Wir wachsen in einer Gesellschaft auf und leben in einem Wertesystem, in dem Stärke und Selbstbehauptung eine große Rolle spielen. Um Hilfe bitten, sich führen lassen – beides hängt mit Demut zusammen – fällt vielen Menschen nicht leicht. Das andere Extrem, oder die andere Seite der Medaille, sind Menschen, die ihre Verantwortung völlig abgegeben haben.
Es ist eine Gratwanderung, um Hilfe zu bitten und gleichzeitig nicht die eigene Verantwortung abzugeben, also eine Balance zu finden. Diese Balance zeichnet wirklich erwachsene Menschen aus. Menschen, die sich nicht scheuen zuzugeben, dass sie nicht alles wissen und nicht alles allein schaffen können; die auf der anderen Seite keine Scheu vor Verantwortung haben, zum Beispiel für ihr Tun oder ihre Entscheidungen.
Es ist eine Gratwanderung, um Hilfe zu bitten und gleichzeitig nicht die eigene Verantwortung abzugeben, also eine Balance zu finden.
Wenn wir einen anderen um Hilfe bitten, machen wir uns auf gewisse Weise verletzlich. Daher ist es wichtig, sich immer auch an Gott zu wenden und sich nicht vollkommen auf einen anderen Menschen zu verlassen. Oftmals spricht Gott jedoch durch andere Menschen, wie viele Geschichten in der Bibel aufzeigen.
Um Rat oder Hilfe fragen kann bei wichtigen Entscheidungen oder schwierigen Situationen auf drei Ebenen stattfinden – spirituell, emotional und praktisch/materiell.
Die spirituelle Ebene, sich an Gott zu wenden und sich in allen Bereichen des Lebens auf Gott zu verlassen, ist die wichtigste. Aber auch die anderen beiden Ebenen haben ihre Relevanz. Alle drei hängen für mich zusammen. Wenn ich zum Beispiel emotional zu aufgebracht oder zu furchtsam bin, kann es schwierig sein, einen klaren Gedanken zu fassen. Konzentration auf spirituelle Wahrheiten hilft in solchen Fällen, Klarheit, Ruhe und Vertrauen zu finden. Spirituelle Hilfe kann durch verschiedene Kanäle zu mir gelangen: durch Gebet, durch Lesen in der Bibel, durch ein Gespräch mit einem christlichen Wissenschaftler oder einem anderen spirituell gesinnten Menschen.
Wenn wir einen anderen um Hilfe bitten, machen wir uns auf gewisse Weise verletzlich. Daher ist es wichtig, sich immer auch an Gott zu wenden und sich nicht vollkommen auf einen anderen Menschen zu verlassen.
Die emotionale Ebene ist die menschliche Ebene: alle Ängste, Sorgen, Freuden, alle Gefühle, die in einer bestimmten Situation eine Rolle spielen. Oftmals sind uns unsere Gefühle nicht völlig bewusst. Wenn ich eine unterschwellige Angst vor etwas verspüre, muss ich mir dieser Angst erst einmal bewusst werden, bevor ich Gott um Hilfe bitten kann.
Hilfe auf der emotionalen Ebene kann ebenfalls durch andere Menschen kommen. Von jemandem, der zuhört, eigene Erfahrungen teilt oder eine neue Perspektive anbieten kann. Eine weitere gute Quelle ist das Schreiben, zum Beispiel in Form eines Tagesbuchs. Alle Gedanken auf Papier zu bringen ist ein nützliches Werkzeug, um Klarheit zu gewinnen. Wenn es sich um komplexe Situationen oder Entscheidungen handelt, hilft dies, die vielen unterschiedlichen Gefühle und Gedanken zu sortieren, die einem durch den Kopf schwirren.
In Situationen, in denen ich große Angst verspürt habe, habe ich alle Ängste, alle Sorgen aufgeschrieben und sie in der Toilette hinuntergespült oder verbrannt – da gehören sie hin und nicht in meinen Kopf! Dies darf allerdings nicht zu einem rein intellektuellen Erlebnis werden. Ich soll mich immer an Gott zu wenden. Der von der Angst entleerte Geist darf nicht leer bleiben, sonst kommt die Angst wieder. Er muss mit geistigen Wahrheiten anstelle von Angst und Sorgen oder anderen »bösen Geistern« gefüllt werden (siehe auch Matthäus 12:43-45).
Alle Gedanken auf Papier zu bringen ist ein nützliches Werkzeug, um Klarheit zu gewinnen.
Die praktische Ebene ist die »Fußarbeit«, zum Beispiel gewisse Informationen, Fakten oder sonstige Daten zu recherchieren, mit einem Experten zu sprechen, Geld für etwas zu sparen, Fachliteratur zu lesen und vieles mehr – alles Dinge, die ich als Mensch tun kann. Das eigentliche Gelingen hängt von Gott ab. »Schaffet, dass ihr selig werdet [...] Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel.« (Philipper 2:12-14)
Ein Beispiel aus meinem Leben illustriert die drei Ebenen:
Manchmal bekomme ich Hinweise, die mir nicht gefallen - sei es von einem anderen Menschen oder aus der Bibel. Vielleicht weil ich Angst vor einer Veränderung habe.
Vor einiger Zeit erlebte ich eine konfliktgeladene Situation mit einem Kollegen. Wir planten eine Aussprache. Auf spiritueller Ebene wandte ich mich im Gebet an Gott und verdeutlichte mir die Tatsache, dass Harmonie ein Gesetz Gottes ist. Eine weitere Person betete für mich und für die Situation. Auf emotionaler Ebene sprach ich mit einer Bekannten, die viel Erfahrung im Umgang mit Konflikten dieser Art hat. Wir sprachen über die Situation und über meine Gefühle. Sie half mir, gewisse Dynamiken, die am Arbeitsplatz entstehen, und meine Reaktion darauf besser zu verstehen. Auf praktischer Ebene sprachen wir über mögliche Diskussionsansätze und konkrete Formulierungen für das Gespräch. >Vor dem Gespräch betete ich noch einmal. Die Diskussion verlief ruhig, professionell und harmonisch und wir lösten den Konflikt, der sich größtenteils als ein Missverständnis herausstellte.
Hilfe suchen bedeutet auch, die Bereitschaft zu haben, den Ratschlägen oder Ideen zu folgen. Manchmal bekomme ich Hinweise, die mir nicht gefallen – sei es von einem anderen Menschen oder aus der Bibel. Vielleicht weil ich Angst vor einer Veränderung habe, oder weil sie ein Umdenken oder ein geistiges Wachstum erfordern. Wenn ich dann jedoch die Vorschläge in die Tat umsetze oder dazu von ganzem Herzen bereit werde und Gott im Gebet um Unterstützung bitte, ist es oft leichter als gedacht oder die Situation löst sich einfach auf.
Es ist ein wunderbares Gefühl, das Leben nicht allein bestreiten zu müssen. Und in der Tat, Gott ist in Allem, das wir vollbringen wollen oder sollen.
