Täglich hören wir von einer Fülle von neuen Gesetzen, die geplant, geändert oder verabschiedet werden — und das nicht nur im nationalen Bereich, sondern länderübergreifend. Die ständigen Veränderungen verursachen manchem ein Gefühl von Ungewissheit und Unsicherheit. In dieser Situation haben viele Menschen Sehnsucht nach einer verlässlichen Richtschnur, einer Regel und Leitlinie, die uns hilft, uns inmitten der Veränderungen zurechtzufinden.
In diesem Zusammenhang fragte ich mich, ob die Zehn Gebote, die der Bibel gemäß Mose von Gott empfing und seinem Volk vermittelte, für uns heute eine Verhaltensnorm sein können (2. Mose 20:1-17 u. 5. Mose 5:621). Sie orientieren sich an der Beziehung des Menschen zu Gott und zu seinem Mitmenschen und sind somit Verhaltensregeln für ein wünschenswertes Zusammenleben mit dem Ziel von Freiheit und Gerechtigkeit. Benötigen wir nicht für unsere gegenwärtigen Probleme Regeln, damit die Freiheiten Einzelner nebeneinander bestehen können, ohne sich über ein verträgliches Maß hinaus zu behindern?
Eine Ausstellung mit dem Titel »Die Zehn Gebote«, die ich vor einiger Zeit im Dresdner Hygienemuseum besuchte, beschäftigte sich ebenfalls mit dieser Frage. Die Werke zahlreicher zeitgenössischer Künstler bezogen sich auf jeweils eins der Gebote. In ihnen wurde die heutige Lebenssituation wiedergegeben mit der Behauptung, dass alle Zehn Gebote sehr häufig auf der ganzen Weilt missachtet werden.
Die Künstler Tim Noble & Sue Webster präsentierten zum Beispiel zum Ersten Gebot ein Werk mit dem Titel »$ 2001«. Es zeigt ein Dollarzeichen, bestehend aus vielen strahlenden Glühbirnen — ein Bild dafür, dass Geld und Besitz zu einem leuchtenden Gott erhoben werden.
Vieles wird heute zu einem »Gott« gemacht, es wird angebetet und verehrt. Die alltägliche Werbung mit ihrer Flut von Bildern, Tönen und Eindrücken hält uns materielle Idealbilder vor Augen, denen die Menschen leicht geneigt sind nachzueifern.
Der Künstler Martin Honert stellte mit seinem Werk »Laterne, 2000« zum zweiten Gebot einen Mann dar, der im Bett liegend Bilder aus einem Fernseher in sich aufnimmt. Das Bett steht in einem ringsherum verglasten Raum, um den der Zuschauer herumgehen kann. Für den Betrachter sind Himmel, Sterne und Mond sichtbar, während der Mann nichts von seiner Umgebung wahrnimmt, sondern nur auf die Fernsehbilder starrt.
Welche Bilder sind wir bereit, in uns aufzunehmen? Lassen wir uns beeinflussen von der nahezu allgegenwärtigen Bilderflut der Werbung, die uns einlädt, immer neue, stets als noch besser angepriesene Produkte zu konsumieren? Nehmen wir unrealistische Idealbilder als Vorbilder an, auch auf die Gefahr hin, dass wir ihnen nie entsprechen können, weil sie aus lauter »Einzel-Vorzügen« zusammengebastelt wurden und keine reelle Person mehr darstellen? Machen wir uns Zielvorstellungen zu Eigen, die wir wohl erstrebenswert finden mögen, die aber nicht unserem eigenen Wesen entsprechen und uns permanent unter Druck setzen? Oder lassen wir uns betrügen von Bildern der Vergangenheit, die uns entweder suggerieren, früher sei alles besser gewesen, oder die uns durch belastende Erfahrungen einholen und bedrücken?
Hier ist die zuvor gestellte Frage, ob die Zehn Gebote ein Wegweiser durch das alltägliche Labyrinth sein können, wieder aufzugreifen.
Jesus fasst die ursprünglich zehn einzuhaltenden Gebote in Mt 22:3740 in zwei zusammen. Erstens: Gott zu lieben und zweitens ein gleichbedeutendes: unseren Nächsten zu lieben wie auch uns selbst zu lieben. Eine Liebe im Sinne von Achtung für den Anderen, ungeachtet der Nation, der Hautfarbe oder Religion, würde die Missachtung der Gebote, wie sie die Künstler in der Ausstellung zum Ausdruck brachten, vermeiden helfen. Diese Liebe würde den ökonomisch wie auch physisch und seelisch Notleidenden auf der ganzen Welt Trost und Hilfe gewähren und somit die Weltprobleme lösen helfen.
Für mich sind die Zehn Gebote wie eine Landkarte, die ich immer bei mir habe und an der ich mich in jeder schwierigen Situation orientieren kann, um Gottes Güte und Führung zu leben und zu erfahren.
So wie ich auf einer Landkarte mir unbekannte Orte finden und den Weg dorthin erkennen kann, verhelfen mir die Zehn Gebote, Antworten zu finden in schwierigen Lebensfragen, mich für Gelassenheit und Zuversicht im Beruf oder für Versöhnung bei Streitfällen einzusetzen und eventuell Lösungen zu entdecken, wo Probleme im Alltag auftauchen mögen.
