Vor ziemlich genau acht Jahren gab ich meinen damals zehn Monate alten Sohn zu einer Tagesmutter, weil ich im Rahmen meines Erziehungsurlaubes eine befristete Teilzeittätigkeit aufnehmen wollte. Ich war sehr froh, nach sieben »Fehlversuchen« und fast schon ohne Hoffnung, endlich einen Platz für ihn gefunden zu haben, der mir rein gefühlsmäßig als sehr geeignet erschien.
Nach ungefähr zwei Monaten sollte ich an einem Samstag ein Seminar leiten, und die Tagesmutter sagte, sie würde auf den Kleinen achten, bis ich ihn am Nachmittag wieder abholen käme. Das Seminar lief prima und endete früher als geplant, so dass ich mich zufrieden und voller Freude auf meinen Sohn auf den Heimweg machte. Je näher ich kam, desto nervöser und unruhiger wurde ich, es ging mir aus irgendeinem Grund nicht schnell genug. Endlich klingelte ich an der Tür. Als sie geöffnet wurde, war es sehr still in der Wohnung. Ich konnte meinen Sohn weder sehen noch hören!
Die Tagesmutter blickte gütig, aber sehr ernst. Ich fragte, wo mein Sohn sei. Da sagte sie mir, dass er sich sein kochend heißes Milchfläschchen übergeschüttet habe. Sie sagte auch, dass bei Gott alle Menschen unversehrt und heil seien. Völlig entsetzt und verzweifelt sah ich meinen Sohn im abgedunkelten Schlafzimmer daliegen, ein wimmerndes Bündel, das gar nicht richtig ansprechbar war. Ich war wie von Sinnen. Völlig unfähig, irgendetwas zu tun, kniete ich weinend über dem Kind, dessen eine Gesichts- und Körperhälfte Zeichen einer starken Verbrühung aufwies.
Die Tagesmutter sagte mir, dass er sich sein kochend heißes Milchfläschchen übergeschüttet habe. Sie sagte auch, dass bei Gott alle Menschen unversehrt und heil seien.
Sanft erklärte mir die Frau, dass ich meinem Sohn so nicht helfen könne. Sie nahm mich fest in die Arme und fragte, ob sie einen Rettungswagen rufen solle. Ich schrie sie an, wie sie überhaupt behaupten könne, dass mein Kind unversehrt sei, wie das eigentlich passieren konnte und dass sie bitte umgehend einen Rettungswagen rufen sollte. Sofort ging sie zum Telefon und rief den Kindernotarzt, dem sie in bewundernswerter Klarheit den Sachverhalt schilderte. Währenddessen zwang ich mich zur Ruhe und konnte mich mit tröstenden Worten meinem Sohn zuwenden, den ich nun in der Küche auf dem Arm hielt, während wir warteten. Die Tagesmutter erzählte mir nun ausführlich, wie sich alles zugetragen hatte, gleichzeitig kümmerte sie sich liebevoll um mich, da ich immer wieder um meine Fassung rang. Der Krankenwagen kam sehr schnell und als wir gingen, legte sie noch eine warme Decke um den Kleinen.
Der Kinder arzt, der uns abholte und begleitete, war wunderbar ruhig. Allerdings konnte er mir nicht versprechen, dass keine Narben zurückbleiben würden und er sprach auch von einem längeren Heilungsprozess. Im Krankenhaus wollte man den Jungen dabehalten, mich aber nach Hause schicken. Ich lehnte das kategorisch ab und war überaus dankbar, als wir von meinem Lebenspartner abgeholt wurden.
Ich musste immer wieder an die Tagesmutter denken, für die ich nun tiefes Mitgefühl empfand.
Während dieser ganzen Zeit war mein sonst so ungeduldiges Kind sehr ruhig, selbst beim Anlegen der dicken Verbände weinte und klagte er nicht. Seltsamerweise hatte ich auch nicht das Gefühl, dass er Schmerzen litt. Ich musste immer wieder an die Tagesmutter denken, für die ich nun tiefes Mitgefühl empfand. Sicher machte sie sich Gedanken, wie es dem Kleinen ging! Da mein Auto ja noch vor ihrem Haus stand, sagte ich meinem Lebenspartner, er solle bitte dort vorbeifahren. Wir einigten uns, dass wir an ihrer Tür klingeln wollten, nicht nur, um die decke wieder abzugeben, sondern um ihr den Jungen zu zeigen und Bericht zu erstatten.
Die Tagesmutter ist Christian Science Praktikerin und sie ist heute meine beste Freundin.
Sie freute sich sehr! Sie freute sich, weil wir vorbeigekommen waren, weil wir ihr überhaupt nicht böse waren, weil sie den Kleinen sehen durfte und weil wir ihr sagten, dass wir ihn weiter zu ihr bringen wollten. Sie gab mir den ersten Herold meines Lebens mit. Ich begann darin zu lesen und die Worte trösteten mich. Es war, als spräche eine sanfte Stimme zu mir: Fürchte Dich nicht!
Mein Sohn war abends schon wieder relativ vergnügt und hatte Spaß an seinen dicken Verbänden. Bereits am nächsten Montag war er wieder bei seiner Tagesmutter. Der Heilungsprozess verlief rasch und problemlos, er hatte wirklich keine Schmerzen und es blieben auch keine Narben zurück. Die Tagesmutter ist eine Christian Science Praktikerin und sie ist heute meine beste Freundin. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie den Mut hatte, damals mit mir in dieser wirklich heiklen Situation über Christian Science und den heilenden Christus zu sprechen. Ebenfalls danke ich ihr für ihre Unermüdlichkeit, mir in der Folgezeit alle Fragen über Christian Science zu beantworten und dafür, dass sie mich bis heute immer wieder in sehr wertvoller Weise unterstützt.
