Der große Lehrer sagte: „Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.” Wie aus diesen Worten hervorgeht, erwartete Jesus von seinen Jüngern — von den Auserwählten, die alles verlassen hatten, um ihm nachzufolgen —, daß sie denen, die in der Finsternis der Sünde und des Kummers saßen, ein helles Licht sein sollten. Wir erkennen nur unvollkommen, welchen Einfluß unsre Worte und Taten auf unsre Nebenmenschen haben. Ohne daß wir daran denken, wirken wir entweder wohltuend oder schädigend auf die Entwicklung unsrer Familienmitglieder, unsrer Freunde und Bekannten. Wenn wir uns unsrer individuellen Verantwortung in dieser Sache mehr bewußt wären, würden wir weit vorsichtiger reden und handeln, denn kein wahrer Christ will andern ein Stein des Anstoßes sein.
Wer reichlich von den Segnungen erhalten hat, die die Christliche Wissenschaft darbietet, sollte ganz besonders darauf achten, daß er keinem „dieser Kleinen” Ärgernis gebe — keinem der neuen Mitglieder der Herde, die ihn beobachten, um festzustellen, wie ein Christlicher Wissenschafter sein muß. Unsre verehrte Führerin hielt dies für sehr wichtig, weshalb sie es besonders den Lesern in Der Mutter-Kirche und in den Zweig-Kirchen zur Pflicht macht, „sich von der Welt unbefleckt [zu] halten — rein vom Übel —, damit der mentale Einfluß, der von ihnen ausgeht, Gesundheit und Heiligkeit fördere, ja die geistige Gesinnung, die so allgemein not tut” (Kirchenhandbuch, Art. III, Abschn. 1). Gewiß wird keiner von uns behaupten wollen, dieser Maßstab des Handelns sei zu hoch für ihn. Wir geben alle zu, daß wir, wenn wir in der Tat und Wahrheit Christliche Wissenschafter sein wollen, nichts tun dürfen, was uns oder der Sache zur Unehre gereichen würde.
Die Kirche der Christlichen Wissenschaft unterscheidet sich ganz besonders in einem Punkt von den meisten andern religiösen Gemeinschaften: ihre Arbeit hat keine gesellschaftliche Seite. Denen, die in den älteren Kirchen aufgewachsen sind [besonders in Amerika], wird es bisweilen schwer, sich von dem Gedanken zu trennen, daß seitens der Kirche gesellige Zusammenkünfte, Ausflüge und andre Arten der Unterhaltung nötig seien, um die jungen Leute heranzuziehen. Für unschuldiges Vergnügen, auf das unsre Jugend gewiß ein Recht hat, sollten eher die Eltern sorgen als die Kirche. Dabei ist aber immer zu beachten, daß es eine höhere Stufe des Denkens gibt. Auf diese weist uns Mrs. Eddy hin, wenn sie schreibt: „Materielle Gaben und Lustbarkeiten tragen dazu bei, die geistige Idee im Bewußtsein auszulöschen. Sie lassen uns einsam und ohne Seine Herrlichkeit” („The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“, S. 262).
Hierin liegt die Antwort auf die Frage, ob es einem Christlichen Wissenschafter erlaubt sei, zu tanzen, Karten zu spielen oder Wein zu trinken. Hinsichtlich der beiden ersten Punkte ist folgender Rat des Apostels sehr nützlich: „Ich habe es alles Macht; es frommet aber nicht alles. Ich habe es alles Macht; es soll mich aber nichts gefangennehmen. ... Sehet aber zu, daß diese eure Freiheit nicht gerate zu einem Anstoß der Schwachen. ... Darum, so die Speise meinen Bruder ärgert, wollte ich nimmer mehr Fleisch essen, auf daß ich meinen Bruder nicht ärgerte.” Hinsichtlich des dritten Punktes sollte ebensowenig Zweifel herrschen wie hinsichtlich des Gebrauchs von Tabak, denn Wissenschaft und Gesundheit spricht hierüber sehr deutlich. Auf Seite 454 lesen wir: „Es braucht nicht hinzugefügt zu werden, daß der Genuß von Tabak oder berauschenden Getränken nicht im Einklang mit der Christlichen Wissenschaft steht.”
„Die Kinder dieser Welt” tun gar vieles, was den erklärten Nachfolgern Jesu nicht „frommet”. Damit ist nicht gesagt, daß wir Asketen sein sollen, sondern daß wir das zu vermeiden haben, was den „Schwachen” zum Stein des Anstoßes gereichen könnte. Zu diesen gehören unsre eignen Kinder, die Kinder der Nachbarn, unsre Dienstboten —überhaupt alle, die unsern Maßstab annehmen, die Anfänger im Glauben sind und denen es nicht immer leicht wird, die Scheidelinie zwischen dem Richtigen und dem Falschen zu erkennen. Wir haben außerdem eine Verantwortung hinsichtlich der großen Sache, zu der wir uns bekennen. Die Welt bemißt die Christliche Wissenschaft nach ihren Anhängern. Werden die Außenstehenden diese Konfession günstig beurteilen, wenn sie sehen, wie Christliche Wissenschafter Dinge tun, die eher den Anstrich von Weltlichkeit haben, als daß sie von einer himmlischen Gesinnung zeugen? Dürfen diejenigen, die durch die Macht der Wahrheit von Sünde, Krankheit und Tod errettet worden sind, die Christliche Wissenschaft verunehren, indem sie dem Kritiker Ursache geben zu behaupten, die Anhänger dieser Lehre hätten Gewohnheiten, welche andre Christen als eines Kirchenmitglieds unwürdig ansehen?
Nun mag jemand einwenden, man dürfe sich doch im trauten Familienkreis manches erlauben, was an öffentlichen Orten nicht anginge. Allerdings gibt es vieles, was wir tun können, ohne uns selber zu schaden. Wie wollen wir es aber verantworten, wenn wir auf einem Recht bestehen, durch dessen Ausübung unser schwächerer Bruder zu Fall kommt? Ist es nicht viel besser, sich einen unschuldigen Zeitvertreib zu versagen, wenn dadurch ein Mitmensch vor Versuchung bewahrt wird? Sollten wir nicht dem von unserm Meister gegebenen Beispiel der Selbstverleugnung gerne folgen?
Wo nun die Scheidelinie zwischen den schädlichen und den harmlosen Vergnügungen liegt, ist eine Frage, die sich jeder selber beantworten muß. Die folgende Verhaltungsregel kann uns dabei helfen: „Mitglieder dieser Kirche sollen keinen Vereinen beitreten, die ihrem Fortschritt in der Christlichen Wissenschaft hinderlich sind. Gott verlangt unser ganzes Herz, und Er bietet auf den weiten Bahnen Der Mutter-Kirche allen ihren Mitgliedern genügend Gelegenheit zu pflichtgetreuer Betätigung” (Kirchenhandbuch, Art. VIII, Abschn. 15). Gewiß ist alles schädlich, was unsern „Fortschritt in der Christlichen Wissenschaft” hindert. Wenn unser Herz auf himmlische Dinge gerichtet ist, wird uns die Entscheidung nicht schwer. Nichts gewährt ein solch hohes Maß der Befriedigung wie das Rechttun. Dem ernsten Nachfolger fehlt es nie an Gelegenheit, sein Bekenntnis in die Tat umzusetzen. Der wichtigste und hilfreichste Führer des Christlichen Wissenschafters ist allemal das erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.” Wenn wir dieses Gebot immer im Gedächtnis behalten, wird es uns oft helfen zu entscheiden, was wir als Christen tun oder nicht tun dürfen.
