Und er lehrte in einer Synagoge am Sabbat. Und siehe, eine Frau war da, die hatte seit achtzehn Jahren einen Geist, der sie krank machte; und sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr aufrichten. (Lk 13:10,11)
»Hier hören wir zum letzten Mal [bei Lukas], dass Jesus in einer Synagoge war. Offensichtlich wurde er zu jener Zeit von den Verantwortlichen bereits auf Schritt und Tritt beobachtet; sprungbereit verfolgten sie alles, was er tat, um sich im geeigneten Augenblick auf ihn zu stürzen. Jesus heilte eine Frau, die ihren gebeugten Körper achtzehn Jahre lang nicht aufzurichten vermochte, und in diesem Augenblick mischt sich der Oberste der Synagoge ein. Er besaß freilich nicht den Mut, Jesus direkt anzusprechen. Er richtete seinen Einspruch an die wartende Menge, obwohl er Jesus galt. Jesus hatte am Sabbat geheilt. Nach dem Buchstaben des Gesetzes war Heilen eine Arbeit; Jesus hatte also gegen die Sabbatruhe verstoßen. ...
1. Der Oberste der Synagoge und seinesgleichen waren Menschen, deren Liese mehr den Satzungen als den Mitmenschen galt. Ihnen lag mehr daran, dass ihre eigenen kleinlichen Gesetzesvorschriften eingehalten wurden als daran, dass der Frau geholfen wurde, damit sie ihre Gesundheit wiedererlangte. Auch in der hochentwickelten Zivilisationsgesellschaft ist die Frage nach der Beziehung des einzelnen zum herrschenden System ein ernstes Problem. ... Und es ist höchst merkwürdig, dass von dieser Anbetung eines bestimmten Systems meistens auch die Kirche nicht verschont bleibt. Vielen Männern der Kirche — es wäre falsch, sie Christen zu nennen — liegt mehr an den Methoden der Kirchenverwaltung als am Gottesdienst und dem Dienst an den Menschen. Es ist eine traurige Wahrheit, dass es in den Kirchen mehr Zank und Hader wegen einzelner Verfahrensfragen als aus irgendeinem anderen Grund gibt. ...
2. Das Verhalten Jesu in dieser Angelegenheit beweist eindeutig, dass nach Gottes Willen kein Mensch auch nur einen Augenblick länger leiden soll als unumgänglich notwendig. ... Wenn Jesus die Heilung dieser Frau auf den nächsten Tag verschoben hätte, wäre niemand auf den Gedanken gekommen, ihn zu verurteilen. Doch Jesus bestand darauf, dass kein Leiden auch nur um einen Tag verlängert werden dürfe, wenn ihm noch am gleichen Tage ein Ende bereitet werden könne. Unser ganzes Leben ist erfüllt von solchen gutgemeinten, freundlichen Anordnungen, nach denen zuvor dieser oder jener Vorschrift genügt werden muss, oder diese oder jene technische Einzelheit vorher erledigt werden muss. Ein lateinisches Sprichwort besagt: Wer gleich gibt, gibt doppelt. Wir sollten niemals eine hilfreiche Tat, die wir heute ausführen können, verschieben.« (Barclay)
Und sie hatten vergessen, Brot mitzunehmen, und hatten nicht mehr mit sich im Boot als ein Brot. ... Und er das und sprach zu ihnen: Was bekümmert ihr euch doch, dass ihr kein Brot habt? Versteht ihr noch nicht, und begreift ihr noch nicht? Habt ihr noch ein verhärtetes Herz in euch? (Mk 8:14,17)
»Dieser Abschnitt wirft ein anschauliches Bild auf die Jünger, die auf die andere Seite des Galiläischen Meeres hinüberfuhren und vergessen hatten, Brot mitzunehmen. Der Sinn dieser Stelle erschließt sich uns am besten, wenn wir sie eng mit dem verknüpfen, was vorausgegangen war. Jesus dachte an die Forderung der Pharisäer nach einem Zeichen, ... Nehmt euch vor dem Sauerteig der Pharisäer ... in acht! ... Es ist, als habe Jesus die Jünger mit diesem für sich dastehenden Hinweis bereits auf etwas hindeuten wollen, das sehr bald eintreten sollte; ... Diese Offenbarung stand ihnen noch bevor.
Tatsächlich war dieser Hinweis Jesu denn auch reinweg über die Köpfe der Jünger hinweg gesprochen, weil diese an nichts anderes als an die vergessenen Brote und daran zu denken vermochten, dass sie hungrig bleiben müssten, wenn nicht etwas geschähe. Jesus bemerkte wohl, wie sehr sie in dem Gedanken an das Brot befangen waren, und es kann durchaus sein, dass er sie nicht zornig, sondern wie jemand fragte, der versucht, geistig schwerfällige Kinder dahin zu bringen, offen zutageliegende Wahrheiten zu erkennen. Er erinnerte sie daran, dass er zweimal eine riesige Anzahl von Menschen gesättigt hatte und dass trotzdem etwas übrig geblieben war. Es ist, als ob er gesagt hätte: Warum sorgt ihr euch? Erinnert ihr euch nicht mehr an das, was zuvor geschehen ist? Hat die Erfahrung euch nicht gelehrt, dass ihr euch um derartige Dinge keine Gedanken zu machen braucht ...?
Merkwürdigerweise lernen wir meist nur zur Hälfte etwas aus unseren Erfahrungen. ... Wir wurden krank und doch wieder gesund. Wir schienen vor unlösbaren Problemen zu stehen, und dann wurden diese doch gelöst ... Das Maß des Erträglichen schien überschritten zu sein, und dennoch zerbrachen wir nicht daran. Ach, was sind wir blind! Wenn wir nur richtig verstünden, was die Erfahrung uns lehrt, dann würde sie uns nicht pessimistisch machen im Blick auf das, was nicht sein kann, sondern zuversichtlich und voller Staunen darüber, dass Gott uns bisher sicher geleitet hat und dass die Vergangenheit uns lehrt: Gott hilft uns durch alles hindurch, was es auch sein mag.« (Barclay)
Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. (Apg 17:22)
»In Athen gab es viele, unbekannten Göttern geweihte Altäre. ... Athen besaß eine ganze Reihe unbekannter Götter. Von dieser Tatsache geht Paulus bei seiner Rede aus. Zu keiner Zeit fiel es ihm schwer, seine Botschaft jeweils den Menschen anzupassen, zu denen er gerade sprach. Wir können feststellen, wie er auch hier wieder Schritt für Schritt vorgeht: 1. Gott ist nicht von jemandem gemacht, sondern er selbst hat alles gemacht. Er kann daher auch nicht durch etwas, was von Menschenhand stammt, verehrt werden. Wer seine ganze Zeit, alle seine Gedanken, seine Kraft und sein ganzes Leben stofflichen, von Menschen gemachten Dingen widmet, der verehrt schließlich diese Dinge als seine Götter. 2. Gott ist der Lenker der Geschichte. Er hat den Aufstieg und den Niedergang der Völker bewirkt. Das ist in der Vergangenheit so gewesen und wird auch weiterhin so bleiben. 3. Gott hat die Menschen so gemacht, dass sie sich instinktiv nach ihm sehnen. In jedem Menschen ist etwas, was ihn in der Finsternis nach Gott tasten lässt, weil er Gottes Kind und mit Gott verwandt ist. 4. Die Zeit des Tastens und der Ungewissheit ist vorüber. Solange Menschen im Dunkeln suchen mussten, konnten sie Gott nicht erkennen, und daher verzieh Gott ihnen ihre Irrtümer und Torheiten; doch mit Christus ist das helle Licht der Erkenntnis und Offenbarung Gottes zu den Menschen gekommen. Jetzt ist die Wahrheit selbst erschienen, und die Zeit der Ausflüchte und Entschuldigungen ist vorbei. 5. Der Tag des Gerichtes steht bevor. Das Leben der Menschen ist nicht dazu bestimmt, ausgelöscht zu werden, wie die Epikuräer lehren, und auch nicht, um von Gott absorbiert zu werden, wie die Stoiker lehren; vielmehr führt das Leben der Menschen schließlich vor den Richterstuhl Gottes, und Jesus Christus ist der Richter. 6. Dass Jesus Christus vom Tode auferweckt wurde, ist ein Beweis ...« (Barclay)
Da trat Elia zu allem Volk und sprach: Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach, ist's aber Baal, so wandelt ihm nach. Und das Volk antwortete ihm nichts. (Kön 18:21)
»Mit einem Satz Bringt Elia in seiner Frage an das Volk das Problem seiner Zeit auf einen Nenner. ... Jahwe oder Baal. Wer ist der Gott für Israel? Sie kennen eigentlich von jeher nur einen, der ihr Gott ist und der keinen anderen duldet. Unter Ahab hatte sich die schleichende Vermischung zwischen Jahwe und Baal verstärkt. Israel musste sich neu entscheiden. Während die Verehrung mehrerer Götter in der Umwelt Israels die Regel war, war dies von Jahwes Anspruch her nicht möglich. Elia stellt mit diesem Entweder-oder ganz besonders auch Ahab vor die Entscheidung.
Auf diese erste, sehr direkte Frage gab es keine Reaktion, das Volk antwortete ihm kein Wort. Vielleicht war das Volk über den Aufruf zu einem Entweder-oder überrascht und sich der notwendigen Entscheidung gar nicht bewusst. Vielleicht schwiegen sie auch aus Betroffenheit. Jedenfalls war das Volk nicht sofort zu einer Antwort bereit, wollte vielleicht auch abwarten, was sich noch tat, ob Elia die Notwendigkeit zu einer Entscheidung begründen konnte.
Da keine Antwort erfolgt ist, fährt Elia mit seiner Rede fort. Die Aussage »ich, ich alleine bin übrig geblieben« zeigt den Ernst der Lage an. Mindestens von offizieller Seite her gab es in Glaubensfragen keine Nautralität mehr. Ein deutlicher Vorwurf an das Königshaus ist dieser Aussage zu entnehmen. ... Dass 450 Propheten Baals offiziell in Israel tätig sein konnten, Elia dagegen allein dastand, zeigt, dass von Regierungsseite die Entscheidung eigentlich schon gefallen war. Diese Aussage sollte das Volk zur Besinnung rufen. Das »allein« ist so zu verstehen, dass Elia der Einzige war, der sich noch öffentlich für Jahwe einsetzen konnte. ...
Nachdem das Volk keine Entscheidung fällte und sich die Propheten gegenüberstanden, musste ein direktes Eingreifen Gottes zeigen, wer der wahre Gott ist. Elia gab dafür die Anweisungen. ...
Das ganze Volk ist mit Elias Vorschlag einverstanden. Blieb es in V. 21 noch stumm, jetzt [in V. 24] antwortet es: »Das Wort ist gut.« Das bedeutet vor allem, dass das Volk das Ergebnis akzeptieren wird. ...
Der Unterschied zwischen Elia und den Baalspropheten [wird in der Folge] offensichtlich. Im Gegensatz zur stundenlangen Zeremonie der Baalspropheten spricht Elia kurzes Gebet. ...
Und Gott antwortet.« (WStB)
Quellenangaben
Barclay = William Barclay, Auslegung des Neuen Testaments
WStB = Wuppertaler Studienbibel
