Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Erinnerungen an die Dresdner Christian Science Zweigkirche

Aus der Mai 2005-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als sich meine Mutter mit einer Gelenkentzündung herumplagte, machte uns unsere damalige Waschfrau auf Christian Science aufmerksam. Das war 1935. Nach einigen Wochen besuchte meine Mutter einen Christian Science Gottesdienst und kam sehr beeindruckt zurück. Eines Sonntags fuhren meine Eltern mit meinem Bruder und mir zur Ersten Kirche Christi, Wissenschaftler, nach Dresden-Neustadt. Schon der Ein- oder besser der Aufgang beeindruckte mich sehr, Rechts und links vorn Eingang führte je eine Treppe einige Stufen auf einen blumengeschmückten Vorplatz. Geöffnete Türen wiesen den Weg ins Innere der Kirche, wo wieder zwei breite, teppichgeschmückte Treppen in die 1. Etage führten, von wo aus es dann zum Kirchenraum ging. Es gab 1000 Sitzplätze — und zum Mittwochgottesdienst um 17 Uhr stand man trotzdem noch.

Am Sonntag wurden wir zwei Kinder von einem Ordner begrüßt und in den Sonntagsschulraum im Erdgeschoss gebracht. Meine Eltern waren nach oben verschwunden, aber ich war sicher, sie »hier unten« wieder zu treffen. In der Sonntagsschule empfing uns eine sehr vornehme Dame mit »Blumenbeethut« und hellen Handschuhen, die sie übergezogen hatte (das war üblich und vornehm). Unserem Alter entsprechend kamen mein Bruder und ich in zwei unterschiedliche Kreise. In der Sonntagsschule gab es 35 Kreise mit je 12 Stühlen. Der Raum war riesig, fand ich. Auch gab es noch ein Pult Für den Sonntagsschulvorsteher und ein Harmonium. Num, ich durfte an diesem Sonntag neben der Lehrerein sitzen (was ich 3 Jahr lang tat, denn ich war immer so zeitig da, das dieser Platz noch nie besetzt war). Die übergroße Liebe, die ich spürte, und der andere Gottesbegriff als unendliche Liebe, den ich dort kennen lernte, begeisterten mich so, dass ich meinen Vater bat, uns zum regelmäßigen Besuch der Sonntagsschule anzumelden, meinen Bruder auch.

Ich hatte eine junge Lehrerin, auch mit einem großen Hut und mit Handschuhen, die sie zum Ende der Stunde wieder überstülpte und uns dann mit Händedruck verabschiedete. Zum Sakramentsgottesdienst gingen die älteren Klassen gemeinsam zum Gottesdienst in den Kirchenraum. Wir saßen dann auf der Empore. Es war aufregend. In den ersten drei Jahren fehlten mein Bruder und ich nicht einen Sonntag. Wie in den Kirchenämtern Wechsel im Amt eingehalten wurde, so war der Wechsel nach 3 Jahren in eine andere klasse und zu einer anderen Lehrerin geboten. Das war schmerzlich, mir liefen die Tränen, als ich zu meiner geliebten klasse hinschaute.

Mittwochs ging ich mit meiner Mutter auch zur »Zeugnisversammlung«, denn es gab großartige Heilungszeugnisse. Drei Minuten wurde für ein Zeugnis Zeit gegeben, und so hörten wir Zeugnis für Zeugnis von der heilenden Macht der Wahrheit.

Hier trugen die Ordner graue Handschuhe und eine große weiße Blume im Knopfloch, die Ordnerinnen trugen dazu auch einen Hut. Der äußere Eindruck war elitär, doch nicht im üblichen Sinne, vielmehr sah ich darin ein geistig gerichtetes Denken. Sicher, sie waren alle sonntäglich gekleidet, auch unsere Waschfrau, die ich kaum erkannte, so gut angezogen war sie. Natürlich gab es auch wohlhabende Mitglieder, die z. B. die Orgel schenkten und die Finanzierung der Kirche mit trugen. Auch Professoren, Schauspieler, Musiker gehörten zu den Besuchern, aber auch wohlhabende Handwerker und der breite Mittelstand.

Ich besuchte von 1935-1941 die Sonntagsschule, länger war es nicht gestattet, und wenige Wochen nach dem Ende meiner Sonntagsschulzeit wurde die Kirche geschlossen. Unsere Bindung an die Mutterkirche in Amerika war dem Hitlerregime ein Dorn im Auge. Der gesamte Vorstand kam vorübergehend ins Gefängnis. Es durfte z. B. vor der Schließung keine Kollekte mehr eingesammelt werden, nun, so legte man seinen Betrag einfach auf den Tisch im Vorraum, wo der Schatzmeister saß.

Entsetzlich fanden wir, wenn wir zur Kirche hinauskamen und auf der Straße mit lauter Musik die SA vorbei marschierte. Oft gingen wir in eine Seitenstraße, um dem zu entgehen. An all das erinnere ich mich sehr genau.

Alle drei Abbildungen von Hildegard Hoxhold zeigen Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, Dresden


Meine Großeltern hatten mich kurz vor der Schließung der Christian Science Kirche durch die Nationalsozialisten bei der Sonntagsschule angemeldet. Ich erinnere mich noch an einen großen Saal im Untergeschoss des Kirchengebäudes. Über der Eingangstür hing ein Bild, das Jesus darstellte, wie er die Kinder segnete. Im Saal standen viele Stühle in Kreisen. Meine Großmutter brachte mich zur Sonntagsschulvorsteherin, die an einem Pult an der rechten Seite des Raumes saß. Sie führte mich zu einem Kreis für die jüngeren Kinder und einer sehr netten Lehrerin. In der Stunde lernte ich ein Gebet, das etwa mit den Worten begann:

Ich weiß, dass Gott sein Kind bewacht,
auch wenn ich schlafen geh> zur Nacht
Er ist mein Leben, mir immer nah,
ich brauch> nichts fürchten, denn Gott ist da.
Gott ist mein Alles, ich fürchte nichts mehr,
die göttliche Liebe ist rings um mich her.

Ich fand den Unterricht wunderschön und war sehr traurig, als die Kirche kurz darauf geschlossen und die Gottesdienste verboten wurden. Wenig später kam es zu Verhaftungen und Bücherrazzien bei Kirchenangehörigen. Auch bei uns wurde nach »verbotener Literatur« gesucht. Meinen Großeltern wurde die gesamte christlich-wissenschaftliche Literatur beschlagnahmt, selbst die Bibel wollte man mitnehmen. Erst nach dem Hinweis meiner Großmutter, sie könne die Bibel ja in jeder Buchhandlung nachkaufen, wurde ihnen die Bibel gelassen. Meine Großmutter erzählte mir auch, dass sie zur Polizei bestellt und dort stundenlang festgehalten und zur Christlichen Wissenschaft verhört wurde. Da sie zu der Zeit keine Ämter in der Kirche innehatte, ließ man sie wieder gehen. Meine Großeltern hatten daraufhin weiter Kontakt zu befreundeten Christlichen Wissenschaftern bei nachmittäglichen Einladungen zu Kaffee und Kuchen.

Während des Dresdener Bombenangriffs hatten wir Zuflucht in der Turnhalle gefunden, die unmittelbar an das Kirchengebäude anschloss. Es waren in der Nacht vom 12. bis 13. Februar schon zwei Angriffe erfolgt und unser Haus war durch Brandbomben zerstört worden. Den dritten Angriff erlebten wir mit vielen anderen Menschen in der Turnhalle, durch deren zerborstene Fenster ich die Bomber sehen konnte. Obgleich der Angriff sehr heftig war und wir die Einschläge hören konnten, blieben sowohl die Kirche als auch die als Sammellager dienende, restlos überfüllte Turnhalle verschont.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Mai 2005

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.