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Mary Baker Eddy, die bedeutendste Frau der Welt

(Schluß.)

Aus der Oktober 1914-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Manchester (N. H.) Union


In all den Jahren des Siechtums hatte Mary Baker an dem Glauben festgehalten, daß Gott sie heilen könnte, wenn sie Ihn nur zu finden wüßte. Alles, was die ärztliche Wissenschaft zu bieten hatte, war versucht worden, sie selbst hatte eingehende Studien in der Homöopathie gemacht, die Dr. Patterson in seinem zahnärztlichen Beruf gelegentlich in Anwendung brachte. Anscheinend als letzte Zuflucht wandte sie sich im Oktober 1862 wegen Behandlung an Dr. Quimby in Portland, Maine, dem viele Leute wunderbare Heilkräfte zuschrieben. Mrs. Patterson lebte der Hoffnung, daß Dr. Quimby, da er keine medizinischen Heilmittel brauchte, mit einer höheren Heilkraft begabt sei, die sie von ihrem langjährigen Rückenleiden befreien würde.

Eine äußerst hinfällige, nur von ihrer Hoffnung gestützte Gestalt war es, die in Dr. Quimbys Sprechzimmer eintrat. Daß ihr eigner Glaube und nicht irgendeine geheime Kraft Dr. Quimbys sie dann heilte, haben spätere Jahre klar bewiesen; zu jener Zeit aber war sie ganz von Dank und Verehrung für den Mann erfüllt, von dem sie glaubte, sein Gebet habe ihr Erlösung von ihren Schmerzen erwirkt.

Dr. Quimby machte jedoch keinen Anspruch auf Religiosität. Obwohl ihm die schnell erfolgte Heilung Befriedigung gewährte, war sie ihm dennoch ein Rätsel. Tatsächlich hat er ausdrücklich erklärt, er besitze gar nicht den Glauben an den Christus, welchen Mrs. Patterson als die Quelle seiner Heilkraft angab; vielmehr schrieb er seine Erfolge „gesundheitbringenden elektrischen Strömen” und einer Art mysteriöser „Weisheit” zu, die er wohl mitteilen, aber nicht erklären könne. Mrs. Patterson blieb jedoch anfangs dabei, daß diese „Weisheit” von Gott komme, daß Er durch Dr. Quimby wirke und daß dies die Erklärung ihrer Heilung sei.

Zwei Jahre darauf finden wir Mrs. Patterson in Lynn, Massachusetts, einer Stadt, die in der Geschichte der Christlichen Wissenschaft eine hervorragende Stelle einnimmt, da sie der Schauplatz der Entdeckung dieser Wissenschaft und der ersten Versuche ihrer Betätigung nach außen hin ist. Dank ihres gebesserten Gesundheitszustandes war Mrs. Patterson imstande, an öffentlichen Angelegenheiten regen Anteil zu nehmen; doch gab sie auch jetzt ihre literarische Tätigkeit nicht auf, was viele schriftstellerische Beiträge, in Prosa wie in Poesie, in den Lynner Zeitungen bezeugen. Ihr feiner Anstand, der ihre gute Erziehung bekundete, und ihr tiefgebildeter Sinn gewährten ihr Zutritt zu allen Kreisen. In dem Amt einer Vorsitzenden der Ehrenlegion entfaltete sie zum erstenmal ihr Talent als Führerin, das ihr in späteren Jahren so gut zu statten kommen sollte. Dieselben Fähigkeiten, die Mary Baker zu einer Leuchte in dieser Stadt werden ließen, machten sie später zum Führer einer Sache, die die Welt zum Schauplatz hat.

Als Mrs. Patterson am 1. Februar 1866 nach einer Versammlung ihres Vereins auf dem Heimweg war, glitt sie auf dem vereisten Bürgersteig aus und tat einen schweren Fall. Der herbeigerufene Arzt stellte innere Verletzungen ernster Art fest, die Krämpfe und innerliche Leiden nach sich ziehen würden. Die ganze Nacht hindurch war sie bewustlos und wurde dann am nächsten Morgen in einem äußerst kritischen Zustand nach ihrem Heim überführt. Sie muß sich über ihre Lage klar gewesen sein, denn als ihr Bewußtsein wiederkehrte, weigerte sie sich, die Arznei einzunehmen, die der Doktor dagelassen hatte, und wandte sich der unendlichen Weisheit zu, durch die, wie ihr jetzt nach und nach klar wurde, auch ihre Heilung vor vier Jahren bewirkt worden war.

Am dritten Tage, einem Sonntag, war ihr Zustand so bedenklich, daß man den Pastor kommen ließ, und einige ihrer nächsten Freunde versammelten sich um ihr Lager, um Abschied von ihr zu nehmen. Doch dieser starke Geist ergab sich nicht dem Gedanken des Todes. Sie bat, man möge sie eine Weile allein lassen, worauf sie ihre Bibel zur Hand nahm und die Stelle aufschlug, wo von der Heilung des „Gichtbrüchigen” erzählt wird. Als sie über den unbegrenzten Glauben nachdachte, der diesem hoffnungslosen Leidenden zur Heilung durch den „großen Arzt” verholfen hatte, da ward auch ihr der Glaube zuteil, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — der Glaube, den sie auf Seite 1 von Wissenschaft und Gesundheit als das Gebet bezeichnet, „das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt”. Und wie der Gichtbrüchige der Stimme gehorchte, die ihm gebot: „Stehe auf”, so auch diese, allem Anschein nach am Rande der Grabes stehende Kranke. Auch ihrem Gebet des Glaubens wurde die Antwort: „Ich will es, sei gesund.”

Mrs. Patterson stand auf, kleidete sich an und ging zu ihren Freunden ins nächste Zimmer. Jetzt war es ihr klar geworden, daß Gott, der, wie der Psalmist sagt „alle deine Gebrechen” heilet, unwandelbar und immergegenwärtig ist; daß die Macht, welche die Kranken auf das Wort des Meisters hin heilte, auch heute noch allen denen zugänglich ist, die da bitten und nicht zweifeln. Wiederum fühlte sie sich „von Gott berufen”. Sie sollte das Gesetz entdecken und der Menschheit zugänglich machen, welches Jesus seine Jünger lehrte, indem er ihnen verhieß, daß sie und alle, die durch ihr Wort glauben würden, die Fähigkeit erlangen sollten, die Kranken so zu heilen, wie er sie heilte.

Nun machte sich Mrs. Patterson daran, dieses Gesetz zu entdecken und zu formulieren. Drei Jahre lang forschte sie mit Geduld und Eifer, wobei die Bibel ihr einziges Lehrbuch war. Allmählich kam das Licht, und nun fing sie an, die Probe auf die Wahrheit ihrer Theorien zu machen. Wie unaussprechlich muß ihre Freude und ihre Dankbarkeit gewesen sein, als sie die ersten Beweise hatte, daß die Wahrheit wirklich frei macht! In schlichter Weise spricht sie hiervon in Wissenschaft und Gesundheit (S. 109): „Ich wußte, daß das Prinzip aller harmonischen Gemütstätigkeit Gott ist, und daß in der ersten Zeit des christlichen Heilens durch heiligen, erhebenden Glauben Heilungen bewirkt wurden; aber ich mußte die Wissenschaft dieses Heilens ergründen, und durch göttliche Offenbarung, Vernunft und Demonstration fand ich meinen Weg zu absoluten Schlüssen.”

Ihres Lebens Zweck und Ziel trat ihr nun immer klarer vor Augen. All die Erfahrungen der Vergangenheit erschienen in einem neuen Lichte. Im Frühsommer 1866 hatte Dr. Patterson Lynn verlassen, und zwar aus Gründen, die seine Gattin berechtigten, sich von ihm scheiden zu lassen und ihren Namen aus erster Ehe wiederanzunehmen. Zweifellos hat sie sich oft gefragt, weshalb ihr so viele und schwere Prüfungen zuteil wurden, doch erkannte sie jetzt darin eine Vorbereitung auf das Werk, das ihr bevorstand, nämlich, einer von Sünde und Sorge beladenen Menschheit zu verkünden, daß die Christus-Heilung von neuem der Menschheit zugänglich geworden ist.

Mary Baker Glover stand jetzt auf der Höhe blühender Weiblichkeit, und sie brachte die Kräfte ihres gutgeschulten und reichausgerüsteten Verstandes zu fruchtreicher Entfaltung. Bereits im Jahre 1862 hatte sie angefangen, das Ergebnis ihrer Bibelforschungen niederzuschreiben; und diese Notizen in Verbindung mit den Früchten ihrer dreijährigen eingehenden Arbeit bildeten die Grundlage für ihr großes Werk. Es währte dann noch bis zum Jahre 1870, ehe ihre erste Broschüre über die Christliche Wissenschaft verlagsfertig war; doch lehrte sie fünf Jahre lang die Wissenschaft des Gemüts-Heilens aus dem Manuskript, von dem einige Exemplare unter ihren Schülern im Umlauf waren. Erst 1875 wurde ihr bedeutendstes Werk Wissenschaft und Gesundheit der Öffentlichkeit übergeben. Ihre Familie hatte ihren Eifer um religiöse Dinge niemals verstanden, und jetzt machte ihre ausgesprochene Abweichung von dem Glauben ihrer Väter diese Entfremdung zu einer völligen. Sie stand allein mit Gott.

Die Geschehnisse des Jahrzehnts 1870 bis 1880 können hier nicht ausführlich behandelt werden. Die große Entdeckung, von welcher Mrs. Eddy anfangs glaubte, sie werde bereitwillige Aufnahme finden, stieß fast überall auf Hohn und Spott. Jahre hindurch predigte und lehrte Mrs. Glover überall, wo sie sich nur Gehör verschaffen konnte, und in Beweisung ihrer Lehre heilte sie in vielen Fällen die Kranken „ohne Geld und umsonst”. Hier und da fand sie Menschen, die ihren Lehren zugänglich waren. Diese unterwies sie und sandte sie aus, damit sie die Kranken heilten, wie einst der Meister die Siebenzig ausgesandt hatte.

Durch ihre Vermählung mit Asa Gilbert Eddy im Jahre 1877 gewann sie einen fähigen Gehilfen. Sie bedurfte des Beistandes, der in vereinten Kräften liegt, um ihren vielseitigen Pflichten gerecht zu werden. Die Nachfrage nach Predigt und Lehre wuchs beständig, die zweite Auflage des Lehrbuchs war erschienen, und Mrs. Eddy verwandte jetzt jeden freien Augenblick auf die Revision für die dritte Auflage. Vermöge ihrer wachsenden Erkenntnis vermochte sie die Grundwahrheiten der Christlichen Wissenschaft immer klarer darzulegen.

Dr. Eddy war der erste unter ihren Schülern, der die Worte „Christlicher Wissenschafter” auf dem Schilde seines Sprechzimmers führte. Er leistete ihr bei allen ihren Plänen Beistand. Der erste Schritt zur Gründung einer Kirche wurde im Juni 1875 getan, als neun Schüler sich dazu verpflichteten, wöchentlich eine bestimmte Summe für das Abhalten von Gottesdiensten in Lynn beizusteuern. Ein Jahr später bildete sich der erste Verband Christlicher Wissenschafter, und dieser Verband, der auf 26 Mitglieder angewachsen war, faßte am 19. April 1879 den Beschluß, die Kirche Christi, der Scientisten, zu gründen, eine Kirche, die die heilende Kraft des Urchristentums wieder zur Geltung bringen sollte. Im Sommer 1878 faßte Mrs. Eddy den mutigen Entschluß, „den Löwen in seiner Höhle aufzusuchen”, das heißt, in Boston, dem Mittelpunkt intellektueller Bestrebungen, Gottesdienste zu halten; und in eben dieser Stadt wurde auch die Kirche gegründet. Dem konservativen Boston stand der Atem still, aber der Besuch der Gottesdienste nahm stetig zu.

Das waren die Anfänge Der Mutter-Kirche, der Ersten Kirche Christi, der Scientisten, in Boston, der Kirche, die heute auf Grund ihres Heilens und ihres folgerichtigen Christentums mehr als vierzehnhundert Zweigkirchen und Kirchengemeinschaften besitzt, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in allen zivilsierten Ländern der Erde. Die Anhängerzahl läßt sich nicht festlegen, doch gewinnt man einen allgemeinen Begriff von dem Ganzen aus der Tatsache, daß Chicago sechzehn Kirchen zählt, Groß New York elf, Los Angeles acht, und London sieben. Wenn man bedenkt, daß unlängst in der Jahresversammlung berichtet wurde, daß während des letzten Finanzjahres alle dreiundeinhalb Tage eine neue Kirche gegründet worden ist, und wenn man dabei in Betracht zieht, daß mindestens sechzehn Mitglieder zur Gründung einer Kirche der Christlichen Wissenschaft nötig sind, so kann man sich eine allgemeine Vorstellung von dem raschen Wachstum dieser Bewegung machen.

Im Frühjahr des Jahres 1882 mieteten Mr. und Mrs. Eddy das Haus Columbus Avenue 569 in Boston, und hier fand die metaphysiche Lehranstalt, die Mrs. Eddy Januar 1881 für die Ausbildung von Lehrern und Heilern gegründet hatte, eine Heimstätte. Es ist unmöglich, die Zahl der Schüler abzuschätzen, die bis zur Eröffnung der Lehranstalt von Mrs. Eddy Klassenunterricht empfangen hatten. Ertönte doch von allen Seiten, wie einst aus Makedonien, der Ruf um Hilfe, und so schnell wie nur möglich bildete Mrs. Eddy die Schüler heran, die ihr zuströmten, und sandte sie aus. In den ersten acht Jahren belief sich die Schülerzahl der metaphysischen Lehranstalt auf viertausend. Dann befand es Mrs. Eddy für gut, die Lehranstalt eine Zeitlang zu schließen Im Januar 1899 wurde sie jedoch wieder eröffnet. Der gegenwärtige Zweck der Lehranstalt besteht in der Heranbildung von Lehrern der Christlichen Wissenschaft, und alle drei Jahre wird eine Klasse von dreißig Schülern unterrichtet. Diese Lehrer haben dann ihrerseits die Berechtigung, jährlich eine Vorbereitungsklasse von bis zu dreißig Schülern zu unterrichten. Die Lehranstalt verleiht den Grad eines C.S.B. Ihre Sitzungen werden in Der Mutter-Kirche abgehalten seit der Vollendung ihres ersten Baues im Jahre 1895. Es war für Mrs. Eddy keine leichte Aufgabe, die Lehranstalt auf eine gesunde Basis zu bringen und systematisch einzurichten; aber es gelang ihr, wie alles andre, was sie unternahm, dadurch, daß sie sich persönlich um die Sache bekümmerte, und unermüdlich tätig war.

Nur wenige Monate nach der Gründling des Heims in der Columbus Avenue verschied Mr. Eddy. Dies war ein harter Schlag, denn da er der Sache von ganzem Herzen zugetan war, hatte er seiner Gattin viel Arbeit abgenommen. Sie war jedoch nicht der Mensch, sich persönlichem Leid hinzugeben. Die Kirche galt ihr mehr denn alle irdischen Interessen.

Der nächste Schritt in der Propaganda war die Begründung des „Christian Science Journal“, einer Zeitschrift von acht Seiten, die am 14. April 1883 zum erstenmal als Organ der Kirche erschien und jeden andern Monat herauskam. Heute ist das „Journal“ eine interessante Monatsschrift von vierundsechzig Seiten Lesestoff, seine Anzeigespalten bringen die Werke von Mrs. Eddy, und die Anzeigen der Kirchen, die regelmäßige Gottesdienste abhalten, sowie der offiziell anerkannten ausübenden Vertreter der Christlichen Wissenschaft.

Die Bewegung hatte sich nun bis zum fernen Westen ausgedehnt, und es ergingen dringende Bitten an Mrs. Eddy, in Chicago Klassenunterricht zu erteilen. Zuerst schien es Mrs. Eddy unmöglich, ihre Tätigkeit in Boston zu unterbrechen, doch im April 1884 machte sie sich los und reiste nach Chicago. Das Feuer der Begeisterung, das sie dort entfachte, verbreitete sich mit Windeseile durch den ganzen Westen. So legte sie den Grund für das herrliche Wachstum der Bewegung in jenem Teil des Landes. In Boston wuchs dieselbe beständig, und manche der literarischen Größen jener Tage suchten das einfache Heim in der Columbus Avenue auf, um die Frau zu sprechen, die so wundervolle Dinge vollbracht hatte, oder um ihren Vorträgen zu lauschen.

Wissenschaft und Gesundheit hatte jetzt die sechzehnte Auflage erfahren. Nach ihrer Rückkehr aus dem Westen widmete Mrs. Eddy jeden freien Augenblick einer gründlichen Revision und Neu-Anordnung des Buches. Die neue Ausgabe wurde 1885 veröffentlicht und war bis zu diesen, Zeitpunkt weitaus die befriedigendste. Man hat die anscheinend häufige Revision unsres Lehrbuchs oft kritisiert. Es läßt sie aber die Notwendigkeit solcher Revisionen leicht verstehen, wenn man bedenkt, wie sehr Mrs. Eddy in Anspruch genommen war und wie ernstlich sie danach strebte, in dem Maße ihrer wachsenden Erkenntnis andern die Wahrheit immer mehr faßlich zu machen, so faßlich, „daß auch die Toren nicht irren mögen”.

Im Februar 1886 tagte der Nationale Verband Christlicher Wissenschafter zum erstenmal in New York. Es wurde da den Arbeitern in den verschiedenen Feldern gute Gelegenheit geboten, mit einander Ratschläge und Erfahrungen auszutauschen in bezug auf Fragen der Organisation und der Entwicklung, Fragen, die dringend der Lösung bedurften. Vier weitere Zusammenkünfte fanden in Boston, Chicago, Cleveland und New York statt, und damit war die Arbeit des Verbandes zu Ende und somit sein Zweck erfüllt.

Im Winter 1887 kaufte Mrs. Eddy das Haus an der Commonwealth Avenue 385 in Boston, woselbst sie bis zu ihrer Übersiedelung nach Concord, New Hampshire, in Jahre 1889 wohnte. Im Jahre 1888 stattete sie Chicago ihren zweiten Besuch ab, zur Zeit, als dort der Verband seine Versammlung abhielt. Die unvorbereitete Ansprache, die sie dort in der Central Music Hall vor einer Zuhörerschaft von viertausend Personen hielt, gehört zu den Perlen der christlich-wissenschaftlichen Literatur. Es sind nachweislich elf Heilungen während dieser Ansprache geschehen.

Die Bewegung wuchs so rasch, daß immer mehr Zeit auf die Überwachung derselben verwendet werden mußte. Wohl waren genug treue und ergebene Schüler vorhanden, die die Pläne der Führerin zur Ausführung bringen konnten; doch das Ausarbeiten dieser Pläne mußte Mrs. Eddy selber besorgen. In dem zurückgezogenen Leben in Pleasant View, ihrem schönen Landhaus in Concord, konnte sie die meiste Zeit ungestört arbeiten.

Mrs. Eddy bewies sich niemals als eine quantité négligeable, und auch in Concord war sie bald eine wohlbekannte Persönlichkeit, die man ihre täglichen Ausfahrten durch die Hauptstraßen der Stadt machen sah. Schreiberin dieser Zeilen wohnte von 1880 bis 1890 in Concord und sah auf dem Bureau des „Concord Monitor“ Mrs. Eddy zum erstenmal, denn die berühmte Frau sprach dort vor, um mit dem Geschäftsleiter eine Druckangelegenheit zu besprechen und ihm ihre Wünsche auseinanderzusetzen. Sie war eine auffallende Erscheinung. Zu jener Zeit sah sie fast noch genau so aus wie auf dem besten von ihr vorhandenen Portrait, das gelegentlich ihres zweiten Besuches in Chicago gemacht worden war. Das auffallendste an ihr waren ihre schönen Augen. Schon bei einem flüchtigen Blick in dieselben sah man, daß man eine Frau vor sich hatte, die einen großen Lebenszweck verfolgte. Der Grad der Ruhe und der Bestimmtheit, den sie zum Ausdruck brachte, ließ erkennen, daß nichts diese Frau von dem abhalten konnte, was sie sich einmal vorgenommen hatte.

Weit draußen im großen Westen hatte die Christliche Wissenschaft bereits etwas zu bedeuten, als es Concord immer noch nicht ernst nahm mit Mrs. Eddy und ihren Lehren. Im Bureau des „Monitor“ war sie eine der vielen regelmäßigen Besucher; ihr Antlitz konnte man nicht leicht vergessen, und ihr Wesen gebot jedermann Achtung; aber von ihrer Religion wollte man anfangs nichts wissen. Es kam aber der Tag, da auch die Bürger von Concord Mrs. Eddys wahren Wert erkannten und würdigten. Ihre Wohltaten für die Stadt setzten ihr ein lebendiges Denkmal in den Herzen aller Bürger. Das schöne Kirchengebäude, das sie an der Ecke von State und School Straße errichten ließ, ist nur eine der vielen großherzigen Gaben an die Stadt, die sie so sehr liebte.

Inzwischen reiften die Pläne für die Errichtung des ersten Baues Der Mutter-Kirche in Boston. Seine Einweihung am 6. Januar 1895 war ein Markstein in der Entwicklung der Christlichen Wissenschaft, ein Ereignis, das sich durch das ganze Land fühlbar machte. Heute gibt es in den Vereinigten Staaten kaum eine größere Stadt, die sich nicht einer oder mehrerer schöner und stattlicher Kirchengebäude dieser Konfession rühmen kann.

Im September 1898 gründete Mrs. Eddy den „Christian Science Sentinel“, eine Wochenschrift, und 1903 wurde ein deutsches Monatsheft, Der Herold der Christian Science, ins Leben gerufen. Obwohl Mrs. Eddy die Schriftleitung des „Journal“ aufgegeben hatte, als sie sich nach Concord zurückzog, trug sie dennoch häufig zu seinem Inhalt bei. Diese Artikel sind gesammelt,und der erste Teil derselben ist 1896 unter dem Titel „Miscellaneous Writings“ in Boston von dein Verleger ihrer Werke veröffentlicht worden. Ihre späteren Beiträge sind erst vor kurzem erschienen und zwar unter dem Titel „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“. Sie legen beredtes Zeugnis ab für ihre unermüdliche Arbeit und ihre beständige Sorge um die Wohlfahrt der Kirche. Ihre andern veröffentlichten Schriften sind: „Retrospection and Introspection”, „Unity of Good“, „Pulpit and Press“, „Rudimental Divine Science“, „No and Yes“, „Christian Science versus Pantheism“,„Messages to The Mother Church, 1900–1902“, „Christian Healing and the People’s Idea of God“, „Christ and Christmas“.

Mrs. Eddy schrieb das Kirchenhandbuch für Die Mutter-Kirche, auch beaufsichtigte sie die Sammlung der „Gedichte von Mary Baker Eddy”, welches Werk einige Wochen nach ihrem Hingang veröffentlicht wurde. In diesem Band sind „Der Mutter Abendgebet”, „Weide meine Schafe”, „Christfest Morgen” und „Die Kommunions-Hymne” enthalten, die später in Musik gesetzt und dem Gesangbuch der Kirche einverleibt wurden. So wert und teuer sind den Christlichen Wissenschaftern die inspirierten und inspirierenden Worte ihrer Führerin, daß es zur Ausnahme gehört, wenn in einem Gottesdienst in Der Mutter-Kirche nicht eine dieser Hymnen gesungen wird, sei es als Solo oder von der Gemeinde. Mrs. Eddy arbeitete ferner den Plan für die unpersönlichen Lektions-Predigten aus, die heute in allen Kirchen der Christlichen Wissenschaft zur Anwendung kommen, und bestimmte sechsundzwanzig zu behandelnde Themata. Diese Predigten bestehen lediglich in Bibelstellen und Zitaten aus dem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit.

Zwei weitere große Ereignisse aus dem Leben dieser hervorragenden Frau müssen hier noch berichtet werden. Das erste war die Errichtung eines Domes in Boston, dicht neben der ursprünglichen Mutter-Kirche. Die Baukosten im Betrag von zwei Millionen Dollar wurden von Mitgliedern der Kirche aus der ganzen Welt durch freiwillige Beiträge bestritten. Volle dreißigtausend Christliche Wissenschafter besuchten Boston im Juni 1906 gelegentlich der Einweihung dieses stattlichen Baues. Hoch hebt sich die Kuppel gegen den Himmel ab, die angrenzenden Gebäude weit überragend. Dank der großmütigen Gabe eines Mitgliedes hat die Kirche seit einigen Jahren auch einen angemessenen freien Zugang durch schöne, tiefliegende Gartenanlagen hindurch, an denen sich der Städter, der der Steinmauern und der heißen, staubigen Straßen müde ist, erquicken kann.

Zwei weitere Jahre lang gingen aus dem Felde Gaben ein, die es möglich machten, der Verlagsgesellschaft der Christlichen Wissenschaft ein Heim zu schaffen, welche Gesellschaft Mrs. Eddy mit der Herausgabe der Zeitschriften, die sie zum Wohl der Kirche gründete, betraut hatte. Kaum war die Verlagsgesellschaft in ihr neues Heim eingezogen (im Sommer des Jahres 1908), als Mrs. Eddy einen langgehegten Plan zur Ausführung brachte, nämlich die Herausgabe einer guten Tageszeitung. Schon ein viertel Jahrhundert zuvor, bei der Gründung des „Christian Science Journal“, hatte sie gegen die sensationellen Zeitungen protestiert und ihre eignen lichtbeschwingten Boten ausgesandt, um bis zu einem gewissen Grade diesem schädlichen Einfluß entgegenzuwirken und die frohe Botschaft zu verkünden, daß reine Gedanken einen guten und gesunden Körper bewirken. Jetzt war die Zeit für einen eindringlicheren Boten gekommen: der „Christian Science Monitor“ wurde gegründet.

Alle Welt kennt die Geschichte seines Anfangs; bedeutete er doch eine Offenbarung für die Zeitungswelt. Die Männer, die an diesem Riesenwerk arbeiteten, führten jedoch nur die Pläne aus, die Mrs. Eddy in stiller Zurückgezogenheit ausgearbeitet hatte. Am Tag vor dem Dankfest 1908 wurde die erste Nummer des „Monitor“ veröffentlicht. In den mehr als fünf Jahren, die seitdem verflossen sind, hat diese Zeitung dreimal ihre Betriebsanlage vergrößern müssen, und nach der soeben vollendeten Erweiterung sind die Räumlichkeiten sechsmal so groß als die ursprünglichen. Warum sollte eine Zeitung nicht gedeihen, deren Losung lautet, „niemand zu schaden, doch alle Welt zu segnen”.

In einem Artikel wie dem vorliegenden, der aus einer Überfülle von Material schöpfen muß, um den Lebensabriß einer so hervorragenden Frau wie Mary Baker Eddy zu geben, können nur die Hauptpunkte berührt werden. Mrs. Eddys Rückkehr nach Boston im Jahre 1908, das schöne Heim in Chestnut Hill, dem sie fast drei Jahre lang vorstand, die unermüdliche Liebesarbeit für ihre Kirche bis in die letzten Tage ihres irdischen Lebens, und dann ihr friedlicher Hingang in der Nacht des 3. Dezembers 1910—all dies lebt noch frisch in der Erinnerung derer, die sie liebten wegen des Guten, das sie geschaffen, um hier näherer Erörterung zu bedürfen. Die große Bewegung, die sie ins Leben gerufen hat, geht ohne Mißton weiter und breitet sich immer mehr aus, unter der Leitung derer, die von ihr dazu herangezogen worden sind.

Wir kehren zu unsrer Frage zurück: Was unterscheidet Mary Baker Eddy von den Frauen aller Zeiten? Die zahllosen Menschen, die durch die Christliche Wissenschaft in körperlicher, moralischer und finanzieller Beziehung geheilt worden sind, mögen diese Frage beantworten. Wahrlich, „ihre Werke loben sie in den Toren”, denn es kann heute wie vor alters gesagt werden: Die Blinden sehen, die Tauben hören, die Lahmen gehen, die in Sünde und Übertretungen Toten werden zu einem neuen Leben erweckt, die Leidtragenden werden getröstet und den Armen wird das Evangelium vom Heil gepredigt und demonstriert. Ein nieendendes Lob- und Danklied wird ihr als der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft dargebracht, dieser Frau, auf die der Staat New Hampshire mit Recht stolz sein kann; denn es kommt der Tag, da die ganze Welt sie ehren wird.

Clara Barton, die selbst so groß dasteht unter den Frauen, daß man ihr Loben nicht mit Vorsicht aufzunehmen braucht, hat von Mrs. Eddy geschrieben: „Liebe durchdringt alle Lehren dieser großen Frau. Sie ist so groß, daß man von dem gegenwärtigen nahen Standpunkt aus kaum ihre ganze Größe abschätzen kann. Betrachtet man die Geschichte ihres Lebens, so findet man nichts als Selbstaufopferung und Selbstlosigkeit. Mrs. Eddy gebührt die Achtung, Bewunderung und Liebe der ganzen Nation, denn, sie ist ihre bedeutendste Frau.”

Copyright, 1914, by The Christian Science Publishing Society
Verlagsrecht, 1914, von The Christian Science Publishing Society

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