Dem Schüler der Christlichen Wissenschaft, der nach einer gründlichen Erkenntnis der Grundwahrheiten dieser Lehre strebt, tritt früher oder später die Frage des Klassenunterrichts entgegen. Für solche nun, die erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit an der Christlichen Wissenschaft Anteil nehmen, mag ein Hinweis auf die Tatsache, daß Mrs. Eddy den Klassenunterricht gebilligt hat, von Interesse sein. Mrs. Eddys Stellung zu dieser Frage geht erstens aus der Verfahrungsart hervor, die sie selber beim Unterrichten verfolgte. Sodann traf sie in dem Kirchenhandbuch, Artikel XXVII, Bestimmungen zur Wetterführung des Klassenunterrichts durch andre und zur Regulierung desselben. In dem angegebenen Artikel heißt es außerdem: „Kein Mitglied dieser Kirche soll vom Klassenuntericht abraten.” Die Beziehung zwischen dem Lehrer und dem Schüler muß jedoch rechter Art sein. Es ist dies nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für die Bewegung der Christlichen Wissenschaft als Ganzes von der größten Wichtigkeit. Da sich jeder Christliche Wissenschafter über diesen Punkt klar sein sollte, so entsprechen wir gerne einem an uns ergangenen Ansuchen, einen Aufsatz, der im „Sentinel“ vom 16. Oktober 1909 erschien, wieder abzudrucken:
Unser großer Meister sagte demutsvoll: „Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihre Ruhe finden für eure Seele.” Nur wo dieser Geist der Demut und Selbstlosigkeit die Herzen erfüllt, nur wo Selbstverleugnung herrscht, „durch die wir alles für Wahrheit oder Christus in unserm Kampf gegen dem Irrtum hingeben” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 568), kann die Christliche Wissenschaft in ihrer Reinheit gelehrt werden. Mrs. Eddy macht dies in ihrem Buch „Retrospection and Introspection“ (S. 84) sehr klar, wenn sie sagt: „Der Lehrer tut am meisten für seine Schüler, der sich am meisten des Stolzes, des eignen Ichs entäußert und dadurch fähig wird, den Irrtum aus dem Gemüt seines Schülers zu entfernen, damit es mit der Wahrheit erfüllt werde. Wenn er dies tut, wird ihn die Nachwelt selig preisen, und die müde Zunge der Geschichte wird bereichert werden. Je weniger der Lehrer persönlich andre Gemüter beherrscht, und je mehr er sie der göttlichen Wahrheit und Liebe anvertraut, desto besser ist es für den Lehrer wie für den Schüler.”
Der Unterricht in der Christlichen Wissenschaft soll kein Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler herstellen, das nicht nüchtern und vernünftig ist; vielmehr soll es derart sein, daß es beiderseits auf einem Verständnis vom göttlichen Prinzip beruht und weder eine Willkürherrschaft seitens des Lehrers noch eine blinde Unterwürfigkeit seitens des Schülers kennt. Es ist die Pflicht des Lehrers, dem Schüler ein richtiges Verständnis von der Christlichen Wissenschaft zu geben, gemäß ihrer Darlegung in unserm Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit, und es sollte der ernste Wunsch des Schülers sein, dieses Verständnis und nichts andres zu erlangen. Wenn diese Pflicht erfüllt und dieser Wunsch befriedigt ist, hat der Klassenunterricht seinen Zweck erfüllt, und die gegenseitige Beziehung hat die rechte Grundlage.
Wenn der Schüler die richtige Unterweisung erhalten hat, ist er fähig, dem Auftrag des Meisters gemäß das Evangelium zu predigen, die Kranken zu heilen und auf diese Weise seine eigne Seligkeit zu schaffen. Er betet fortwährend um die Gesinnung Jesu Christi, nicht um die Gesinnung eines menschlichen Lehrers. Damit dieser Geist der Selbstentsagung herrschen möge, hat unsre Führerin all die Jahre gearbeitet, durch Lehre sowohl wie durch Beispiel. In Wissenschaft und Gesundheit schreibt sie (S. 464): „Bei der Begründung eines pathologischen Systems des Christentums hat die Verfasserin dafür gearbeitet, das göttliche Prinzip auszulegen und nicht die Persönlichkeit zu verherrlichen.” In „Miscellaneous Writings“ sagt sie: „Ich wiederhole, daß Persönlichkeit in der Christlichen Wissenschaft nicht in Betracht kommt. Das Prinzip, anstatt der Persönlichkeit ist unserm Herzen am nächsten, ist auf unsern Lippen und in unserm Leben; und sie fügt hinzu: „Wenn du strauchelst oder diese goldene Regel nicht befolgst, baust du auf Sand, wenn du auch bis an den Himmel baust.”
Der Klassenunterricht hat keinen andern Zweck, als dem Schüler zu helfen, sich um Leitung in verständnisvoller Weise an das göttliche Gemüt zu wenden. Das richtige Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler beruht weder auf Willenskraft noch auf persönlicher Verehrung. Daher hält der verständige Lehrer der Christlichen Wissenschaft seine Schüler dazu an, stets beim göttlichen Gemüt Rat und Hilfe zu suchen; und der treue Schüler handelt stets demgemäß.
