Ich fühlte mich elend, entsetzlich elend. Tagelang liefen immer die gleichen Gedanken in meinem Kopf, niederdrückende Erinnerungen an Begegnungen mit einem Verwandten, die schon einige Zeit zurücklagen, dennoch frisch genug, um mich zu qualen, Stunde um Stunde, Tag um Tag. Dabei hatte ich zuvor ermutigende geistige Fortschritte gemacht, für die ich lange und ausdauernd gearbeitet hatte.
Die Wucht der Erinnerungen, die über mich hereinbrachen, war so heftig, dass ich nicht weiterwusste. Bewährte Rezepte fielen mir nicht ein oder versagten.
Im Laufe der Jahre hatte ich mich an dieses Schema gewöhnt: neue Einsichten — Probe (also eine Periode, in der ich gefordert war, zu dem als richtig Erkannten zu stehen, es mir nicht wieder nehmen zu lassen) — Festigung — weiterer Fortschritt. Das war mir nichts Neues. Ich war also vorbereitet auf eine Phase, in der das Neue verteidigt werden musste gegen zudringliche, herabziehende Gedanken, gegen scheinbar logische Zweifel und heftige Versuchungen, die meinen spirituellen Schatz anknabbern wollten.
Doch damit hatte ich nicht gerechnet: Die Wucht der Erinnerungen, die jetzt über mich hereinbrachen, war so heftig, dass ich nicht weiterwusste. Bewährte Rezepte fielen mir nicht ein oder versagten. Der Himmel über mir hatte sich zu undurchdringlicher Schwärze verdüstert. Dass jemals wieder die Sonne durchkommen würde, schien mir ausgeschlossen.
Das rasche Ende der tagelangen Qual hat mich verblüfft und mir einiges über das Wesen von Disharmonie offenbart.
Unaufhörlich spulte sich in meinem Kopf der Film mit den ewig gleichen Bildern ab. Die quälende Eintönigkeit drückte sich auch körperlich aus — in Übelkeit und einem Schwindelgefühl. Wie sollte ich das überstehen? Wie sollte ich da herauskommen?
Das rasche Ende der tagelangen Qual hat mich verblüfft und mir einiges über das Wesen von Disharmonie offenbart: Eine Praktikerin der Christian Science hatte mich vor Tagen eingeladen, ich solle sie doch besuchen. In meiner Not war ich heilfroh, dass ich nun Gelegenheit haben sollte, mit ihr zu sprechen. Natürlich würde ich ihr von den Erinnerungen erzählen, die mir den Alltag so schwer machten. Doch es kam anders. Nachdem ich in ihrem Wohnzimmer Platz genommen hatte, nannte sie mir den Grund, weshalb sie mit mir reden wollte: Ich hatte in den Mittwoch-Abend-Zeugnis-Versammlungen immer wieder von Erfahrungen und Erkenntnissen berichtet, die sie beeindruckt hatten. Aus diesem Grund hielt sie es für richtig, mich dazu anzuregen, meine Mitmenschen an meinen geistigen Fortschritten teilhaben zu lassen. Sie riet mir, für andere Menschen metaphysisch zu arbeiten. Und mit diesen wenigen Sätzen war der Bann gebrochen.
Auf dem Heimweg dachte ich über die Worte der Praktikerin nach. Da fiel mir ein, wie nah ich der Heilung einen Tag zuvor schon gewesen war: da hatte ich ins Nachbarhaus hinübergeblickt und festgestellt, dass niemand anwesend war. Es war Ferienzeit und wahrscheinlich waren die Studenten, die dort wohnen, nach Hause gefahren. Die drei sind sehr fleißig, allabendlich sitzen sie an ihren Schreibtischen, um bis in die Nacht hinein zu arbeiten. Dieser Anblick hatte für mich immer etwas Beruhigendes. Ihre Zielstrebigkeit hatte mich sehr beeindruckt. Da begann ich aus ganzem Herz, Gott für die Studenten zu danken. Und plötzlich merkte ich, dass wenigstens für kurze Zeit die dumpfen Erinnerungen aufgehört hatten, mich zu beschäftigen.
In Wissenschaft und Gesundheit findet sich ein Satz (auf S. 261:31), der meine Erfahrung gewissermaßen zusammenfasst: »Wir sollten unseren Körper vergessen, indem wir uns auf das Gute und die Menschheit besinnen.«
Nach der vollständigen Heilung dachte ich voller Dankbarkeit an die Zeugnisversammlungen und welch reichen Schatz an Erfahrungen die Mitglieder der Kirche mit sich herumtragen.
Ein paar Tage nach der vollständigen Heilung dachte ich voller Dankbarkeit an unsere Gemeinde und an die Zeugnisversammlungen. Mir wurde bewusst, welch reichen Schatz an Erfahrungen die Mitglieder der Kirche mit sich herumtragen. Ich erkannte, wie wertvoll diese Erfahrungen doch sind. Es wäre vielleicht möglich, seinen geistigen Weg allein zu gehen, doch man würde für jeden Schritt vorwärts ungleich länger brauchen und er wäre mühsamer. Haben wir aber Weggefährten, dann werden wir vor manch unnötigem Umweg bewahrt und in schwierigen Zeiten geben sie uns Trost und Stärkung.
Wieder ein paar Tage später: Ich lese einen buddhistischen Text, als mir auf einmal zu dämmern beginnt, welch tiefe Liebe zur Menschheit diese Gedanken hervorgebracht hat. Dahinter steckt das aufrichtige Bestreben, den leidenden Menschen einen Weg zu Glück, Frieden und Gesundheit zu weisen. Mir wird klar: Wir sollten dafür tiefe Dankbarkeit ausdrücken. Was immer wir tun, wir sollten dabei an unsere Lehrer denken, uns fragen: Wie hätten sie in dieser Situation gehandelt, was hätten sie getan? Es ist daher ratsam, stets das große Vorbild vor Augen zu haben. Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (auf S. 248:13-31): »Der Bildhauer wendet sich vom Marmor seinem Modell zu, um seine Vorstellung zu vervollkommnen. Wir alle sind Bildhauer, die an unterschiedlichen Formen arbeiten, den Gedanken gestalten und meißeln. Was für ein Vorbild hat das sterbliche Gemüt? Ist es Unvollkommenheit, Vergnügen, Kummer, Sünde, Leiden? Hast du das sterbliche Vorbild akzeptiert? Bildest du es nach? Dann wirst du bei deiner Arbeit von bösartigen Bildhauern und scheußlichen Gestalten heimgesucht. ... Um dem abzuhelfen müssen wir zuerst unseren Blick in die richtige Richtung lenken und dann diesen Weg gehen. Wir müssen im Gedanken vollkommene Vorbilder formen und ständig auf sie schauen oder wir werden sie niemals zu einem großartigen und edlen Leben ausgestalten.«
Ich bin Christian Science aus ganzem Herzen dankbar, dass sie mich auf diesen Weg geführt und mir so viele wunderbare Erfahrungen ermöglicht hat.