Jesus befahl seinen Nachfolgern, das Evangelium zu predigen und die Kranken zu heilen. Der letzte Teil dieses Auftrags ist ebenso bestimmt wie der erste. Jesus predigte verhältnismäßig wenig, wenn man das Wort predigen in seiner heutigen Bedeutung versteht, heilte aber sehr viel; wohingegen seit der Zeit der Urchristen sehr viel gepredigt worden ist, der Auftrag aber, die Kranken in Jesu Weise zu heilen, bis vor einigen Jahrzehnten sehr wenig Beachtung gefunden hat.
Die Vernachlässigung dieser wichtigen Christenpflicht hat man dadurch zu entschuldigen gesucht, daß man den zweiten Teil des Auftrags Jesu als nur seinen unmittelbaren Jüngern geltend hinstellte. Manche haben sogar behauptet, niemand sei je imstande gewesen, in der Weise zu heilen, wie Jesus heilte, und wenn man jemand anders diese Macht zuschreibe, so müsse das als ein Irrtum, ja geradezu als ein Frevel bezeichnet werden. Nun ist aber erstens in diesem wie in andern ähnlichen Aufträgen keine beschränkende Bestimmung zu finden, und zweitens ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß andre durch geistige Mittel die Kranken geheilt haben. Nicht nur ist dies in den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung geschehen, sondern auch in unsern Tagen, durch Hunderte von Mrs. Eddys Schülern und in Tausenden von Fällen. Wenn behauptet wird, das christliche Heilen sei nur für die apostolische Zeit bestimmt gewesen, könnte man dann nicht fragen, mit welchem Recht irgend jemand außer den Aposteln sich dem Predigtamt widme? Der zweifache Auftrag Jesu war an dieselben Menschen gerichtet und in einem Satz enthalten. Und doch erklären gerade die, die sich für berufen halten, das Evangelium zu predigen, in unsern Tagen habe niemand die Macht und das Recht, die Kranken ohne materielle Mittel zu heilen.
Es ist offenbar, daß Jesus die Erfüllung dieses Auftrags als eine Christenpflicht ansah; daß er beide Teile desselben für gleich wichtig hielt und sie beide befolgt sehen wollte. Er selber ging darin mit gutem Beispiel voran. Keiner, der sich in ehrlicher Absicht an ihn wandte, wurde abgewiesen. Während er umherging und predigte, erfüllte er zugleich den zweiten Teil seiner Mission, indem er zahllose Menschen von ihren Krankheiten und Gebrechen heilte. Er half den Hohen wie den Niedrigen, den Reichen wie den Armen. So erhaben er auch war, so viel er auch als König, als Meister und Erretter angesehen wurde: nie hielt er sich für zu gut, den Armen und Bedürftigen zu dienen. Dies sollte uns allen eine Lehre sein. Wenn es Menschen gibt, die an die Macht des christlichen Heilens glauben und sie auszuüben gelernt haben, so daß sie in unsrer Zeit die Werke des Meisters tun könnten, die aber denken, wegen ihrer hohen Stellung sei es unter ihrer Würde, das Heilungswerk zu betreiben, es sei denn in ihrem eignen Kreise, so müssen sie einsehen lernen, daß es keine ehrenvollere Arbeit gibt, als das Heilen der Kranken durch geistige Mittel.
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