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„Die angenehme Zeit”

Aus der September 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Johannes der Täufer ließ den Ruf an sein Volk ergehen: „Das Himmelreich ist nahe herbeikommen”. Mit diesen Worten lenkte er die erwartungsvollen Blicke auf die große Wahrheit, die Jesus verkündigte, daß das goldene Jetzt die Zeit ist, in welcher Gesundheit, Heiligkeit und Himmelsfreuden zur Erfahrung werden sollen; daß Gottes Liebe und Gottes Segnungen auf keine Zeit und keinen Raum beschränkt sind.

Da das Gestern und das Morgen nicht unser sind, so ist das Jetzt die einzige Zeit, die wir beanspruchen können. Wenn wir das Jetzt nicht dazu verwenden, klar und richtig zu denken, so können wir nicht Gesundheit und Frieden erlangen. Gott verlangt von uns, daß wir in der „lebendigen Gegenwart” denken und handeln. Nur wenn wir diese Pflicht erfüllen, machen wir Fortschritte. Man tut daher wohl daran, sich die Frage vorzulegen: „Lebe ich in dem Jetzt?” Wer mit seinen Gedanken in der Vergangenheit weilt, oder wer ängstlichen Herzens die Zukunft zu ergründen sucht, lebt nicht in dem Jetzt. Einem solchen ruft die Wahrheit zu, daß jetzt „die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf” und das wahre Leben in all seiner Schönheit und Vollkommenheit zu schauen.

Eine Person, die eine Zeitlang Mitglied von Mrs. Eddys Haushalt war, schrieb von ihr im „Journal“ vom Mai 1911 (S. 74): „Sie ließ es nie zu, daß die Wolken von gestern den anbrechenden Tag verdunkelten, sondern mit vorwärtsgerichtetem Blick ging sie auf das vorgesteckte Ziel zu.” Eins der Gebote lautet: „Gedenke des Sabbattags, daß du ihn heiligest.” Wann ist es nun Sabbat? Er, der „von Ewigkeit zu Ewigkeit” ist, kennt keine Zeit. Für Ihn gibt es keinen Sonnabend oder Sonntag, sondern nur den einen ewigen Tag. Die jetzige Stunde ist also der Sabbat, den wir durch rechtes Denken, durch Denken in geistiger Richtung heilig halten müssen. Wie bedeutungsvoll ist doch das Wort „gedenke”! Wir sollen stets daran denken, daß der jetzige Augenblick die Zeit ist, die wir heilig zu halten haben. In welcher Weise geschieht dies nun? Wir müssen nicht nur alles erlittene Unrecht vergeben, sondern es auch vergessen. Keine vergangenen Tage des Kummers, keine trüben Stunden dürfen wir aufzeichnen; keine Unfreundlichkeit, kein herber Tadel darf an diesem Sabbat geäußert werden. Vielmehr müssen wir mit Paulus sagen: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage — nach dem vorgesteckten Ziel — nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.”

Der ewige Sabbat ist ein Tag der Ruhe. Er muß ganz und gar frei sein von Mühseligkeit, Kummer, Furcht und Sorge. Wir müssen in dem beseligenden Gefühl ruhen, daß das unendliche Gute das Weltall lenkt und leitet. In Stunden der Verwirrung, wenn der materielle Sinn uns zuflüstert, daß wir über den nächsten Schritt im Unklaren seien; wenn Entscheidungen zu treffen sind; wenn menschliche Weisheit keinen Rat mehr weiß, und das angsterfüllte Herz fragt: Was soll ich nur anfangen?— dann gibt uns die Wahrheit zur Antwort: „Gedenke des Sabbattags, daß du ihn heiligest.” Heilige das Jetzt durch einen tätigen, bestimmten Glauben an die Wirksamkeit des göttlichen Guten und durch das Erwarten der jetzigen Bekundung des Guten in menschlichen Angelegenheiten. Wir haben keine Zeit, darüber nachzudenken, was etwa hätte geschehen können, oder zu fragen, ob etwas wohl später einmal geschehen werde. Vielmehr müssen wir die Versuchung abweisen, vorwärts und rückwärts zu schauen, müssen in dem Jetzt stehen, mit der festen Überzeugung Hiobs: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt”; müssen uns bewußt werden, daß die Wahrheit zur jetzigen Stunde von jeder Erscheinungsform des vermeintlichen Übels erlöst. Indem man beharrlich in dem Heute lebt und nicht die Aufgaben des morgenden Tages zu lösen sucht, verschwinden Furcht und Sorge, und das Denken wird durchsichtig, so daß die göttliche Weisheit ungehindert durchscheinen und den Weg erleuchten kann.

Daß es für den Leidenden sehr wichtig ist, in dem Jetzt zu verweilen, kam mir durch folgende Erfahrung sehr klar zum Bewußtsein. Ich erwachte einst in der Nacht mit allen Anzeichen eines ernsten physischen Leidens. Der Name der Krankheit war mir bekannt, auch wußte ich, daß ihrem sogenannten Gesetz zufolge die Schmerzen andauern würden. Ich hatte jedoch in der Christlichen Wissenschaft gelernt, daß Gott der einzige Gesetzgeber ist, und deshalb wies ich dieses Urteil entschieden zurück und behauptete Gottes Allgegenwart und Seine Bereitwilligkeit, aus jeder Not zu erretten. Dann fiel mir Plötzlich ein, daß ich versprochen hatte, am nächsten Morgen um acht Uhr etwas Wichtiges zu besorgen, und während der folgenden zwei Stunden schwankten meine Gedanken zwischen der geistigen Betrachtung der Macht Gottes, und der Arbeit, die ich um acht Uhr zu verrichten hatte. Das sterbliche Denken drängte immer wieder mit der Frage: „Wie wirst du am Morgen mit dieser Arbeit fertig werden?”

Zuletzt kam ich zu der Überzeugung, daß nichts andres meine Gedanken beschäftigen dürfe, als das Werk des Sabbats, der Jetzt heißt, und daß, wenn ich mich den Betrachtungen der Pflichten des morgenden Tages hingäbe, ich die gegenwärtige Pflicht vernachlässigen würde. Sodann kam mir die Bibelstelle in den Sinn: „Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils”, und zwar hatten diese Worte nun eine ganz andre Bedeutung für mich. Ich erkannte, daß es der göttlichen Liebe jetzt angenehm ist, dem Menschen Freiheit zur Erfahrung werden zu lassen, und daß jetzt die Zeit ist, diese Freiheit zu verwirklichen. Das „Morgen” schwand mir ganz und gar aus dem Sinn, und ich erklärte mit freudigem Herzen, daß die göttliche Liebe jetzt die Obergewalt hat; daß der Himmel jetzt vorhanden ist; daß es getrennt von Gott kein Gesetz, keine Kraft, keinen Einfluß, keine Macht, Gegenwart noch Intelligenz gibt; mit einem Wort, daß „nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unsers Gottes worden und die Macht seines Christus.” Die Erkenntnis, daß dies alles „nun ist ... worden”, brachte mir das Bewußtsein jetziger Gesundheit. Alle Krankheitssymptome verschwanden, und es blieben mir noch zwei Stunden, bis ich die Pflicht des Morgens zu erfüllen hatte.

Um Intelligenz als unser Erbteil beanspruchen zu können, müssen wir wissen, daß das Jetzt die einzige Zeit und das Hier der einzige Ort ist. Gleichviel, wie lange einer gearbeitet hat, um von einer Krankheit frei zu werden: die Gegenwart birgt stets die Befreiung von jeder Last, die Vollkommenheit aller geistigen Kräfte; sie birgt die Inspiration, das Licht und die Stärke, die wir zur Lösung unsrer Probleme nötig haben; sie birgt für jedes Gotteskind Fähigkeit, Gelegenheit, Gesundheit, Freude und unbegrenzte Freiheit. Nichts kann verloren gehen, nichts Gutes oder Heiliges kann dein Menschen heute vorenthalten werden. Und warum? Weil wir jetzt „in ihm leben, weben und sind”, in dem immer gegenwärtigen, immer liebenden, immer lebendigen Gott, dessen Gesetz unabänderlich ist. Er, der derselbe „gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit” ist, gibt Seinen Geschöpfen dasselbe Gute jeden Tag.

Hieraus ersehen wir, daß wir erst dann mehr des Guten erlangen, wenn wir bereit sind, es zu empfangen. Die Zeit gibt nichts und nimmt nichts. Warum dann das Annehmen aufschieben? Alles, was je gewesen ist, alles, was je sein wird, ist heute vorhanden. Jesus bewies, daß dies eine göttliche Tatsache ist, als er zu dem Manne sagte, der achtunddreißig Jahre krank gewesen war und nicht gehen konnte: „Stehe auf, nimm dein Bette und gehe hin!” Keine Zeit zur Genesung war nötig, denn das Jetzt barg die nötige Gesundheit und Kraft. Der Mann mit der verdorrten Hand streckte diese Hand sofort aus, als Jesus das berichtigende und erlösende Wort sprach. Selbst ein Lazarus kam „heraus”, als das Wort geredet wurde, das „Geist” und „Leben” ist. Blindheit, Lähmung, Gebrechen und Krankheiten aller Art sind in den letzten neunzehn Jahrhunderten um nichts wirklicher geworden. Dafür gibt uns die Christliche Wissenschaft heutigestags den Beweis. Allerwärts erheben sich die Menschen und beanspruchen an dem Sabbat, der „Jetzt” heißt, Gesicht, Gehör, Gesundheit und Leben als ihr rechtmäßiges Gut.

In „Unity of Good“ schreibt Mrs. Eddy: „Unser Meister sagte, ‚Das Himmelreich ist nahe herbeikommen!‘ Gott und der Himmel, oder das Leben sind also gegenwärtig, und der Tod ist nicht der Schrittstein zum Leben und zur Glückseligkeit. Sie bestehen jetzt und sind hier. Ein Wechsel im menschlichen Bewußtsein von der Sünde zur Heiligkeit würde dieses Wunder des Seins enthüllen.” Da nun Krankheit jeder Art eine mentale Erfahrung ist, eine Annahme anstatt eines Zustandes, ein Ergebnis von Furcht, begangenen Fehlern, Disharmonie und Selbstsucht, von Unwissenheit in bezug auf das Wesen Gottes, so kann nur ein Wechsel vom materialistischen zum geistigen Denken dem Körper Gesundheit bringen. Das Leben ist kein Atmungsprozeß, sondern ein Denkprozeß; deshalb kann Befreiung von Krankheit „plötzlich in einem Augenblick” stattfinden — d. h. sobald unharmonisches Denken dem göttlichen Denken gewichen ist.

Wie bestimmt ist doch der Befehl in folgender Schriftstelle, und wie süß der verheißene Lohn: „Werde nun mit ihm [Gott] bekannt und habe Frieden” (nach der engl. Bibelübersetzung). Sind wir mit Gott bekannt geworden, so wenden wir uns ab von den materiellen Lehren, welche sagen, der Mensch sei der Krankheit und dem Übel unterworfen, werde aber späterhin Vollkommenheit erlangen. Wir können dann mit Hiob ausrufen: „[Ich] werde in meinem Fleisch Gott sehen.” Wenn die müden Erdenpilger erst erkannt haben, daß sie „Gottes Kinder” und „Miterben Christi” sind, dann werden sie sich nicht mehr mit der Annahme von Altersschwäche, Sünde, Krankheit und Kummer herumschleppen. Kann der Erbe des ewigen Lebens alt werden oder seine Geisteskräfte verlieren? Kann der Erbe unbegrenzter Kraft müde werden? Kann der Erbe des unendlichen Guten der Sklave übler Gewohnheiten sein? Keineswegs, denn es steht geschrieben: „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.” Wann? Jetzt! Als Kinder und Erben Gottes sind Leben, Licht, Gesundheit und Gottesfriede jetzt in unserm Bereich.

Welch süße Hoffnung erfüllt das Herz desjenigen, der vermöge menschlicher Kraft des Lebens Bürde tragen wollte und nun die Bedeutung obiger Schriftworte erfaßt hat! Früher hat er gehofft, in einem zukünftigen Himmel Gott zu sehen und die Sohnschaft zu erlangen; nun aber hört sein Ohr den Ruf: „Mache dich auf, werde Licht! denn dein Licht kommt”. Er wirft seine Annahmen von Erblichkeit, Alter und Krankheit von sich und erhebt sich als ein Sohn und Erbe im gegenwärtigen Reich Gottes. Mit dankbarem Herzen öffnet er sein Bewußtsein und empfängt das himmlische Gute, das sein Vater in dem ewigen Jetzt mitteilt.


Die Dinge wachsen deshalb, weil sie in Tätigkeit gesetzt worden sind. Was untätig ist, hört bald auf zu existieren. Das Tüchtigste, was übrig bleibt, ist seiner Tätigkeit wegen tüchtig. Die Liebe ist nie mit dem zufrieden, was sie selbst getan hat. Daher hat der tätige Geist nie das Empfinden, genug getan zu haben. Fleiß ist das Werk der Liebe, weshalb das Werk des Fleißigen die strengste Probe bestehen kann. Es vermag dem Zahn der Zeit zu widerstehen.

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