Ich wurde dazu angeregt, über meinen Zeitbegriff gründlicher nachzudenken. Als ich kürzlich in einem Gespräch mit Freunden äußerte, dass ich Zeit als eine alles-be-grenzende Maßeinheit nicht akzeptiere, wurde ich dafür mit erstaunten, ja verständnislosen Blicken bedacht. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr faszinierte mich das Thema.
Wer kennt das nicht? Wir können unser Leben so umsichtig planen und gestalten wie nur irgend möglich. Und doch wird uns das nicht davor bewahren, dass wir hin und wieder in Situationen geraten, in denen scheinbar alles auf einmal zusammenkommt und eigentlich alles gleichzeitig getan werden müsste. Dann ist es ein Leichtes, schon von vorneherein den Mut sinken zu lassen, weil das, was man tun sollte, nach menschlichem Ermessen eigentlich gar nicht zu bewältigen ist. Wenn man da nicht wachsam ist und auf seine Gedanken achtet, dann verrinnt die Zeit tatsächlich, bevor man sich's versieht. Das Schlimme, ja sogar Gefährliche in solchen Momenten sind die falschen Gedanken und ihre fatalen Begleiterscheinungen, denn sie blockieren das Denken. Anstatt sich an die Lösung der Probleme zu machen, beginnt man über die Unmöglichkeit des Unterfangens nachzudenken. Das führt zu nichts — außer zu Mutlosigkeit und zudem geht auch noch wertvolle gedankliche Energie verloren und natürlich auch die »ach so knappe« Zeit, was die Situation nur noch schlimmer macht. Und so entsteht Stress.
Ich kenne solche Situationen aus meiner früheren Tätigkeit im Management eines großen Unternehmens. Stress war damals eines der am häufigsten benutzten Wörter meines Wortschatzes.
Heute, viele Jahre und viele wertvolle Erfahrungen später, habe ich ein ganz anderes Verhältnis zu Zeit. Stress erlebe ich nicht mehr. Mein Verständnis von Zeit hat sich durch das Licht, das Christian Science auf diesen Begriff wirft, völlig verändert. (s. Kasten: Zeit) Darüber hinaus habe ich gelernt, bei Problemen immer in der Bibel und im Leben und den Lehren Jesu nach Antworten zu suchen. Dort werde ich immer fündig.
Ein wirklich aufschlussreiches Beispiel dafür, wie Jesus mit Zeit umging, finden wir in den drei synoptischen Evangelien, z.B. bei Lukas im 8. Kapitel. Ein verzweifelter Mann, Jairus, der Vorsteher einer Synagoge, kommt zu Jesus und bittet ihn, in sein Haus zu kommen, um seine kleine Tochter zu heilen, die »in den letzten Zügen liegt«. Jesus sagt zu und macht sich auf den Weg, um in einer Situation zu helfen, die, wie wir sagen würden, keinen Aufschub zulässt. Aber: Ein anderer Mensch braucht ebenfalls seine Hilfe. Eine Frau, die seit vielen Jahren an einer Krankheit leidet, die sie auf eine unerträgliche, ja unzumutbare Weise isoliert, hält ihn auf. Sie hat seine Gewänder berührt und ist dadurch gesund geworden. Jesus, der gespürt hat, dass »eine Kraft von ihm ausgegangen ist«, bleibt stehen.
Also, wenn er das gespürt hat, dann weiß er doch mit Sicherheit auch, dass der oder die Hilfesuchende durch diese Kraft geheilt worden ist, demnach die ersehnte Hilfe bereits erhalten hat! Aber die kleine Tochter des Jairus, die wartet immer noch auf diese Hilfe und mit ihr viele Angehörige, allen voran die Mutter! Wie sehnsüchtig, vielleicht sogar verzweifelt mag man dort auf ihn warten! Nichts scheint wichtiger, als unverzüglich dorthin zu eilen!
Jesus jedoch tut etwas anderes. Er bleibt stehen und schaut sich in der Menge um, sucht in aller Ruhe nach dem Menschen, der ihn »berührt« hat und wartet so lange, bis die Frau sich »geoutet« hat. Dann nimmt er sich Zeit für sie. Er spricht mit ihr. Er beruhigt sie und lässt sie fühlen, dass sie ihm wichtig ist. Und er segnet sie.
Dieses Verhalten Jesu hat Folgen! Denn gerade als er sich von der Frau abwendet, um nun (endlich) mit dem verzweifelten Vater (was mag in dem während der ganzen Zeit vorgegangen sein?!) den Weg zu dessen Haus fortzusetzen, kommen dessen Diener und melden: »Zu spät. Vergiss es. Das Kind ist tot!«
Aber Jesus lässt sich auch davon nicht beirren. Er lässt sich weder seine Ruhe nehmen noch die mitfühlende Anteilnahme. Mit der gleichen liebevollen Zuwendung, die er zuvor der Frau erwiesen hat, wendet er sich nun erneut dem Jairus zu. Über die aufgeregten Diener hinweg spricht er zu ihm: »Glaube nur, so wird sie gesund.« Ich sehe es regelrecht vor mir, wie er den Mann beruhigend am Arm nimmt: »Komm, lass uns gehen!« Und sie gehen. Erneut setzt sich der ganze Tross in Bewegung. Man kommt zum Haus. Jesus geht hinein und sorgt auch dort erst einmal für Ruhe. Er schickt alle hinaus. Und dann erweckt er das Kind zu neuem Leben.
Immer, wenn ich diese Geschichte lese, spüre ich Jesu Ruhe und Gelassenheit. »In der Ruhe liegt die Kraft.« Und Gott gibt auch uns beides: Ruhe und Kraft — und alle Zeit, die wir brauchen, um das zu tun, was wir tun müssen. Das Geheimnis liegt darin, immer im Jetzt zu bleiben. Nur jetzt können wir handeln. Nur jetzt leben wir. Für Gott, den Ewigen, gibt es nur das ewige Jetzt. Für Seine Idee, den Menschen, auch.
Wenn ich heute in eine solche Situation gerate, wie ich sie eingangs beschrieben habe, dann halte ich zunächst einmal inne ... und denke nach. Es kling vielleicht paradox, dass man, wenn unter Zeitdruck geraten, erst einmal innehalten soll. Aber: Nachdenken, die Gedanken ordnen und Beten, sind das beste Mittel gegen Zeitnot, das ich kenne. Und ich kann versichern, wenn man einmal die sich dann einstellende wunderbare innere Ruhe verspürt hat, dann fragt man sich: Warum habe ich das nicht früher gewusst und angewandt?
Ein anderer »Tatbestand« von Zeit ist der, dass bestimmte Dinge angeblich einfach so und so lange dauern müssen. Die allgemeine Meinung sagt: Wenn Zeit notwendig ist, damit bestimmte Geschehnisse ablaufen können (s. Kasten: Wahrig), dann benötigen bestimmte Geschehnisse eben auch immer eine ganz bestimmte Zeit.
Hierzu folgendes Beispiel: Ich wachte eines Morgens mit Fieber und allen Anzeichen eines heftigen grippalen Infektes auf. Dazu gibt es nette Volksweisheiten wie: »So etwas dauert mit ärztlicher Behandlung 14 Tage und ohne zwei Wochen«, oder: »Das kommt drei Tage, steht drei Tage und geht drei Tage«. Anders ausgedrückt, es wird allgemein eine bestimmte Mindestdauer unterstellt, die zu einer Heilung erforderlich ist. Aber: so viel Zeit hatte ich nicht. Ich sollte (und wollte) an diesem Tag eine längere Rede halten.
Wie bereits erwähnt, fällt mir in solchen Momenten immer die Bibel ein. Es gibt immer eine Geschichte oder eine Aussage, die mir weiterhilft. In dieser Situation fiel mir die Heilung der Schwiegermutter des Petrus ein (Lk 4:38,39). Da heißt es: »Und er [Jesus] trat zu ihr und gebot dem Fieber, und es verließ sie. Und sogleich stand sie auf und diente ihnen.« Da heißt es nicht: Und nach drei Tagen stand sie auf. Oder: Schon nach einer Woche war sie wieder auf den Beinen, sondern: sogleich. Und ich fragte mich, warum soll das nicht auch für mich gelten? Warum muss das bei mir länger dauern? Ich konnte keinen Grund finden. Sorgfältig klärte ich im Gebet meine Gedanken. Ich dachte u.a. über die Definition von »Tag« nach (s. Kasten) und ich verstand: Der menschliche Zeitbegriff bezieht sich auf Quantität. Der göttliche Zeitbegriff beschreibt Qualität. Das, was wir gemeinhin unter Zeit verstehen, entspringt dem menschlichen Denken. Zeit ist Materie, vergänglich im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn wir aber für uns den göttlichen Zeitbegriff in Anspruch nehmen, dann wird dieser für uns in Erscheinung treten.
Und tatsächlich, das Fieber »verließ mich und ich stand sogleich auf«, und ich war in der Lage, die Rede zu halten und alles das zu tun, was ich an diesem Tage tun musste, ohne die geringste Beeinträchtigung.
Mein Fazit aus all diesen Überlegungen und Erfahrungen ist: Das, was Menschen Zeit nennen, hat Gott, der Ewige, nicht geschaffen. Und: Der von Gott geschaffene Mensch lebt in der göttlichen Gegenwart.
Zeit. Sterbliche Abmessungen; Begrenzungen, in denen alle menschlichen Handlungen, Gedanken, Ansichten, Meinungen, alles menschliche Wissen zusammengefasst werden; Materie; Irrtum; das, was vor dem beginnt, was man Tod nennt, und danach fortdauert, bis das Sterbliche verschwindet und die geistige Vollkommenheit erscheint.
Wissenschaft und Gesundheit
mit Schlüssel zur Heiligen
Schrift, Seite 595
Tag. Der Strahlenglanz des Lebens; Licht, die geistige Idee von Wahrheit und Liebe. »Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.« (1. Mose 1:5) Die Dinge von Zeit und Sinn verschwinden in der Erleuchtung des geistigen Verständnisses und Gemüt misst die Zeit nach dem Guten, das sich entfaltet. Dieses Entfalten ist Gottes Tag und »es wird keine Nacht mehr sein.«
Wissenschaft und Gesundheit
mit Schlüssel zur Heiligen
Schrift, Seite 584
Zeit. ... Ablauf des Geschehens, Nacheinander des Erlebens; ...
aus: Wahrig, Wörterbuch
der deutschen Sprache