Man hört viel reden von der Notwendigkeit der Einigkeit unter Christen, wohingegen nicht immer beachtet wird, daß Absonderung ebenso wichtig ist. Im sechsten Kapitel des zweiten Korintherbriefs kommt diese Forderung in unzweideutiger Weise zum Ausdruck. Wer sie befolgt, befindet sich auf dem Pfad, der da „glänzet wie das Licht, das immer heller leuchtet, bis auf den vollen Tag.”
Der Wortlaut dieser Forderung ist: „Gehet aus von ihnen und sondert euch ab, ... und rühret kein Unreines an”, worauf dann die herrliche Verheißung folgt: „so will Ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr.” Diese Stelle ist jedoch ihrer wahren Bedeutung beraubt worden, indem man vielfach angenommen hat, das Gebot der Absonderung werde dadurch befolgt, daß man sich von denen fernhält, die andre religiöse Anschauungen haben. Eine derartige Auslegung hat noch keinem Menschen ein Gefühl der Nähe und zärtlichen Fürsorge des all-liebenden Vaters gebracht. Im alten Jüdischen Gottesdienst wurde durch Symbole fortwährend auf die Notwendigkeit der Absonderung vom Übel hingewiesen. So lesen wir beispielsweise im dritten Buch Mose: „Also sollt ihr die Kinder Israels von ihrer Unreinigkeit absondern, daß sie in ihrer Unreinigkeit nicht sterben” (Zürcher Bibel). In jenen Tagen wurden die Priester und Leviten durch gewisse Kirchenbräuche und Zeremonien abgesondert; zur Zeit der ersten Christen dagegen traten Fasten und Beten an Stelle dieser äußeren Formen. Auf solche Weise wurden Paulus und Barnabas samt vielen andern von der Materialität abgesondert und auf das Werk der Heilung und Bekehrung vorbereitet.
Es wird zuweilen gefragt, wie die Christlichen Wissenschafter zu diesem Gebot der Schrift ständen. Darauf ist zu antworten, daß sie gleich von vornherein zu einem verständnisvollen, willigen und pünktlichen Gehorsam gegen dasselbe angehalten werden. Ihre verehrte Führerin erklärt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 451): „Die Christlichen Wissenschafter müssen unter dem beständigen Druck des apostolischen Gebotes leben, aus der materiellen Welt herauszugehen und sich abzusondern”. Mit andern Worten, sie müssen sich zu der Lehre des Meisters bekennen, der zu Nikodemus sagte: „Ihr müsset von neuem geboren werden.” Der Mensch, an den diese Worte gerichtet waren, hatte ohne Zweifel einen guten Charakter, mußte aber erst noch lernen, daß eine Absonderung von dem Glauben an einen materiellen Ursprung nötig ist — von allem, was dieser Glaube an Sinnlichkeit und Furcht in sich schließt, denn derartige Dinge können nicht in das Reich Gottes eingehen. Nikodemus hatte diese Unterredung mit einem Hinweis auf die großen Taten Jesu eröffnet. Er gab zu, daß niemand solche Zeichen tun könne, „es sei denn Gott mit ihm”. Der große Lehrer drang nun sofort auf den Kern der Sache, indem er auf die Notwendigkeit der Wiedergeburt hinwies. Er sagte: „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dich's nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: „Ihr müsset von neuem geboren werden.” Dies war seine Art und Weise, die Unwirklichkeit der Materie darzutun.
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