Es ist von der Christlichen Wissenschaft behauptet worden, sie sei das Fortschrittlichste in der Welt. Wer dies annimmt, muß zugeben, daß die Christlichen Wissenschafter fortschrittlich gesinnte Menschen sind. Und da ferner die Christliche Wissenschaft eine werktätige Religion ist und nicht ein bloßes Bekenntnis, so muß auch ihr Wirken fortschrittlicher Art sein. Fortschritt findet dem Gesetz Gottes gemäß statt und muß daher von jedem ernsten Wahrheitssucher geachtet und beachtet werden, selbst wo dies die Annahme neuerer Methoden und die Besserung dessen von ihm fordern mag, was er bisher als zufriedenstellend angesehen hat.
Nachdem wir Christliche Wissenschafter geworden sind, haben wir keine Entschuldigung mehr für die rein routinemäßige Arbeit, in die wir vor unserm Bekanntwerden mit der von Grund aus umgestaltenden Wahrheit mehr oder weniger hineingeraten waren. Jeder Schüler muß voranschreiten, damit er alles, was universellen Fortschritt ausmacht, erkennen und bewußt erfassen möge. Der Christliche Wissenschafter muß, wie ja auch Jesus von sich selber sagte, in dem sein, das seines Vaters ist. Er weiß, daß die Arbeit, die Gott von ihn, verlangt, äußerst wichtig ist und daß sie wunderbare Ergebnisse bringt, in physischer, moralischer und geistiger Beziehung.
Es gibt in der Geschäftswelt drei Klassen von Menschen: die fortschrittlich Gesinnten, die Konkurrenten und die Konservativen. Der ideale Geschäftsmann handelt klug und ist fortschrittlich; er ist bereit, jede rechtmäßige, praktische, arbeitersparende Erfindung zu befürworten und jede Methode anzunehmen, die sein Geschäft auf die anerkannt höchste Stufe zu bringen geeignet ist. Er tut dies nicht nur, um sein Geschäft weiter auszudehnen und höhere Erträge zu erzielen, sondern auch, um als Faktor bei der Einführung eines vollkommenen Geschäftssystems zum Wohl der Allgemeinheit seinen Verpflichtungen in gerechter Weise nachzukommen.
Wer in mustergültiger Weise arbeitet, ist ehrlich, duldsam, menschenfreundlich und gerecht. Er ist vorsichtig, aber nicht ängstlich, sparsam, aber nicht geizig, genau in seinen Anforderungen, aber nicht willkürlich, gütig, aber nicht allzu nachsichtig, in gerechter Weise eifrig um das, was er vertritt, aber niemals neidisch. Er erweist sich des in ihn gesetzten Vertrauens würdig und erwartet das Gleiche von andern. Er beansprucht für sich kein Vorrecht, das er nicht jeden, andern Menschen gerne einräumt. Er besteht darauf, daß Erfolg verdient sein muß, daß er das Ergebnis gewissenhafter Arbeit ist. Ein solcher Mensch schreckt vor keinen Hindernissen zurück, denn deren Überwindung beweist nur, daß richtige Tätigkeit und wahrer Fortschritt eng miteinander verbunden sind.
Zur zweiten Klasse gehören die ängstlichen wie die aggressiven Konkurrenten, und hier wird der Geschäftsmann mehr oder weniger durch Furcht beeinflußt. Er gibt sich dem Gedanken hin, daß Konkurrenz bei der großen Anzahl von Mitbewerbern den Erfolg sehr erschwere. Die Resultate, die auf einer solchen Gedankenbasis erzielt werden, begünstigen natürlicherweise den Eigennutz und erzeugen eine entsprechende Gleichgültigkeit gegen die Interessen des Nebenmenschen; mit andern Worten, sie führen zur Nichtachtung des zweitgrößen Gebotes: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.”
Zur dritten Art gehört der schüchtern konservative Geschäftsmann, der sich mit überlebten Methoden zufrieden gibt, der im alten Geleise der Gewohnheit fortfährt, der unfähig ist, Gelegenheiten zum Fortschritt wahrzunehmen, bis er zu der Überzeugung gekommen ist, daß seine Ansichten die richtigen seien und daß durch die Annahme neuer Ideen die herkömmlichen Methoden entehrt würden. So müht er sich weiter ab, der Tätigkeit ohne Fortschritt willig ergeben, und das Resultat ist, daß er nur mittelmäßige oder vielleicht gar keine Erfolge aufzuweisen hat.
Die Erkenntnis des Unterschieds zwischen diesen drei Klassen hat wohl zu der regen Nachfrage nach jungen Männern im Geschäftsleben geführt. Der jüngere Mann hat oft einen regeren Sinn für die Anforderungen des Gesetzes des Fortschritts und ist daher eher bereit, in Reih’ und Glied zu treten, als sein selbstzufriedener Arbeitsgenosse. Der Geschäftsmann muß deshalb das wertvolle Ergebnis praktischer Erfahrung mit den sich ändernden, durch Fortschritt bedingten Ideen in Übereinstimmung bringen. So gerüstet, braucht er seine wertvolle Zeit nicht in Sorge über sein Fortkommen zu verbringen, denn dieses ergibt sich aus dem Fortschritt. Er braucht sich weder zu fürchten noch ein Verdrängtwerden oder einen Fehlschlag anzuerkennen; doch muß er, wenigstens in Gedanken, seinen Platz in der Geschäftswelt ausfüllen. Indem er den Erfordernissen der Stunde nachkommt, findet er, daß die Welt seiner bedarf und daß er an der Ausarbeitung des gesamten Geschäftsbetriebes in der Welt nach jeder Richtung des Fortschritts hin seinen Anteil haben kann.
In der Christlichen Wissenschaft lernen wir über „die Zeichen dieser Zeit” urteilen, wie wir es Jesu Worten zufolge tun sollen, und dadurch erlangen wir einen klareren Blick für die Wahrheit der Behauptung unsrer Führerin: „Richtig betrachtet dient diese abweichende Spiegelung des Seins dazu, auf die eigentliche Widerspiegelung Gottes und die geistige Tatsächlichkeit des Menschen hinzuweisen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 502). Gehört der Schüler, der gegenwärtigen menschlichen Verhältnissen gegenübersteht, nicht vielleicht zu einer von diesen Klassen? Zu allen dreien kann er nicht gehören. Da wir wissen, daß der Schüler keine Mittelstellung einnehmen darf bei der Arbeit in dem, das seines Vaters ist, so vermögen wir nur eine Schlußfolgerung zu ziehen, nämlich, daß er entweder vorwärtskommt oder stillsteht. Wir haben uns allen Ernstes zu fragen, wie es in dieser Hinsicht mit uns steht. Sicherlich wird uns die göttliche Weisheit führen bei der Abwehr und dem Überwinden jedes sogenannten Gesetzes des sterblichen Gemüts, das die Beschränkung des Menschen, der doch zum Bilde seines Schöpfers geschaffen ist, angeblich herbeizuführen vermag.
Wir wissen, daß, was vom geistigen Menschen wahr ist, von allen Gotteskindern wahr sein muß. Wenn also von den Christlichen Wissenschaftern ein fortschrittliches Verhalten mehr erwartet wird als von andern Menschen, so müssen sie nicht nur suchen selbst Fortschritte zu machen, sondern sie müssen auch an dem Fortschritt eines jeden einzelnen eine aufrichtige Freude haben, in der Erkenntnis, daß belohnte Mühe stets eine Erfüllung biblischer Verheißungen bedeutet.
Der ehrliche, tätige Schüler muß also stets voranschreiten. Dies steht in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz und kann in Wirklichkeit durch nichts verhindert werden. Das Infragestellen der Beweggründe und Handlungen eines andern kann uns also nur zurückhalten; es kann niemals die Durchführung und Erfüllung von Gottes Gesetz des Fortschritts verhindern oder stören.
In Verbindung hiermit sollten wir des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberge gedenken. Diejenigen, die zur elften Stunde kamen, erhielten den „Groschen” ebensowohl wie die, die die Last und Hitze des Tages getragen hatten. Und als darüber ein Murren entstand, sagte der Herr des Weinbergs in aller Liebe zu den Unzufriedenen, es sei ihnen geworden, was sie anfangs beansprucht hätten; ihre Klage könne daher nicht berücksichtigt werden. Wir sollten ferner die Worte Jesu beherzigen, als er dem Petrus den wichtigen Auftrag gab: „Weide meine Schafe!” Dies war der Beweis, den er von der Aufrichtigkeit feiner Liebe zum Meister geben sollte. Petrus aber wünschte zu wissen, was von dein andern Jünger, dem geliebten Johannes, erwartet werde, und er muß die Rüge sehr empfunden haben, die ihm der Meister mit den Worten gab: „Was gehet es dich an? Folge du mir nach!”
Diese Ermahnung sollte auch in unsern Ohren klingen, wenn die Versuchung an uns herantritt, uns unberufen um die Pflichten, den Fortschritt, die Fähigkeit oder den Lohn eines andern zu kümmern, oder wenn wir die Neigung verspüren, der Suggestion Gehör zu schenken, daß der Fortschritt eines Nebenmenschen unsern eignen irgendwie beeinträchtigen könne. Freuen sollen wir uns über den Fortschritt andrer. Tun wir dies nicht, so ist das ein Zeichen, daß wir selber keine Fortschritte machen. Vielleicht sind die unmittelbaren Ergebnisse ehrlicher Arbeit in unserm Fall nicht so leicht zu erkennen wie im Fall unsres Mitbruders; sicher ist aber, daß, wenn wir unser Denken und unsre Aufmerksamkeit unausgesetzt auf das Problem unsres Mitmenschen richten, wir nicht dessen gedenken, was die unendliche Liebe auch uns zukommen läßt.
Der Fortschritt der Allgemeinheit ist dem Fortschritt des einzelnen förderlich, und der Fortschritt des einzelnen ist wiederum zum allgemeinen Erfolg wesentlich. Wir dürfen keinerlei Beschränkung unsres geistigen Ausblicks dulden, müssen uns von aller mentalen Unklarheit frei machen und uns vor dem Stillstand vorsehen, in den wir leicht durch Selbstsucht, Selbstzufriedenheit oder Eigenliebe verfallen. Wir müssen zu der Erkenntnis kommen, daß unser richtiges Denken uns fortwährend Beweise der ewigen Wahrheit bringt, die Mrs. Eddy mit den Worten ausdrückt: „Ein richtiger Beweggrund trägt seinen Lohn in sich” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 453), ja für jeden einzelnen, und zwar genau in dem Verhältnis, wie er bereit ist, diesen Lohn zu empfangen.
Fortschritt ist jenes Wachstum in der Weisheit und Erkenntnis, das die Identität eines Menschen erhält. Er ist die Entwicklung des christlichen Charakters, und diese Entwicklung tut sich in dem Streben kund, den Forderungen der Bergpredigt nachzukommen und den menschlichen Begriff vom Leben zu bessern. Wir müssen eins sein, wie Jesus betete, daß seine Jünger eins sein möchten, gleichwie auch er und der Vater eins waren. Die heutige höchste menschliche Entwicklung des Charakters und der Geschäftsmethoden macht uns Hoffnung auf Errungenschaften, die weit über die gegenwärtige Sehweite der Sterblichen hinausgehen und die wir dann erreichen werden, wenn unser unreifer Begriff von geistigen Dingen der Erkenntnis der Wahrheit des Seins gewichen sein wird.
Wenn wir die richtige Anschauung von dem haben, was der Vater von uns verlangt, und wenn wir demgemäß handeln, wirkt das Gesetz des Fortschritts zu unsern Gunsten, und wir haben dann auf alles ein Anrecht, womit dieses Gesetz uns und alle Mitglieder des Haushalts Gottes zu segnen vermag. Können wir mehr verlangen? Mrs. Eddy gibt uns den Schlüssel, mit dem wir die Schatzkammer der Wahrheit aufschließen können, in folgenden Worten aus Wissenschaft und Gesundheit (S. 492): „Das Sein ist Heiligkeit, Harmonie und Unsterblichkeit. Es ist bereits bewiesen, daß eine Kenntnis hiervon, selbst in geringem Grade, die physische und moralische Norm der Sterblichen heben, die Langlebigkeit steigern und den Charakter läutern und veredeln wird. So wird der Fortschritt schließlich allen Irrtum zerstören und Unsterblichkeit ans Licht bringen.”
Nichts Vortrefflicheres, sage ich, können sich die Menschen zur Erhaltung ihres Seins wünschen, als daß sie in allem so miteinander übereinstimmen, daß sie gleichsam alle ... einen Körper bilden, alle zusammen soviel wie möglich ihr Sein zu erhalten suchen und alle insgesamt erstreben, was allen gemeinschaftlich nützlich ist. Hieraus folgt, daß ... Menschen, die nach der Leitung der Vernunft ihren Nutzen suchen, nichts für sich verlangen, was sie nicht auch für andre Menschen begehren, daß sie also gerecht, treu und ehrenhaft sind.
