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Wahre Gemeinschaft

Aus der September 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Christian Science Monitor


Die Frage ist schon öfters aufgeworfen worden, welche Wirkung wohl die Behauptung, daß es nur eine Liebe gebe, auf die Beziehung guter Christen zu ihren Mitmenschen habe. Der ernste „Täter des Worts” erkennt, daß obige Behauptung den Begriff der Liebe nicht herabzieht, sondern ihn vielmehr emporhebt und erweitert. Johannes erkannte dies, als er sagte: „So wir aber im Licht wandeln, wie Er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander.”

Ein Gefühl der Kameradschaft, das nur auf persönlicher Liebe oder auf einer Zuneigung zu gewissen Menschen beruht, ist bestenfalls nur eine schwache Stütze. Beinahe jede Familie liefert einen Beweis dafür. Mißverständnisse kommen selbst unter Menschen vor, die behaupten sich innig zu lieben, ja gerade zwischen Menschen, die sich sehr zugetan sind, bestehen oft die größten Zwistigkeiten. Manchmal ist ein starkes Familiengefühl an dem Mißverständnis schuld, indem z. B. angenommen wird, das Unrechttun eines Gliedes der Familie stelle alle andern Glieder in ein schlechtes Licht.

Solche, die aus eigner Erfahrung wissen, welch starkes Band des Glücks und der Freude diejenigen verknüpft, die in ihrem Begriff von Gott übereinstimmen, erkennen ohne weitere Auseinandersetzung, daß Gott Liebe ist, und daß keine irdische Gemeinschaft mit der göttlichen Gemeinschaft zu vergleichen ist. Als Jesus sagte, diejenigen seien seine Mutter und seine Brüder, die den Willen seines Vaters im Himmel tun, lag es keineswegs in seiner Absicht, seine leibliche Mutter und seine leiblichen Brüder von dieser Gemeinschaft auszuschließen. Er betonte nur das erweiterte, weltumfassende Wesen seiner Liebe. Er wollte die irdischen Zuneigungen nicht ihrer Schönheit berauben, sondern sie zur Höhe der Mutter- und Bruderliebe emporheben.

Mrs. Eddy weist daraus hin, daß Mutterliebe auf sehr hoher Stufe steht, da sie „Reinheit und Beständigkeit in sich schließt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 60). Sie erwähnt hier zwei Eigenschaften, die in der menschlichen Liebe die Herrschaft gewinnen und über Selbstsucht und Haß siegen müssen. Um der göttlichen Liebe gleich zu kommen, müssen menschliche Zuneigungen „keusch” sein, wie Jakobus von der göttlichen Weisheit sagt; dann werden sie auch beständig sein, d. h. außerstande, sich in Haß zu verwandeln.

Keuschheit bedeutet Lauterkeit im Denken und Handeln — nicht nur ein Freisein von Gedanken sinnlicher Art betreffs der geliebten Person, sondern auch von Selbstsucht. Menschliche Liebe ist oft weiter nichts als Eigenliebe. Sie will nehmen anstatt zu geben. Die Mutterliebe aber fragt vor allem: Was kann ich tun, was kann ich mitteilen? Darin liegt ihre Keuschheit. Die Mutter betrachtet den Gegenstand ihrer Liebe nicht mit selbstsüchtigem Begehren. Sie sucht vielmehr ihr Glück darin, ihrem Kinde zu helfen, so viel sie kann.

Wenn die menschliche Zuneigung ihre Befriedigung darin findet, andern beizustehen, so ist wenig Gefahr, daß sie jene bitteren Erfahrungen herbeiführt, von denen Mrs. Eddy spricht, wenn sie sagt: „Fleischliche Annahmen betrügen uns. Sie machen den Menschen zum unfreiwilligen Heuchler, ... der denen Leid zufügt, die er segnen möchte” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 263). Die sinnliche Vorstellung von dem geliebten Wesen ist es, die demselben Schaden zufügt, möge dies auch durchaus nicht die Absicht sein. Den Freund zu befreien und ihn gehen zu lassen, wie Jesus in dem Fall des Lazarus gebot, heißt, sich frei zu machen von allem menschlichen Sehnen und Verlangen nach einer Person. Es wird der Mutterliebe oft recht schwer, ihr Kind aus dem Schoße der Familie in die Welt hinausgehen zu sehen. Wenn aber das Herz der Mutter wahrhaft selbstlos ist, voll reiner Liebe, dann wird sie sich mit dem Kinde freuen über die guten Aussichten, die sich ihm beim Scheiden aus dem engen Familienkreise eröffnen, und wird dem Gefühl des persönlichen Verlustes keinen Raum geben.

Eine solche Haltung ist natürlich nur dann möglich, wenn man die Erkenntnis erlangt hat, daß Gott unser aller Sehnen nach Liebe allerorten und jederzeit stillen kann. Diese Erkenntnis ist der allezeit gegenwärtige geistige Tröster, der uns behütet und beschützt. Das erste Gebot schließt alle andern Gebote in sich; denn wenn wir Gott lieben und Ihn in unserm Leben walten lassen, dann ist der Himmel in uns, und weder Menschen noch äußere Umstände können uns unsern Frieden rauben.

Beständigkeit ist eine weitere notwendige Eigenschaft der menschlichen Zuneigung, wie Mrs. Eddy in obigem Zitat hervorhebt. Eine Liebe, deren Fortdauer von der persönlichen Gegenwart des Freundes abhängig ist, erweist sich hierdurch als ein bloßes Resultat der Zeit, des Ortes und der Gelegenheit. Wer von Natur aus unbeständig ist, sollte sich ernstlich fragen, welche Eigenschaft in ihm die Liebe zu seinem Freund so unbeständig macht. Wenn die Liebe nachläßt, weil man Fehler in dem Freund entdeckt, so zeigt das, daß man sein eignes Ideal geliebt hat, nicht aber den Nächsten. Denn wahre Zuneigung, wahre Liebe verändert sich nicht, da sie sich auf die Erkenntnis Gottes gründet, die die Erkenntnis des Menschen als der Wiederspiegelung Gottes in sich schließt. Wer seiner Zuneigung diese feste Grundlage gegeben hat, kann sie nicht verlieren, selbst wenn er den Freund mit Versuchungen aller Art kämpfen, ja ihnen unterliegen sieht. Er macht nicht den Irrtum in seinem Freunde zur Wirklichkeit, sondern die Gottähnlichkeit, welche die wahre Individualität eines jeden Menschen ausmacht. Er freut sich, wenn er dem geliebten Wesen behilflich sein, demselben im Kampf gegen Versuchungen beistehen kann; daher hält er beharrlich fest an der wahren Idee vom Menschen, die der Freund aus den Augen verloren zu haben scheint.

Wahre Gemeinschaft ist nicht möglich ohne die Erfüllung der von Johannes genannten Bedingung, daß man im Lichte wandeln muß. Wo diese Bedingung erfüllt wird, können weder Zeit noch Raum die Freundschaft auflösen. Eine der schönsten Belohnungen, die uns auf Erden zuteil werden, wenn wir allezeit ehrlich nach dem Guten streben, ist die, daß wir uns mit Menschen, von denen wir wissen, daß sie Gottes treueste Diener auf Erden sind, in Liebe verbunden fühlen. Die Gelegenheiten, diese heiligeren, edleren Bande zu knüpfen, werden sich denen bieten, die getreulich bemüht sind, Gott als die Liebe zu erkennen und im Lichte dieser Erkenntnis zu wandeln.

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