Eine christliche Zeitschrift, das Organ einer unsrer ältesten Kirchen, äußerte sich neulich wie folgt über das geistige Heilen, welches außerhalb der Kirche vollbracht wird, deren Sache diese Zeitschrift vertritt: „Keine dieser Sekten hat irgendwelche kirchliche Genehmigung. Dennoch aber unternehmen sie das Werk, das in der ersten christlichen Kirche zur Verkündigung des Evangeliums gehörte und das sowohl dem Körper Heilung, wie dem Gemüt Frieden und der Seele Erlösung brachte, wodurch eine Vollkommenheit bewirkt wurde, ohne welche niemand den Herrn schauen kann.”
In bezug auf den Erfolg dieses Heilungswerkes, welches ohne „kirchliche Genehmigung” betrieben wird, hat diese Zeitschrift folgendes zu sagen: „Obgleich man den Enthusiasmus und die unwissenschaftlichen Heilberichte in Anschlag zu bringen hat, so muß doch zugegeben werden, daß vielen Leuten durch die Wirkung rein geistiger Kräfte dauernd geholfen worden ist. In den meisten, wenn nicht gar in allen unsern Gemeinden, weiß man von denen zu erzählen, die sich nicht für die Kirche und ihre segensreiche Botschaft des Friedens begeistern wollten, und die, nachdem sie auf ihrer Suche nach körperlichen Wohltaten für neue Arten der religiösen Tätigkeit Interesse gewonnen hatten, vorgeben Wohltaten empfangen zu haben, und nun eifrige Verbreiter ihrer Sekte geworden sind.”
Hinter diesen Worten scheint der Gedanke zu liegen, daß das Heilungswerk, welches Christus Jesus, die Apostel und die ersten Christen betrieben haben, nicht notwendigerweise ein Teil des Christentums sei, und daß es in dem Belieben der Mitglieder unsrer heutigen Kirche stehe, ob sie das Heilungswerk betreiben wollen oder nicht. Unser Meister war jedoch in bezug auf das Werk des Heilens, das er tat, ganz andrer Ansicht, denn warum hätte er sonst die Boten Johannis, die ihn wegen der Echtheit seines Anspruchs auf das Messiasamt befragten, auf die Zeichen hingewiesen, die er getan hatte, während sie auf eine Antwort warteten? Außerdem stimmt die Anschauung, daß man das christliche Heilen unterlassen dürfe, keineswegs mit dein Auftrag, den Jesus nicht allein seinen unmittelbaren Jüngern erteilte, sondern allen Menschen, die in späteren Zeiten durch das Wort der Apostel an ihn glauben würden. Diese Anschauung widerspricht ferner der Erklärung Jesu hinsichtlich des Beweises der wahren Jüngerschaft, wenn er von den „Zeichen” redet, die denen folgen, die da glauben. Er sagte, seine Nachfolger sollten dieselben Werke tun, die er durch die Macht der Wahrheit tat; sie sollten böse Geister austreiben, die Gebundenen von ihren Gebrechen losmachen und die Trauernden trösten. Die Religion, welche Jesus lehrte, war in der Tat eine praktische Religion, denn sie veranschaulichte das wichtige Gebot, an welchem, der Erklärung Jesu zufolge, „hanget das ganze Gesetz und die Propheten”; sie demonstrierte die Tatsache, daß das Heilen der Krankheit und das Austreiben der Sünde durch ein und dieselbe Macht bewirkt wird, nämlich das allmächtige Gute.
Die Christlichen Wissenschafter glauben, daß das Heilen der Kranken ein notwendiger Teil des Christentums ist, das der Meister predigte, ausübte und seinen Nachfolgern zur Ausübung anempfahl. Als er von dem Berge herabkam, wo er eine Predigt gehalten hatte, die, wie Mrs. Eddy erklärt, „das Wesen” der „Wissenschaft des Christentums” enthält (Wissenschaft und Gesundheit, S. 271), war es sein erstes, die Kranken zu heilen — zuerst den Aussätzigen, dann den gichtbrüchigen Knecht des Hauptmanns, der „große Qual” erduldete, dann eine Fieberkranke, die alsobald aufstand und für seines Leibes Notdurft sorgte. Wie in der Bibel zu lesen ist, wurde dem großen Lehrer und seinen Jüngern die „kirchliche Genehmigung” jener Zeit nicht zuteil. Daran kehrten sich aber diejenigen wenig, die Jesu Beistand bedurften. Für die Kranken, die Gebrechlichen, die Blinden war der wichtige Punkt der, daß ihnen Jesus Freiheit von ihren Banden brachte. Jesus tadelte sogar zwei seiner Jünger, als diese einen Menschen, der dem Meister nicht nachfolgte, davon abhalten wollten den Bedürftigen beizustehen. Er verweigerte seine „Genehmigung” keinem, der in seinem Namen wirkte. Wie können dann seine Nachfolger in unsern Tagen diesem Beispiele Jesu zuwider handeln, wenn sie als seine wahren Jünger gelten wollen?
Ob nun die „kirchliche Genehmigung” erteilt oder vorenthalten wird, kümmert den Christlichen Wissenschafter wenig, der in dem Maße seines Verständnisses von der Wissenschaft des Christentums den Befehl des Meisters, das Reich Gottes zu predigen und die Kranken zu heilen, als ein Ganzes befolgt, weil er überzeugt ist, daß er dadurch das tut, was der Meister, wie Mrs. Eddy erklärt, für „die erste der christlichen Pflichten” hielt, nämlich die Vergegenwärtigung der „heilenden Kraft der Wahrheit und Liebe”; weil er weiß, daß es „der lebendige Christus, die praktische Wahrheit” ist, „die Jesus für alle, die ihm mit der Tat nachfolgen, zur ‚Auferstehung‘ und zum ‚Leben‘ macht” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 31).