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Das Amt der Leser

Aus der November 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn die Zeit naht, da in den Zweig-Kirchen die Wahl neuer Leser stattfindet, empfiehlt sich für die Mitglieder das aufmerksame Lesen des sechsten Abschnitts von Artikel III im Handbuch Der Mutter-Kirche. Derselbe lautet: „Diese Leser müssen Mitglieder Der Mutter-Kirche sein. Sie müssen mit Verständnis lesen und eine gute Bildung haben. Sie dürfen niemals erklärende Bemerkungen über die Lektions-Predigt machen, müssen aber alle Notizen und Anmerkungen lesen, die im ‚Christian Science Quarterly‘ stehen. Diese Satzung gilt für die Leser in allen Zweig-Kirchen.”

In den letzten Jahren ist in manchen Kirchen der Christlichen Wissenschaft die Frage entstanden, ob ein Mann oder eine Frau zum Amt eines Ersten Lesers erwählt werden solle. Es ist wohl von manchen übersehen worden, daß unsre Führerin in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 249) in einem kurzen Aufsatz mit der Überschrift „Leser in den Kirchen” auf diese Frage deutlich Bezug genommen hat. Es heißt da:

„Die Behauptung, ich hätte lieber einen Mann als eine Frau zum Ersten Leser in Der Kirche Christi, der Scientisten, möchte ich berichtigen. Ich gebe derjenigen Person den Vorzug, die sich zur Ausübung dieses wichtigen Amtes am besten eignet. In Fällen, wo sowohl der Erste wie der Zweite Leser Schüler von mir sind, würde ich ohne Rücksicht auf das Geschlecht den Schüler vorziehen, der das höchste Maß geistiger Gesinnung hat. Unsre Kirchen bedürfen vor allem jener frommen, selbstlosen Gedankentätigkeit, die die Gemeinde vergeistigt.”

Das Leseramt in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche legt dem Inhaber eine große Verantwortung auf. Er übernimmt eine heilige Pflicht, deren Erfüllung Gewissenhaftigkeit, Demut und viel Liebe fordert. Mancher Leser, der seine Tätigkeit mit Freuden beginnt, wird im Verlauf derselben gewahr, daß das verheißene Land, wo er Frieden, Freude und eine höhere Stufe geistigen Fortschritts zu finden hoffte, erst von den Amoritern, Jebusitern und Girgasitern gesäubert werden muß, die es unsicher machen. Vielleicht kommen Gedanken des Stolzes, des Hochmuts, des Eigenwillens oder der Herrschsucht an die Oberfläche seines Bewußtseins, oder es befällt ihn ein Gefühl der Furcht, wenn er vor der Versammlung steht. Diese Zaghaftigkeit erzeugt leicht Entmutigung. Vielleicht kommen ihm kritische Bemerkungen über seine Persönlichkeit, seine Stimme oder die Art seines Lesens zu Ohren; ein unfreundlicher Vergleich seiner Leistungen mit denen der früheren Leser wirkt verletzend und erzeugt das Gefühl, als genüge er den an ihn gestellten Anforderungen nicht.

Für solche Stunden scheinbarer Dunkelheit findet er auf der ersten Seite von Mrs. Eddys Botschaft für 1901 folgende erhebende Worte: „Verbleibe in der Gewißheit, daß dir Gott stets Seine helfende Hand darbietet, solange du in Seinem Dienst stehst.” Indem er dieser Botschaft das Herz öffnet, kommen andre Engel und dienen ihm. Er bringt den Irrtum zum Schweigen, wenn er sein Bewußtsein über die Persönlichkeit erhebt —über seine eigne wie die seiner Zuhörer; wenn er unverwandt den Blick auf das Ziel seiner Bemühungen gerichtet hält, und wenn sein Streben dahin geht, ein zuverlässiges und klares Organ der Wahrheit zu sein, auf daß die Kranken geheilt, die Betrübten getröstet und die Gefangenen der Sünde befreit werden möchten.

Manchen Lesern, die früher nie vor die Öffentlichkeit getreten sind, fehlt es anfangs an der nötigen Sicherheit, und ihre Stimme und Ausdrucksweise läßt zu wünschen übrig. In solchen Fällen ist vielleicht etwas Unterricht in der Redekunst von Nutzen. Bei diesem Unterricht sollte aber niemals das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, von Mrs. Eddy, oder ein Teil des Gottesdienstes übungsweise gelesen werden, weil der Leser in dieser Beziehung seine eigne Demonstration machen muß, und weil durch ein solches Lesen der hier geltende Gesichtspunkt, nämlich, daß „das göttliche Gemüt ... sein eigner Deuter” ist (Wissenschaft und Gesundheit, S. 577), nicht beachtet würde. Es braucht wohl kaum darauf hingewiesen zu werden, daß jeder Versuch, beim Lesen in der Kirche eine rhetorische oder dramatische Wirkung zu erzielen, durchaus unpassend wäre.

Andre Leser halten es für das beste, sich ganz und gar auf das göttliche Gemüt zu verlassen, um Schüchternheit und Befangenheit zu überwinden und einer unzureichenden Stimme oder mangelhaften Ausdrucksweise abzuhelfen. Auf diese Art kann sich der Leser selbst von der Richtigkeit der in unserm Lehrbuch enthaltenen Erklärung überzeugen, daß intellektuelle Fähigkeiten und die entsprechende Art des Ausdrucks weniger von schulmäßiger Bildung abhängen als von dem Wirken des göttlichen Gemüts. Schon oft ist der Fortschritt eines Lesers in bezug auf seine Stimme und seine Fähigkeit, die Wahrheit zum Ausdruck zu bringen, zum Gegenstand allgemeiner Anerkennung und Verwunderung geworden; und dieser Fortschritt war das Ergebnis seiner eignen klaren Vergegenwärtigung des Waltens der göttlichen Intelligenz.

Der Leser erstrebe Klarheit, Einfachheit, sinngemäßes aber nicht allzu betontes Lesen, Unpersönlichkeit und eine würdevolle Haltung. Vor allen Dingen muß die Gemeinde die Liebe und Aufrichtigkeit des Lesers fühlen. Ohne Aufrichtigkeit und innere Überzeugung ist kein Erfolg möglich. Andrerseits sind tadelnde Bemerkungen über den neuen Leser und seine Leistungen zu vermeiden, da vielleicht erst Wochen oder Monate vergehen müssen, ehe er so weit sein kann wie sein Vorgänger zu Ende seiner Amtszeit. Man muß ferner bedenken, daß er, wie jeder andre Christliche Wissenschafter, sich selbst zu läutern sucht, Gott um mehr Liebe bittet und nach mehr Demut und weiterem Fortschritt in der Vergeistigung seines Denkens und Lebens strebt. Kein Leser kann jedoch erwarten, die Zuhörer in jeder Hinsicht zu befriedigen. Er schenke einem freundlichen Rat oder einem ermutigenden Wort die gebührende Achtung, wende sich aber um Führung nicht der Persönlichkeit sondern stets Gott zu, „der das Gedeihen gibt.”

Der gewissenhafte Leser erkennt täglich mehr die Notwendigkeit, gemäß der Ermahnung unsrer Führerin der Vorbereitung auf die Lektions-Predigt, von welcher das Wohl der Sache in so hohem Maße abhängt, genügende Zeit zu widmen. Hier bietet sich Gelegenheit zu harmonischem Zusammenwirken, um möglichst befriedigende Ergebnisse in der Kirchenarbeit zu erzielen, wie auch zur gegenseitigen Förderung. Außer der Leitung der Gottesdienste am Sonntag und Mittwoch abend hat besonders der Erste Leser so manche Pflicht. Bisweilen findet er, daß er seine Tätigkeit als Praktiker einschränken muß, um seinen Verpflichtungen der Kirche sowohl wie den unter seiner Obhut stehenden Kranken gegenüber gerecht zu werden.

Viel Zeit und viel andachtsvolle Überlegung ist erforderlich, um passende Hymnen und Segenssprüche auszusuchen und, falls es gewünscht wird, dem Solosänger bei der Auswahl von Liedern, die mit der Lektions-Predigt im Einklang stehen und ihrem Inhalte nach wissenschaftlich sind, wahrhaft behilflich zu sein. Der Leser, der Sänger und der Organist können hier liebevoll zusammenwirken, denn Änderungen im Text und in der Musik sind ja nicht selten notwendig. Hinsichtlich des Gemeindegesangs sollte der Leser mitunter Hymnen einführen, die noch nicht bekannt sind, wodurch er zur Überwindung der Trägheit des sterblichen Sinnes beiträgt, die in den Kirchgängern bisweilen eine Scheu vor dem Erlernen neuer Lieder erzeugt.

Die Ankündigungen in der Kirche seien kurz und klar. Die erste Ankündigung, daß die betreffende Kirche ein Zweig Der Mutter-Kirche ist, gibt sogleich ihren offiziellen Charakter sowie ihre Beziehung zu dieser Kirche an und weist den Fremden auf das Bestehen und die Bedeutung Der Mutter-Kirche als Stamm hin. Die wichtigste Ankündigung bezüglich der Mittwochabend-Versammlung ist, daß Zeugnisse von Heilungen abgegeben werden, die durch die Christliche Wissenschaft bewirkt worden sind. Diese Ankündigung erregt sofort die Aufmerksamkeit der anwesenden Fremden. Von den Lesern wird ferner in vielen Zweig-Kirchen erwartet, daß sie Besucher in der Kirche bewillkommnen. Dies kann geschehen, ohne daß sie sich den Anschein von Führern geben oder ein Gefühl der Überlegenheit zur Schau tragen. Bei diesem Dienst ist feines Taktgefühl (eine der Liebe verwandte Eigenschaft) stets notwendig.

In den meisten Zweig-Kirchen wird ferner von den Lesern erwartet, daß sie auf Wunsch eine Trauerfeier leiten, wobei ihnen bisweilen ein Komitee helfend zur Seite steht. In andern Kirchen zieht es der Vorstand vor, die Leser dieses Dienstes zu entheben. Ehe ein Christlicher Wissenschafter die Leitung einer Trauerfeier übernimmt, ziehe er die nötigen Erkundigungen ein über die obwaltenden Umstände, die früheren religiösen Beziehungen des Dahingeschiedenen, den Namen und das Ansehen des in Frage kommenden Praktikers und andres mehr, wonach er entscheiden kann, ob er der Aufforderung, die Trauerfeier zu leiten, nachkommen darf. Diese Dinge sind wichtig; ihre Beobachtung bewahrt unsre Sache oft vor Angriffen.

In größeren Zweig-Kirchen, wo es nicht an erfahrenen Christlichen Wissenschaftern fehlt, empfiehlt es sich, daß die Leser nicht dem Komitee angehören, das mit der Prüfung der Bewerber um Mitgliedschaft betraut ist. Dabei dürfen aber die wirklichen Pflichten des Ersten Lesers, wie sie in den beiden letzten Abschnitten von Artikel III im Kirchenhandbuch angegeben sind, nicht unterschätzt werden. Um in Fällen, wo es sich um Kirchendisziplin handelt, liebevollen Rat oder eine freundliche Zurechtweisung erteilen zu können, hat dieser Kirchenbeamte die größte Liebe, Geduld und durch Gebet erlangte Weisheit nötig. Er muß beständig die göttliche Führung suchen und sich in seinem Verkehr mit andern Mitgliedern an die goldene Regel halten.

Dem überzeugungstreuen Wissenschafter bereitet die Vorbereitung auf die Leitung der Mittwochabend-Versammlungen immer mehr Freude und Befriedigung, und sie ist ihm ein Mittel zu geistigem Wachstum. Zu seiner Verwunderung findet er, daß alles Gute, alle selbstlose Liebe, die er einstmals auf weltliche Art und Weise zum Ausdruck zu bringen suchte, ihm in seiner gegenwärtigen Erfahrung reichlich und in unerwarteter Weise zustatten kommt. Indem er sich bestrebt, die heilende Wahrheit andern klar darzulegen, wird ihm immer und immer wieder bewiesen, daß er durch Geben tausendfältig empfängt. Mit einer guten Bibel-Konkordanz und der Konkordanz zu Wissenschaft und Gesundheit wird die Vorbereitung von Lesestellen für die Mittwochabend-Versammlungen zu einer höchst erquickenden und erhebenden Arbeit und eröffnet ihm einen weiten geistigen Ausblick. Bei dieser Arbeit muß er aber darauf achten, daß er nicht zu viele verschiedene Stellen aus unsern Textbüchern, der Bibel und Wissenschaft und Gesundheit auswählt, weil dies einen Übergriff in das Gebiet der Sonntagslektion bedeuten würde.

Unser Kirchenhandbuch erweist sich auch hier als ein zuverlässiger Führer, denn seine Satzungen haben auf alle Fälle Bezug, die bei der Leitung der Mittwochabend-Versammlungen eintreten können. In vielen unsrer Kirchen ist es Brauch, den Sprechenden eine bestimmte Zeitdauer zu gewähren. An andern Orten hat sich dieses Verfahren nicht bewährt, und es ist daher dem Leser in manchen Kirchen vom Vorstand das Recht eingeräumt worden, in dieser Sache nach eignem Gutdünken zu handeln. Bestimmend ist wohl für den Leser der Inhalt und die Bedeutung eines Zeugnisses wie auch die Fähigkeit des Sprechenden, sich in geeigneter Weise auszudrücken.

Die Haltung des Leiters der Versammlung muß würdevoll sein, ohne aufdringlich zu wirken. Er bekunde den Sprechenden gegenüber liebevolle Erwartung und komme ihnen in freundlicher, ermutigender Weise entgegen. Zugleich aber achte er darauf, daß in den Zeugnissen nicht gegen die Bestimmungen des Kirchenhandbuchs verstoßen wird, und daß vor allen Dingen keine Abweichungen von den Lehren der Christlichen Wissenschaft vorkommen. Stets muß er sich zu vergegenwärtigen suchen (und so auch alle übrigen Mitglieder), daß die göttliche Liebe, das eine stets gegenwärtige Gemüt, alles regiert und daß daher kein Irrtum sich in der Versammlung kundtun, durch Gedanken, Worte oder Handlungen eine Störung des Gottesdienstes verursachen noch dessen Hauptzweck zuwiderlaufen kann, der darin besteht, Beweise von der durch die Christliche Wissenschaft wirkenden heilenden und erneuernden Kraft Gottes zu liefern.

Wenn einem Sprechenden ein Irrtum unterläuft, so sollte der Leser nach Beendigung des Zeugnisses oder am Schluß der Versammlung in ruhiger und freundlicher Weise einige berichtigende Bemerkungen machen. Die Erfüllung dieser Pflicht ist überaus wichtig. Sie verhütet, daß Besucher, die der Christlichen Wissenschaft noch fremd gegenüberstehen, durch falsche oder ungenaue Darstellungen der Wahrheit verwirrt werden. Der Leser braucht sich nicht darüber zu sorgen, wie er die Berichtigung machen soll, denn ein treuer Christlicher Wissenschafter weiß aus Erfahrung, daß die Verheißung: „Tue deinen Mund weit auf, laß mich ihn füllen!” durch das Sichbewußtwerden der Allgegenwart von Wahrheit und Liebe immer wieder erfüllt wird. Bisweilen muß er sich wundern, wie treffend in derartigen Fällen seine Antwort war. Bei der Erfüllung dieser Pflicht kann der Leser darauf rechnen, von den liebevollen Gedanken seiner Mitbrüder in der Christlichen Wissenschaft unterstützt zu werden, denn diese wissen, daß eine solche Berichtigung von Zeugnissen nicht auf Anmaßung oder Willkürlichkeit beruht, sondern einzig und allein dem Wunsche entspringt, daß in der Versammlung nichts geschehe, was gegen die Grundsätze der Christlichen Wissenschaft verstoßen würde.

Sprechenden, die sich bei ihrer Zeugnisabgabe in weitschweifiger, zielloser Weise ergehen und belanglose Einzelheiten berichten, sollte Einhalt geboten werden, und dies ganz besonders dann, wenn ihre Bemerkungen nicht von der Christlichen Wissenschaft und ihrer Wirksamkeit handeln. Das Lesen eines niedergeschriebenen Zeugnisses ist statthaft, vorausgesetzt, daß dasselbe nicht zu lang ist. Zeugnisse aber, die zum größten Teil Zitate aus den christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften oder aus den Schriften unsrer Führerin umfassen, entsprechen nicht den Bestimmungen unsres Kirchenhandbuchs. In solchen wie in andern Fällen, die in den Zeugnis-Versammlungen eintreten, wird ein Leser, der demutsvoll im Dienste des Vaters steht, jederzeit ein kluges, freundliches und gerechtes Verhalten beweisen. Und wenn nach Ablauf seiner Dienstzeit ein Mitbruder in der Wissenschaft seinen Posten einnimmt, so erwartet er nicht, Äußerungen des Bedauerns wegen seines Rücktritts zu vernehmen, sondern er ist zufrieden, wenn die leise, sanfte Stimme der Wahrheit ihm zuflüstert: „Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen.”

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