirklich gegenwärtig und nicht verschwunden war.
Sie erörterte auch die Sorge vor Krankheiten und Epidemien: »SARS war letztes Jahr eine Sorge, und jeder hat davon gehört. Ein paar Leute verstanden die Angelegenheit, doch die überwiegende Mehrheit nicht. Was ist Immunität? Ich sehe sie mehr mental als physisch. Einige Leute fürchten alles, was umgeht, und bekommen es, obwohl es der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gut geht. Die Tatsache, dass die meisten Menschen nicht der Ansteckung unterliegen, kommt von dem Vertrauen in die Gegenwart des Guten. Tatsache ist, dass sich das Gute schneller und weiter verbreitet als das Böse, und das Gute kommt Gott. Gute Gedanken können überallhin reisen, augenblicklich, und Gott hat die Macht, das Gute in die betroffenen Gebiete zu senden. Die Macht Gottes befähigt uns, Herausforderungen in Form einer Krankheit zu überwinden. Natürlich müssen wir Maßnahmen ergreifen, reines Wasser und saubere Plätze zum Wohnen bereitstellen, aber diese Schritte an sich werden nicht ausreichen. Wenn wir jedoch in Gottes Macht des Guten vertrauen, dem einzigen, was tatsächlich kommuniziert, können dadurch diese unheilvollen Voraussagen gebremst werden.«
Der Radiomoderator bat Jer Master, noch mehr auf das Beseitigen von Furcht einzugehen. Sie erzählt uns: »Ich sagte, dass Furcht von dem Glauben stammt, dass es wesentlich mehr Böses als Gutes in der Welt gebe. Aber wenn wir Gott besser verstehen — dass Er das Böse nicht schuf, sondern einzig und allein das Gute — dann wird das Gute in unserer Erfahrung dauerhafter, verständlicher und sichtbarer.«
Man bat sie, die Sendung mit einem weiteren Gedicht zu beenden, und so las sie Mary Baker Eddys Gedicht »Der Mutter Abendgebet« ( Vermischte Schriften, S. 389), das folgenden Vers beinhaltet:
»Liebe beut Zuflucht;
nur mein Auge wähnt,
dass Schlingen lauern
und die Grube gähnt;
Sein Wohnort hehr
ist hier, ist überall;
Sein Arm umgibt die Meinen,
mich, uns all'.«
Jer Master empfindet die globale Antwort auf den Tsunami als »das erste Mal, dass sich die ganze Welt dafür stark gemacht hat, denen zu helfen, die Verlust erleiden. Niemand ist wirklich hilflos und ohne Trost. Indien hat seine eigenen Herausforderungen, eigene Gebiete mit großen Zerstörungen, sandte aber dennoch Schiffe, Versorgung und Ärzte nach Sri Lanka. Die Fluten der Liebe können nie schaden. Sie segnen jeden.«
