Während eines Ägyptenurlaubs unternahmen mein Mann und ich einen Tagesausflug zum Katharinenkloster. Wir fuhren mit dem Bus durch die Sinaiwüste. Ibrahim, der Reiseführer, bemühte sich immer wieder, uns auf die vielfältigen Steinfarben in der Wüste aufmerksam zu machen. Nach einer Weile sagte einer der Reisenden: »Ibrahim, du solltest nach Deutschland gehen. Da gibt es viel Grünes; sogar Bäume!« Anscheinend konnte diese Person Ibrahims Begeisterung über die Wüste nicht teilen. Als ich das hörte, fiel mir die Definition von »Wüste« ein, die Mary Baker Eddy in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift schreibt: »Einsamkeit; Zweifel; Finsternis. Spontaneität des Denkens und der Idee; der Vorhof, in dem der materielle Sinn der Dinge verschwindet und der geistige Sinn die bedeutenden Tatsachen des Daseins entfaltet.« (S. 597:17-20) Dieser Mitreisende sah nur Sand und Stein in der Wüste. Und tatsächlich scheint uns manchmal das Leben nur aus Einsamkeit, Zweifel und Finsternis zu bestehen. Aber Mary Baker Eddy spricht auch von »Spontaneität des Denkens und der Idee.«
In seinem Tierfilm »Die Wüste lebt« (USA, 1953) zeigt James Algar, dass die Wüste viel mehr ist als nur tote Natur. Sie ist ein unbekanntes Naturreich, welches voller Wunder steckt. Bei genauerem Hinschauen erwacht die Wüste zum Leben. Pflanzen verwandeln ihre Blätter in Dornen und Vögel bauen ihre Nester. Unter den zahlreichen Tieren leben dort Schildkröten, Sandeidechsen, Vogelspinnen, Luchse, Klapperschlangen, Zwergeulen, Erdhörnchen, Habichte, Tausendfüßler, Mäuse, Stinktiere und viele andere. In unserer heutigen Sprache würden wir sagen: »Dort tobt der Bär!« Und so ist es auch mit der »mentalen Wüste«. Ich meine jetzt einen Zustand, in dem wir uns manchmal befinden können und glauben, dass sich nichts Positives in unserem Leben entwickeln kann. Wir sehen keinen Ausweg aus einer unangenehmen Situation oder nehmen keine Besserung oder Heilung wahr. Gerade in dieser Gedankenwüste können wir durch Gebet »die Spontaneität des Denkens und der Idee« und dadurch Heilungen in kurzer Zeit erleben. Wir brauchen nicht in der Wüste zu warten.
Bei genauerem Hinschauen erwacht die Wüste zum Leben. So ist es auch mit der »mentalen Wüste«, einem Zustand, wo wir glauben, dass nichts Positives sich in unserem Leben entwickeln kann.
Mose, der 40 Jahre lang durch die Wüste gewandert war, bevor er das verheißene Land erreichte, hat Tag für Tag die Spontaneität des Denkens erlebt: Manna fiel vom Himmel, Wasser sprang aus dem Stein. Mose lebte aktiv und erwartungsvoll in der Wüste. Er hat sich nie beschwert, dass er das versprochene Land noch nicht sah!
Gedankensprung...
Jesus heilte auch augenblicklich. Zu dem gelähmten Mann am Teich Betesda sprach er: »Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!« (Joh 5:8).
Unser Verständnis von Wüste ist oft mit Zeit verbunden — meist mit langer Zeit. Wir denken manchmal, dass das Gute nur in der fernen Zukunft erreicht werden kann; dass man durch einen langen Reinigungsprozess der Gedanken, durch die trockene, öde und leere Wüste gehen muss, um geheilt zu werden. Und diese Zeit teilt man in Abschnitte ein: Augenblick, Moment, Sekunde, Minute, Stunde, Tag und Jahr.
Mary Baker Eddy schreibt in ihrem schon erwähnten Hauptwerk (S. 595:15-17): »Zeit. Sterbliche Abmessungen; Begrenzungen, in denen alle menschlichen Handlungen, Gedanken, Ansichten, Meinungen, alles menschliche Wissen zusammengefasst werden.« Laut Wörterbuch ist die Definition von Zeit die Aufeinanderfolge und Dauer des Seins. Aber in der Bibel wurde die Schöpfung nach Tag und nicht nach Zeit gemessen! Mary Baker Eddy unterscheidet zwischen Tag und Zeit. Sie gibt uns die geistige Definition von Tag als: »Der Strahlenglanz des Lebens; Licht, die geistige Idee von Wahrheit und Liebe« (S. 583:1-2).
Wir brauchen nicht auf eine Oase zu warten. Wir können die Initiative im Jetzt ergreifen, indem wir die Entfaltung des Guten erwarten und entgegennehmen.
Wenn wir diesen Strahlenglanz in unserem Leben täglich nutzen, können wir »unsere Wüste« als einen reichen Schatz erkennen. Wir werden erkennen, dass sich das Gute lichtvoll entfaltet. In dem Christian Science Liederbuch gibt es das Lied »Zufriedenheit« von Mary Baker Eddy (Nr. 160): »Ganz einerlei, welch Los dir sei, So Liebe lenkt; Ob Sonnenschein, ob Sturm — allein Gott Frieden schenkt. Aus hartem Stein, Gewalt und Schein Kann Gott erneu'n; Es keimt die Saat in Geist und Tat, Für die Getreu'n.« Wir brauchen nicht auf eine Oase zu warten. Wir können die Initiative im Jetzt ergreifen, indem wir die Entfaltung des Guten täglich aktiv erwarten und entgegennehmen. Der Tag ist dann ein Zustand des Hellseins, des Da-Seins. Wer gestresst an ein Problem herangeht, wer gereizt und gehetzt unter Spannung steht, um einen Weg zu finden oder um geheilt zu werden, der verpasst die Wüste. Die göttliche Liebe lenkt unseren Weg sicher, beständig und sehr gut.
Wir besitzen nur das Jetzt, wo wir aktiv, präsent und voll bewusst von der geistigen Idee von Wahrheit und Liebe sind. Die Bibel sagt, dass Gott immer gut ist und dass Er den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat. Wir müssen unser Bewusstsein für diese geistige Idee öffnen. Dann kann die göttliche Liebe in unserem Leben erkannt werden. Im Lied Nr. 182 steht geschrieben: »Schaff' für den Strom der Liebe Raum, Daß er sich frei ergießt; Die Quelle unerschöpflich ist, Die für uns alle fließt.« Wir müssen alle Begrenzungen und Hindernisse aus unserem Gedankenkanal beiseiteschaffen. Unsere Aufgabe ist es, die falschen Gedanken aufzudecken und aufzulösen.
Schwimmen Sie ganz und gar im Strom des Lebens. Das ist lebendig, frisch, neu und vital. Das ist Lebensfreude. In diesem Fluss gibt es keine Traurigkeit, Stagnation, Kummer, Schmerz, Ärger oder Stress. Lassen Sie die Entfaltung des Guten in ihrem Leben zu. Verpassen Sie die Wüste nicht! Sie lebt!