Ruhig war's am kleinen Vorstadt-Bahnhof, fast idyllisch. Die Frau, die auf dem einzigen Bahnsteig stand, konnte die Grillen im Gras gegenüber vom Bahngleis zirpen hören, während sie auf ihren Bummelzug wartete. Die Luft roch nach Sommer und gemähtem Gras. Es hielten ja auch nicht viele Züge hier. Die meisten fuhren durch, vor allem die ICs.
Dann hörte die Frau ein leises Singen in den Schienen. Langsam schwoll es an und es kam ein tiefes Grollen dazu. Und hier kam er, der Schnellzug nach Süden. Seine elegante schnittige Form wurde langsam größer. Als er an den Bahnhof herankam, verlangsamte er für die Durchfahrt sein Tempo etwas.
Die Frau konnte deutlich die einzelnen Wagen identifizieren: Erste und Zweite Klasse, Speisewagen, Abteile für Geschäftsreisende. »Ja,« dachte sich die Frau, als sie durch die vorbeihuschenden getönten Fenster etwas vom Inneren erahnen konnte. »Schon eine komfortable Art zu reisen. Hohe bequeme Sitze mit klappbaren Rücklehnen, Stromanschluss für Laptops, Tische, und dann erst der Speisewagen. Was man sich da alles bestellen kann! Wie muss es sich wohl anfühlen, damit 500 km zu reisen? Hmm, wäre schön, da jetzt drin zu sitzen.«
Tja, es wäre schön —
■ einen freundlicheren Nachbarn zu haben
■ sich besser mit dem Ehepartner zu verstehen
■ gesünder zu sein
■ mehr Selbstsicherheit zu haben.
Ich bin sicher, dass Sie die Liste nach eigenem Geschmack mühelos verlängern können.
Oft kommt man sich so vor, als ob man selbst auf dem Bahnsteig steht und Menschen sieht, die »im Zug« an einem vorbeifahren, denen es anscheinend prima geht und die die Fahrt genießen. Und selbst kann man nur hinterherschauen. »Ja, wenn ich nur hätte, was ich brauche, (sprich: im Zug sitzen würde), dann wäre ich glücklich, dann würde ich mich geliebt fühlen, dann hätte ich die Selbstsicherheit, die ich brauche, dann würde ich mich besser fühlen, dann gäb's weniger Streit, usw.«
Anstatt die »Zugfahrt« zum Ziel zu machen (von dem wir unter Umständen sogar noch nicht einmal erwarten, es jemals zu erreichen), können wir sie tatsächlich zum Ausgangspunkt machen. Was? Wirklich?
Allerdings! Und so geht's: Anstatt sich vorzustellen, wie es wäre, im Zug zu sitzen, können wir uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass wir in Wirklichkeit bereits im Zug sind. Wir können diese geistige, göttliche Sichtweise zur Grundlage unserer Überlegungen machen.
Natürlich bedeutet das eine Änderung unserer Sichtweise, unseres Standpunkts, unseres Gedankenansatzes. Vom Bahnsteig in den Zug. Denn auf dem (idyllischen) Bahnsteig tut sich nicht viel. Wir müssen uns mental bewegen. Diese Sichtweise können wir nicht theoretisch einnehmen, wir müssen konkret eine gedankliche Wandlung vornehmen — oder besser: zulassen. Denn in Wirklichkeit ist es die Kraft Gottes, Seine Liebe zu uns, die bewirkt, dass wir diese Änderung erleben. Wenn wir
■ nicht mehr sehnsuchtsvoll eine Änderung vom Nachbarn erwarten, sondern mit Liebe und Vergebung den ersten Schritt gehen,
■ nicht mehr Gesundheit als körperliche Funktion sehen, sondern als geistigen untrennbaren Bestandteil unserer Identität,
■ unsere Einheit mit Gott erkennen, die uns mit freudigem Selbstbewusstsein den Tag anpacken lässt,
dann machen wir Fortschritt. Im IC-Tempo.
Lesen Sie den Geistesblitz Nr. 47 im Oktober.
