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„Beutel, die nicht veralten”

Aus der November 1914-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Mit der Erwartung, etwas zu empfangen, ist gewöhnlich die Vorbereitung zur Aufnahme und Aufbewahrung des Erwarteten gepaart. Ist es ein neues Möbelstück, so entscheidet die Hausfrau, wo es hingestellt werden soll, und rückt vielleicht alle andern Möbel des Zimmers zurecht, um dem neuen Stück einen geeigneten Platz zu bereiten. Es mag nun einen Menschen, der durch die Christliche Wissenschaft Gesundheit zu erlangen sucht, auf den ersten Blick befremden, wenn ihm gesagt wird, er müsse in ähnlicher Weise der Gesundheit einen geeigneten Platz bereiten, um sie aufnehmen und pflegen zu können. Bald aber lernt er einsehen, daß nicht der materielle Körper den passenden Platz bietet, und daß die Pflege nicht darin besteht, daß man einem materiellem Gesetz gehorcht. Leben, wie es die Bibel lehrt, beruht auf dem Verständnis von Gott, dem Guten; aber „das Fleisch ist kein nütze”.

Von diesem Gesichtspunkt aus wird die Fürsorge für die Gesundheit und ihre Pflege zu einer Frage des Gemüts und hängt von der bewußten Tätigkeit der Liebe und Wahrheit ab. Diese Tätigkeit geht vom göttlichen Gemüt aus, das keine Gemeinschaft hat mit dem Bösen. Es muß also alles, was Gesundheit zum Ausdruck bringen soll, geistig, intelligent, liebenswert, rein und gut sein. Richtiges Bewußtsein schließt diese Eigenschaften in sich. Und so kann nur derjenige wahre Gesundheit erlangen und bewahren, der den wissenschaftlichen Sinn des Seins erworben hat. Andrerseits ist irrendes oder unwahres Bewußtsein mit Annahmen von Furcht und Bösem erfüllt, die als Krankheit und Unrechttun zum Ausdruck kommen. Da es aber ebensowenig möglich ist, zu gleicher Zeit richtig und unrichtig zu denken, als zu gleicher Zeit gesund und krank zu sein, so müssen wir für die Gesundheit sorgen lernen, indem wir Gutes denken und Böses nicht denken. Geschieht das, so kann nichts in die menschliche Erfahrung eintreten außer dem, was gut und gesund ist, geradesowenig wie in einem Garten, aus dem alles Unkraut ausgejätet wurde, etwas blühen kann außer dem, was man gepflanzt hat.

Diese innere Vorbereitung auf den Empfang der Gesundheit ist einfach und leicht, wenn man das Gute mehr wünscht als die körperliche Befreiung, und wenn man diesem Wunsche gemäß richtige Beweggründe und Methoden zur Kundgebung des Guten zu finden sucht. So wird der Gesundheitssucher zu einem Gerechtigkeitssucher. In dem Maße, wie er die Allmacht des Guten erkennt, wird er sanftmütig, gelehrig, fröhlig und gottvertrauend, ähnlich wie ein kleines Kind. Er findet, daß im menschlichen Herzen mehr Gutes ist — wie tief es auch schlummere — als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist, und daß es nur der Anwendung harrt. Wer von dem aufrichtigen Verlangen, Gott zu erkennen, erweckt worden ist, macht ernstlich Anstrengung, der materiellen Auffassung des Selbst zu entrinnen, und mit göttlicher Hilfe sammelt er die bisher zerstreute Tatkraft zu dem einen erhabenen Zweck, das göttliche Musterbild zum Ausdruck zu bringen. Wie das Wasser der Anziehungskraft der Sonne folgt, so wird dann dieses menschliche Gute zu Gott emporgezogen, wo sich die sündige, sterbende Vorstellung vom Menschen in ihr ursprüngliches Nichts auflöst und das Bewußtsein mit Ideen der Wahrheit erfüllt wird, bis sich das menschliche Denken in Dankbarkeit der durch geistiges Verständnis gewonnenen Freiheit und Gesundheit erfreut.

Mit dem Erscheinen göttlicher Gedanken verschwindet Krankheit, und Gesundheit tritt so natürlich ein, wie der Frühling den Schnee schmilzt und Vögel und Blumen die erfreuliche Veränderung zum Ausdruck bringen. Mit mehr Vertrauen als die Sterblichen sorgt die Natur rechtzeitig für die Schönheit ihrer Jahreszeiten, ändert schon ihre Farben im Hinblick auf das ungesehene Kommen des Winters, während die Ernte noch in ihrem Glanze strahlt, und begrüßt den Frühling schon mit blühenden Weidenkätzchen, bevor der Schneefink zu singen aufgehört hat. Wenn wir die unsichtbaren Dinge Gottes ebenso gewiß erwarteten, würden wir uns voller Freude auf das Gute und nicht auf das Böse vorbereiten, auf Leben, nicht auf Tod. Wir würden uns nicht auf einen Regentag rüsten, der nie wirklich kommt, noch um materielle Dinge besorgt sein, in denen wir vergebens Glück und Gesundheit suchen. Wir würden uns vielmehr erwartungsvoll darauf vorbereiten, das göttliche Lebensprinzip verstehen zu lernen.

Zu diesem Zweck müssen wir nach innen sehen und unsre Vorbereitungen im Innern treffen. Hierauf hat der Meister klar hingewiesen mit den Worten: „Du blinder Pharisäer, reinige zum ersten das Inwendige am Becher und Schüssel, auf daß auch das Auswendige rein werde!” Wenn wir uns dauernder Gesundheit erfreuen wollen, bleibt viel zu tun übrig, so lange wir irgend etwas Böses in den Gedanken hegen; denn nur das Gute kann Gutes aufnehmen. Mrs. Eddy sagt in „Miscellaneous Writings“ (S. 214): „Der Christliche Wissenschafter kann nicht Kranke heilen und zugleich Irrtum mit Wahrheit verbinden, ebensowenig durch Anerkennung wie durch Billigung des Irrtums.” Wenn wir also Gesundheit wünschen, müssen wir willig alles aus den Gedanken fahren lassen, was Gott unähnlich ist. Zudem sollen wir nicht ängstlich fragen: „Wie bald werde ich gesund sein?” oder: „Warum bin ich noch nicht geheilt?” sondern vielmehr: „Was tue ich, um Gesundheit zu erlangen?” „Bereite ich ihr eine Stätte, indem ich all das ausweise, was dem Guten unähnlich ist?” Es ist gewiß des Vaters Wohlgefallen, uns alles Gute zu geben, aber wir müssen Seinen Gaben einen Platz bereiten.

„Aber”, ruft jemand, der von Selbstbedauern und Furcht erfüllt ist, „ich bin nicht imstande, jetzt schon etwas für mich zu tun. Sobald ich meine Gesundheit wiedererlangt habe, bin ich zu allem bereit, was man von mir verlangt; aber jetzt kann ich wirklich nicht mehr tun.” Das sind gerade die Gedanken, die der Krankheit erlauben, ihren unrechtmäßigen Aufenthaltsort zu behaupten, ohne daß ihrer angemaßten Macht auch nur mit einer Verneinung entgegengearbeitet wird. Diese Gedanken räumen aus lauter Schwäche dem Irrtum den Platz im menschlichen Bewußtsein ein, den von Rechts wegen Liebe und Wahrheit innehaben sollten. Ist ein Sterblicher je zu krank, um wie ein kleines Kind werden und sich nach dem Vater alles Guten sehnen zu können, zu krank, um das Gebet des Psalmisten zu seines Herzens Wunsch werden zu lassen: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich’s meine. Und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege”? Ein solcher Wunsch allein ist nötig, um uns mit den geistigen Gesetzen des Lebens in Einklang zu bringen, den Gesetzen, welche eine Art der Gesundheit bewirken, die unsern materiellen Begriff von Gesundheit so weit übersteigt, daß wir es kaum fassen können. Der körperliche Zustand, mag er sein wie er wolle, kann uns nicht verhindern, unser Bewußtsein dem Einströmen der Wahrheit zu öffnen, die uns dann in dem Maße, wie wir ihr entgegenkommen, mit Fluten der Liebe reinigt und unsre Gebrechen heilt.

Körperliche Heilung bedeutet nicht immer eine völlige Umwandlung. Wenn diese Umwandlung nötig ist, bevor wir Heilung erlangen können, sollten wir dann unser Vertrauen auf Gott verlieren und zu materiellen Göttern zurückkehren ? Nein, wir sollten lieber um mehr Erleuchtung bitten, damit wir imstande sein mögen, mit Geduld und Ausdauer jeder Forderung zur Kräftigung des christlichen Charakters zu entsprechen. Sodann müssen wir mit der Tat unsre Dankbarkeit für das Gute, das wir bereits kennen, in christusgleichen Werken zum Ausdruck bringen, möge dieses Gute klein oder groß erscheinen. Die Erfüllung solcher Werke darf jedoch nie mit mürrischem Sinn als persönliche Pflicht aufgefaßt werden, auch darf man sie nicht bloß tun, um Gesundheit zu erlangen, sondern sie müssen der natürliche Ausdruck der Liebe zu Gott und zu den Menschen sein, ohne einen Hintergedanken, daß uns Gott dafür etwas schulde. Haben wir richtige Beweggründe zur Dankbarkeit und zu guten Werken, dann werden wir früher oder später die Entdeckung machen, daß sich, uns ganz unbewußt, eine sittliche und körperliche Heilung vollzogen hat, wie ja auch der Aussätzige, der zurückkam, um seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, als der einzige von den Zehnen die wahre Heilung erfahren hatte.

Auf diese Weise wird das menschliche Bewußtsein zum Beutel, der nicht veraltet. Es kann mit Schätzen des Himmels gefüllt werden, mit Gesundheit, Heiligkeit und geistigem Verständnis. Das Sehnen nach dem Guten schafft diesen Beutel, und menschliche Hingebung unter das göttliche Gesetz öffnet ihn für alles Gute. Diese Vorsorge aber muß der Patient selber treffen; niemand kann es für ihn tun, nicht einmal der ausübende Vertreter. Fragte nicht der Meister den Kranken: „Was willst du?” und: „Welches ist leichter: zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Stehe auf und wandle?” Gewiß hätte selbst Christus Jesus nicht Sünde vergeben (vernichten) können, wenn er nicht vorher die Willigkeit der Kranken, sowohl von Sünde wie von Krankheit geheilt zu werden, erkannt hätte. Ob es sich um Haß oder bloß um Gefühlsverletzung handle: es ist ebenso notwendig, willig den Irrtum aufzugeben, als von den dadurch erzeugten unharmonischen Zuständen geheilt zu werden; denn ohne das eine kommt das andre nicht wirklich zustande.

Daß es ein Fehler ist, mit materiellen Mitteln für die Gesundheit sorgen zu wollen, wurde von dem größten Arzte, den die Welt je gekannt hat, mit den Worten hervorgehoben: „Niemand lebet davon, daß er viele Güter hat. ... Das Leben ist mehr denn die Speise; und der Leib mehr denn die Kleidung.” Warum sollten wir also meinen, Essen und Trinken nach einer Vorschrift oder Sorge um die Kleidung könne Krankheit verhindern oder die Gesundheit herbeiführen? Und warum eine materielle Vorstellung vom Körper mit all ihren vermeintlichen Mächten und Gesetzen erforschen, wenn wir doch vor der bedeutungsvollen Frage stehen: „Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorget?”

Nein, um für die Gesundheit zu sorgen, brauchen wir nicht die Materie in Betracht zu ziehen, sondern wir müssen jene Gesundheitsgesetze beachten, auf die derselbe Arzt so großes Gewicht legt, wenn er sagt: „Sorget nicht für euer Leben”; „Darum auch ihr, fraget nicht darnach, was ihr essen oder was ihr trinken sollt”; „Hütet euch vor dem Geiz”; „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und darnach nichts mehr tun können.” Keime, materielle Gesetze und falsche Annahmen können dem Gemüt nichts anhaben. Wir müssen nur dem materiellen Sinn die Türen des Denkens verschließen und unser Wünschen himmelwärts richten, wenn wir von Segnungen erfüllt sein wollen, die nie versagen.

Der Menschheit von heute wird durch die Christliche Wissenschaft der lebhafte Wunsch nach geistigen Dingen eingeflöst und eine wissenschaftliche Verfahrungsweise gegeben, nach der sie diese Dinge gewinnen kann. In dem Maße nun, wie diese Verfahrungsweise richtig verfolgt wird, sucht der, welcher nach der Gerechtigkeit trachtet, nicht mehr vergebens die dauernde Substanz des Guten, noch füllt er seinen Kelch mit der Bitterkeit des Zweifels. Durch Lehre und Beweis, daß die einzige Tätigkeit des Bösen die ist, sich selbst zu zerstören, und daß gute Taten und Rechttun schließlich triumphieren müssen, erzeugt die Christliche Wissenschaft bei den Sterblichen die Bereitwilligkeit, die Sünde fahren zu lassen; auch verleiht sie ihnen die nötige Geduld, so daß sie das äußere Erscheinen des Guten, nach welchem sie trachten, bestimmt erwarten. Sie zeigt uns ferner, wie wir vollkommenes Vertrauen auf das Prinzip haben und durch solches Vertrauen unsre Lampen der Hoffnung brennend erhalten können, so daß wir, wenn der Herr säumt zu kommen, nie kleingläubig fragen: „Was nützt dies alles?” Ja, die Christliche Wissenschaft gibt uns den Mut, bis zur zweiten und dritten Nachtwache zu warten, bis dann die Liebe ihre reichen Schätze in das Gemüt gießt, welches für das Kommen des Guten bereitet und offen ist.

So laßt uns denn bereit sein, Gesundheit und Gerechtigkeit zu suchen. Laßt uns für „Beutel” sorgen, „die nicht veralten”, sie offen halten und warten, bis sie sich füllen mit Leben, das keinen Tod kennt, mit Wahrheit, die ewig währt, mit Liebe, die unbefleckt ist — mit jener Liebe, die nicht das eigne Wohl, sondern das des andern sucht. So empfangen wir die Dinge, die denen bereitet sind, die Gott lieben, und unsre Herzen werden von dem Frieden Gottes erfüllt, der über alle menschliche Vernunft geht.

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