Mrs. Eddy, die erste Autorität auf dem Gebiete der Christlichen Wissenschaft, sagt: „Krankheit ist weder eingebildet noch unwirklich — d. h. für den erschreckten, verkehrten Sinn des Patienten. Krankheit ist mehr als ein Phantasiegebilde; sie ist feste Überzeugung. Daher muß sie mit dem richtigen Verständnis von der Wahrheit des Seins gehandhabt werden. Wenn das christliche Heilen von bloßen Halbwissern der Wissenschaft mißbraucht wird, so wird es zu einem lästigen Unheilstifter. Anstatt auf wissenschaftliche Weise eine Heilung zu bewirken, wird ein kleinliches Kreuzfeuer auf jeden Krüppel und Kranken losgelassen, und er wird durch die oberflächliche und kalte Behauptung vor den Kopf gestoßen: ‚Dir fehlt nichts‘” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 460). Hieraus geht ganz klar hervor, daß die Christliche Wissenschaft nicht auf Willenskraft beruht, und daß kein Anhänger dieser Lehre zu einem Kranken sagt: „Dir fehlt nichts.”
Jesus sagte: „Und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.” Die Wahrheit befreit uns von Falschem und Irrtümlichem, gleichviel welcher Art. Als der Meister erklärte, „Satanas” habe jenes Weib „gebunden ... nun wohl achtzehn Jahre,” so soll das gewiß heißen, sie sei nicht von der Wahrheit gebunden worden, sondern von einem „Lügner” und dem „Vater derselbigen,” um seine eignen Worte zu brauchen. Kraft seiner Kenntnis der Wahrheit vermochte er den falschen Anspruch des Lügners oder Trügers wahrzunehmen und das Weib zu befreien. Das wahre Beseitigen oder Vernichten des Übels geschieht also nicht durch die Ausübung des Willens, sondern durch geistige Erkenntnis.
Die Christlichen Wissenschafter haben gelernt, alles Böse, alles Leiden und alle Krankheit als Disharmonie, als Irrtum zu betrachten. Um nun sich selber oder andre von einem unharmonischen Zustand zu befreien, ist es nötig, das eigne Bewußtsein über den Einfluß oder Wirkungskreis des Bösen zu erheben, „unter dem Schirm des Höchsten” zu sitzen, „unter dem Schatten des Allmächtigen” zu bleiben. Wenn man diesermaßen verborgen ist mit Christo, und wenn man erkennt, daß der im Bilde Gottes geschaffene Mensch auf ewig unter Seinem Schutze steht, so werden die Verheißungen im einundneunzigsten Psalm von neuem erfüllt, die da lauten: „Es wird dir kein Übels begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen,” und: „Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.” In diesem geheiligten Umgang mit Gott besteht die christlich-wissenschaftliche Ausübung. Sie kann selbst vom oberflächlichsten Beobachter nicht mit Suggestion oder der Ausübung menschlicher Willenskraft verwechselt werden. Mrs. Eddy sagt vom geistigen Sinn, er sei „eine bewußte, beständige Fähigkeit. Gott zu verstehen.” Er zeige „die Überlegenheit eines Glaubens durch Werke über einen Glauben in Worten” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 209).
Jesus bediente sich niemals der Medizin, der Chirurgie, der Willenskraft, des Hypnotismus oder ähnlicher Dinge. Er heilte alle Krankheiten nach ein und demselben Verfahren und sagte: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue ...; denn Ich gehe zum Vater.” Er ging, doch erwartete er von seinen Nachfolgern, daß sie fortdauernd Werke gleich den seinen tun sollten. Ist es nun möglich, Werke wie die seinen auf eine andre Weise zu vollbringen als er sie vollbrachte? Die Geschicklichkeit, mit der ein tüchtiger Chirurg das Messer handhabt, oder die Ausübung seiner Kunst bei einem Knochenbruch stellt man ebensowenig in Frage wie die Fähigkeit eines Tischlers, Holzteile zu Möbelstücken zusammenzufügen. Zu beidem sind Kenntnisse und Geschick erforderlich, wenn auch mehr oder weniger mechanischer Art. Das Amputieren eines Gliedes ist aber keine Heilung, und die Einrichtung eines Knochens und dessen Verwachsung sind zweierlei Dinge. Die Christliche Wissenschaft hat sich in chirurgischen Fällen zur Linderung von Schmerz und zur Verhütung von Entzündung als wirksam erwiesen, auch ist christlich-wissenschaftliche Behandlung oft erfolgreich angewandt worden, wo eine gefährliche Operation vorgenommen werden sollte. Wir dürfen auch in dieser Beziehung nicht die Macht Gottes beschränken, denn während solche Dinge „bei den Menschen ... unmöglich” sind, so doch nicht bei Gott, denn bei Ihm „sind alle Dinge möglich,” wie der Meister sagte.
Solange wir nicht gelernt haben, unbedingtes Vertrauen zu Gott zu haben, und solange wir nicht verstehen, daß wir „in ihm leben, weben und sind,” wird es uns allerdings schwer, die Scheidelinie zu ziehen zwischen „Vertrauen oder Glauben auf der einen Seite, und Medizin, Chirurgie, Willenskraft und dergleichen auf der andern.”
Gott ist ein liebevoller Vater. Er stellt uns dahin, wo Er Arbeit für uns hat. Wenn wir diese Arbeit ausführen, sind wir wahre Diener des Herrn. Er gibt allen Seinen Geschöpfen solche Arbeit, die ihnen Freude macht, wenn sie sie in schlichter und einfacher Weise und in Demut verrichten. Für die Arbeit, die Er uns aufträgt, gibt Er uns stets die nötige Kraft und Weisheit. Wenn wir verwirrt oder müde sind, so ist es unsre eigne Schuld.—