Der Christliche Wissenschafter hat „das inspirierte Wort der Bibel” zu seinem „geeigneten Führer zum ewigen Leben erwählt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 497). Wenn er an der Hand des Lehrbuchs der Christlichen Wissenschaft die Bibel studiert, so bieten ihm auch die Erzählungen des Alten Testaments viele nützliche Lehren, obwohl sie in der Regel nicht so leicht zu verstehen sind wie die des Neuen Testaments. Diese Lehren bringen ihm Erleuchtung, Mut und Verständnis, da sie nicht nur die Ergebnisse darlegen, die die Alten ihrem unwandelbaren Vertrauen auf Gott, das allmächtige Gute, zu verdanken hatten, sondern oft auch veranschaulichen, in welcher Weise dieses Gottvertrauen angewandt wurde.
Der Christliche Wissenschafter findet, daß sich die Menschen vor alters die Gegenwart und Wirksamkeit der göttlichen Macht oft zunutze machten. Zwar suchten sie, wenn eine Schwierigkeit auftauchte, gewöhnlich nicht sofort die göttliche Hilfe, trotz der vielen früheren Beweise von der Allgegenwart und Macht Gottes. Häufig warteten sie, bis alle andern Mittel erschöpft waren, oder bis sie sich in einer Lage befanden, wo es ganz nutzlos schien, gewöhnliche Mittel auch nur zu versuchen. Und ähnlich ist es auch heute noch. Viele Leute wenden sich erst an Gott, wenn sie zu einer ähnlichen Überzeugung gelangt sind. Wer aber dann in Sanftmut und Demut bei Ihm Hilfe sucht, findet ebenso sicher eine Antwort wie die Israeliten vor alters.
Eine Erzählung im zwanzigsten Kapitel des zweiten Buchs der Chronika enthält viele nützliche Lehren. Unter anderm legt sie dar, wie man die Verheißung Jesu verwirklichen kann, die im Markus-Evangelium steht: „Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr’s empfahen werdet, so wird’s euch werden.” Dieser Ausspruch erinnert an eine Stelle auf Seit 495 von Wissenschaft und Gesundheit, wo unsre Führerin schreibt: „Wenn die Illusion von Krankheit oder Sünde dich in Versuchung führt, dann klammere dich fest an Gott und Seine Idee. Laß nichts als Sein Gleichnis in deinen Gedanken weilen.”
Wie wir in der erwähnten Erzählung lesen, erfuhren die Ebräer, daß sich mehrere feindliche Stämme gegen sie verbündet hatten und mit Übermacht gegen sie anrückten. Dem Könige bangte sehr vor der Stärke des Feindes, und er suchte in seiner Not Hilfe bei Gott. Als sich das Volk auf seinen Ruf hin versammelt hatte, betete er ernstlich, und als Antwort kam durch den Mund des Propheten jene beruhigende Botschaft, die allen zuteil wird, welche in der Erkenntnis ihres eignen Unvermögens das Vertrauen auf alles andre außer Gott aufgegeben haben: „Ihr sollt euch nicht fürchten, noch zagen vor diesem großen Haufen; denn ihr streitet nicht, sondern Gott.”
Josaphat sagte in seinem Gebete vor dem versammelten Volk: „Unsre Augen sehen nach dir”, woraus hervorgeht, daß sie ganz in ihrem Gebet aufgingen und der Gefahr, die ihnen drohte, keine Beachtung schenkten. Die wahre Bedeutung des Fastens wird in dieser Erzählung klar gemacht. Auch heute muß der Suchende fasten — nicht notwendigerweise durch Enthaltsamkeit von Speisen, sondern in der metaphysischen Bedeutung.
Es kommt allzuhäufig vor, daß Menschen glauben, sie brächten die Lehre der Christlichen Wissenschaft zur Anwendung, wenn sie einer drohenden Gefahr den Rücken wenden und ihr keine Beachtung schenken, indem sie etwa denken oder erklären: „Es hat nichts zu sagen!” oder: „Das ist Irrtum.” So aber wird die Schwierigkeit nicht überwunden. Man gewinnt nur dadurch den Sieg, daß man im eignen Denken das vermeintliche Gesetz aufhebt, von dem man annimmt, es erzeuge die drohenden Zustände. Man muß sich der Gegenwart und Wirksamkeit des göttlichen Gesetzes bewußt werden und erkennen, daß dieses Gesetz den Irrtum machtlos macht, unter welcher Form er sich auch zeigen möge.
Obwohl die Kinder Juda eine Antwort von Gott erhalten hatten, so wußten sie doch nicht, wie ihre Befreiung zustande kommen werde. Auch war nicht die geringste materielle Augenscheinlichkeit vorhanden, auf die sie ihr Vertrauen hätten gründen können. Dennoch aber nahmen sie die Antwort für wahr an, gingen frohgemut nach Hause, sangen Loblieder auf Gottes Barmherzigkeit und fühlten sich unter Seinem Schutze sicher. Ihr Vertrauen wurde jedoch auf eine harte Probe gestellt, denn sie mußten die ganze Nacht und bis zum folgenden Tage warten, bevor sie die Erfüllung der ihnen gewordenen Verheißung sehen konnten. Es war ihnen nämlich befohlen worden, am nächsten Morgen auszurücken und gerade der Gefahr entgegenzutreten, wegen deren sie die göttliche Hilfe gesucht hatten. Der Feind kam näher und näher und die Gefahr wurde scheinbar größer und größer. Welch absolutes Gottvertrauen mußten sie entfalten! Auf dem Marsche machten sie den besten Gebrauch von ihrer Zeit. Sie erkundigten sich nicht, was der Feind tat, oder auf welche Weise ihre Befreiung geschehen sollte, sondern sie lobten Gott für Seine Güte und dankten Ihm für die noch nicht bewirkte Rettung. Das Vertrauen, welches sie erfüllte, war ihnen der Beweis für das, was ihnen verheißen worden war: „Ihr werdet nicht streiten in dieser Sache. Tretet nur hin und stehet und sehet das Heil des Herrn, der mit euch ist”.
Unsre Führerin hat geschrieben: „Wenn der Irrtum entdeckt ist, so ist er zu zwei Dritteln zerstört, und das übrige Drittel zerstört sich selbst” („Miscellaneous Writings“, S. 210). In dem vorliegenden Beispiel wurde diese Wahrheit vollständig veranschaulicht. Denn während sie Gott Loblieder sangen (und dem Feind offenbar keine Beachtung schenkten), fielen die Feinde übereinander her und vernichteten sich gegenseitig. Als der Kampf zu Ende war, stiegen die Israeliten hinab und sammelten mehrere Tage lang Beute. So waren sie also nicht nur von der drohenden Gefahr befreit, sondern diese wurde ihnen dazu noch zu einer Quelle des zeitlichen Gewinns.
Das elfte Kapitel des Ebräerbriefs enthält einen wundervollen Hinweis auf Beispiele des Gottvertrauens. Es wird uns da erzählt, was gläubige Menschen getan haben, um die Herrschaft der Gerechtigkeit auf Erden der Menschheit zur Kenntnis zu bringen. Sie legten jede persönliche Rücksicht beiseite und strebten danach, die Tatsache festzustellen, daß das göttliche Prinzip immer gegenwärtig ist. In bezug auf ihre Triumphe sagt der Prophet, daß sie „haben ... der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig worden aus Schwachheit, sind stark worden im Streit, haben der Fremden Heere darniedergelegt.” „Das Reich Gottes stehet nicht in Worten, sondern in Kraft”, sagt Paulus, und die Zeichen und Wunder, die er durch die Kraft Gottes bewirkte, befähigten ihn, viele in das Reich Gottes zu bringen.
Die Christliche Wissenschaft ist eine Religion der Werke. Indem sie uns Befreiung von allem Bösen in Aussicht stellt, stützt sie sich auf die Verheißung des Meisters, daß die, welche an ihn glauben, Macht haben werden, die Werke zu tun, die er tat. In dem angeführten Fall siegten die Israeliten, weil sie die Wahrheit erfaßt hatten. Sie setzten ihr volles Vertrauen auf Gott. Sie nahmen die zu einer erfolgreichen Demonstration der Gegenwart der Allmacht so nötige Haltung ein und blieben standhaft. Sie handelten der Ermahnung des Psalmisten gemäß: „Seid stille und erkennt, daß Ich Gott bin.”