Oft wird dem Christlichen Wissenschafter seitens derer, die nur ein oberflächliches Verständnis von dieser Lehre haben, der Vorwurf gemacht, es fehle ihm an Mitgefühl. Wohl mag ihm das, was gemeinhin Mitgefühl genannt wird, abgehen, dafür hat er aber eine praktischere Art, sein Mitgefühl zu beweisen, die auf jeden Fall Anerkennung verdient. In Liebe und Geduld beseitigt er das, was die Klage des Leidenden veranlaßt. Dies steht in Übereinstimmung mit den Worten unsrer Führerin auf Seite 367 von Wissenschaft und Gesundheit, wo sie die Methode erklärt, die in Fällen zu befolgen ist, wo die Sünde samt ihren natürlichen Folgen, Krankheit und Tod, sich dem Bewußtsein als offenbare Tatsache aufdrängt. Mrs. Eddy sagt da: „Ein freundliches Wort an den Kranken und die christliche Ermutigung desselben, die mitleidsvolle Geduld mit seiner Furcht und deren Beseitigung sind besser als Hekatomben überschwenglicher Theorien, besser als stereotype entlehnte Redensarten und das Austeilen von Argumenten, welche lauter Parodien auf die echte Christliche Wissenschaft sind, die von göttlicher Liebe erglüht.”
Nach der christlich-wissenschaftlichen Auffassung ist wahres Mitgefühl die Liebe, die sich bemüht, das menschliche Empfinden der Not zu dem Bewußtsein der unendlichen Güte Gottes zu erheben. Man stelle sich einen Augenblick vor, mit welcher Sehnsucht nach menschlicher Gesellschaft und zärtlicher Fürsorge der Aussätzige zu Jesu Zeiten sein Herz verzehrte. Getrennt von seiner Familie und seinen Freunden mußte er seine Tage einsam dahin leben, obschon er die Gestalten der Lieben aus der Ferne sehen konnte. Wo er auch hinging, mußte er eine Glocke läuten und die verhaßten Worte ausrufen: „Unrein, unrein”, bei deren Klang er die Menschen mit Grauen fliehen sah. Als Jesus des Weges kam, stieg neue Hoffnung in seinem Herzen auf, und ein herrliches Zukunftsbild zog blitzartig durch sein Gemüt. Er sah sich wohl für einen Augenblick als ein gesunder Mensch im Kreise seiner Lieben, aber als es ihm dann einfiel, daß er sich Jesus ja nicht nähern dürfe, empfand er sein Elend nm so mehr. Da rang sich aus seinem Herzen der Notschrei: „Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen”.
Und was tat Jesus? Augenblicklich erkannte er die Not des Aussätzigen. Er nahte sich dem Unglücklichen und legte ihm in brüderlicher Liebe die Hand auf, indem er sagte: „Ich will’s tun, sei gereiniget”. Ist es nicht klar, daß dieser göttlich-mitleidsvollen Berührung nicht nur die Heilung des Körpers, sondern auch die Erneuerung des Herzens folgen mußte? Und ist es nicht auch unsre Pflicht, durch unser Verständnis von Gott, das uns die Christliche Wissenschaft gibt, unserm Nächsten, dem Beispiele Jesu gemäß, dieses wahre Mitgefühl entgegenzubringen? Solches vermag ein jeder.
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