Gute Nachbarschaft scheint nicht überall selbstverständlich zu sein. Das belegen die vielen Gerichtsprozesse, die wegen nichtiger Nachbarschaftsstreitereien ausgefochten und nicht selten sogar in den Medien verbreitet werden. Vorurteile, mangelnde Kommunikation oder fehlende Toleranz sind manchmal wie ein Nebel, der sich störend über den normalen und freundlichen Umgang miteinander legt. Dazu kommt eine unbestimmte Furcht voreinander oder vor der möglicherweise andersartigen Kultur eines Nachbarn. Und auch Lärm ist oft ein Störfaktor.
Was tun? Soll man sich aus christlicher Nächstenliebe alles gefallen lassen?
Was tun? Soll man sich aus christlicher Nächstenliebe alles gefallen lassen, ganz wie die Bibelstelle im Neuen Testament oft verstanden wird, in der Jesus empfiehlt, nach einem Streich auf die eine auch die andere Wange anzubieten? Oder gibt es eine weitere Möglichkeit, die nur noch nicht genug erprobt wurde? Für mich ist Gebet ein stets wirksames Mittel. Es löst mich aus begrenzten, hypnotischen Gedanken, die immer wieder um dieselbe Sache kreisen. Es verbindet mich mit meiner innersten Quelle der Harmonie, die allen negativen Einflüssen in meinem Denken entgegenwirkt und mich davon befreit.
Hier ein Beispiel: Ein Nachbar beklagte sich, dass die Zweige meines Holunderbusches über den Zaun in seinen Garten hängen und außerdem das Regenwasser vom Dach meines Gartenhäuschens auf sein Grundstück fließt. Ich fand das alles ziemlich übertrieben und schenkte dem zunächst keine große Beachtung, zumal wir immer gut miteinander ausgekommen waren. Ich schnitt ein paar Zweige ab und dachte, damit sei die Sache erledigt. Doch dann war ich eines Tages sehr überrascht, als ich mit der Post einen Rückscheinbrief bekam, der die Drohung enthielt, dass die Nachbarn, wenn sich nicht bald etwas ändere, vor Gericht gehen würden. Das machte mich munter.
Nun begann ich wirklich zu beten. Ich dachte daran, dass gute Nachbarschaft ein Gesetz Gottes ist, wohingegen Ärger, Meinungsverschiedenheiten und unberechtigte Forderungen nie zu Gott, dem Guten, gehören oder von Ihm ausgehen können. Ich sagte mir, dass es durch dieses göttliche Gesetz eine Lösung geben muss, die jeden von uns zufriedenstellt.
Für mich ist Gebet ein stets wirksames Mittel. Es löst mich aus begrenzten, hypnotischen Gedanken, die immer wieder um dieselbe Sache kreisen.
Dann kam mir ein großartiger Gedanke. Ich hatte mir schon immer eine Regentonne im Garten gewünscht, wusste aber nie, wo und wie das zu realisieren wäre. Als ich die Sache näher betrachtete, wurde mir auf einmal klar, dass ich nur ein Ansatzstück für die Regenrinne brauchte und ein Rohr, um das Regenwasser in eine Tonne umzuleiten. Ich besorgte mir alle diese Teile und siehe da, es funktionierte! Dann schnitt ich den Busch ab. Aber das Wichtigste war, dass ich im Stande war, meinen Groll zu überwinden und wieder freundliche Kontakte zu meinen Nachbarn aufzunehmen, ohne auf ihren Drohbrief zu reagieren. Die ganze Sache verschwand wie ein Nebel, der sich auflöst. Vor einer Reise zu meiner Tochter gaben mir dieselben Nachbarn sogar ein Geschenk für sie mit. Ich hatte in meinem Gebet auch ihr wahrhaft liebevolles und gutes Wesen bekräftigt. Und so überraschte mich die Wirkung, ihre freundliche Reaktion, nicht. Der Friede war wiederhergestellt.
Was im Kleinen vor sich geht, geschieht auch im Großen. Neid, Vorurteile, Skepsis und Furcht sind kein guter Boden für harmonische Beziehungen, auch nicht zu den Nachbarn unseres Landes. Wie steht es mit unseren neuen Nachbarn im Osten? Wenn von Osterweiterung der Europäischen Union die Rede ist, weist das nicht darauf hin, dass sich unser Denken und unser Verständnis erweitern müssen? Das eröffnet mehr Möglichkeiten und eine größere kulturelle Vielfalt.
Wenn wir nicht ausschließlich mit Skepsis auf soziale Umstände oder mit Erwartungen auf politische Institutionen blicken, sondern uns dem alles regierenden göttlichen Prinzip der Versorgung zuwenden, dann können gute Lösungen für jeden gefunden werden. Statt Bürokratie kann mehr Miteinander, mehr Menschlichkeit praktiziert werden, und gute Nachbarschaft wird entstehen.
Ich dachte daran, dass gute Nachbarschaft ein Gesetz Gottes ist, wohingegen Ärger und unberechtigte Forderungen nie zu Gott gehören oder von Ihm ausgehen können.
Unsere Gebete können viel dazu beitragen, denn sie sind eine wirkungsvolle Kraft. Als ich folgendes Zitat von Mary Baker Eddy, der Verfasserin von Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift und anderer Bücher fand, hat das mein Denken in eine neue Richtung gelenkt. Es heißt da in Nein und Ja: »Wahrhaft beten heißt nicht, Gott um Liebe bitten, es heißt lieben lernen und die ganze Menschheit in eine Liebe einschließen.« (S. 39). Das wurde mir zur Richtschnur.
Nachbarschaft als Kundwerdung von Liebe — kann es etwas Besseres oder Schöneres geben?
