Barmherzigkeit ist der stete Gefährte des wahren Heilers. Ohne sie wirkt eine Darlegung der Wahrheit leicht abstoßend auf das unvorbereitete menschliche Denken und nimmt das Wesen des Buchstabens an, der da tötet. In Verbindung mit der Barmherzigkeit jedoch wird das Absolute mit dem Kleide der Schönheit angetan und mit Freudenöl gesalbt. Nun sei aber gleich von vornherein gesagt, daß Barmherzigkeit nicht mit bloßem Mitleid zu verwechseln ist, denn dieses wirkt leicht als sympathischer Mesmerismus. Barmherzigkeit ist vom Geiste der Wissenschaft durchdrungen, denn sie ist intelligent und versteht die Wahrheit, während das unbelehrte menschliche Mitleid das Böse als wirklich betrachtet und es dadurch verschlimmert.
Auf Seite 25 ihres Buches „Retrospection and Introspection“ schreibt Mrs. Eddy in bezug auf ihre große Entdeckung: „Ich nannte sie christlich, weil sie mitleidsvoll, hilfreich und geistig ist.” Diese christlichen Eigenschaften muß der Christliche Wissenschafter unbedingt besitzen, um zu dem Namen, den er trägt, berechtigt zu sein. Die Heilige Schrift enthält viele Stellen, die erkennen lassen, wie notwendig Barmherzigkeit ist. David nannte Gott „barmherzig und gnädig.” Petrus ermahnte die Christen, „brüderlich, barmherzig, freundlich” gegeneinander zu sein. Als Jesus umherging „und heilete allerlei Seuche und allerlei Krankheit, ... jammerte ihn” des Volkes, „denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.” „Es jammerte Jesum,” als ihn der Aussätzige um Hilfe anrief, und er heilte ihn. Selbst in Fällen, wo er mit großer Entschiedenheit auftrat, waren seine Worte barmherzig, weil sie die Wissenschaft zur Grundlage hatten.
Nun bedarf aber der ausübende Christliche Wissenschafter ebensosehr der Barmherzigkeit wie sein Patient. Macht er Fortschritte, so findet er, daß gerade das Licht, das sein Bewußtsein erleuchtet, ungeahnte Tiefen der Verworfenheit im sterblichen Gemüt enthüllt. Die Jugend wächst zur Reife heran, und wenn ihr während dieses Vorgangs nicht Schutz zuteil wird, bereiten ihr die mitfolgenden Enthüllungen leicht großen Anstoß. Auch der tätige Christliche Wissenschafter hat in manchen Fällen sogenannte „Wachstums-Schmerzen.” Es ist nicht leicht zu beschreiben, wie unangenehm oft derjenige berührt wird, der geistig gesinnt ist, sich dem Bösen gegenüber aber empfindlich zeigt. Gewiß bedarf niemand so sehr des heilenden Erbarmens wie der vorschreitende Christliche Wissenschafter, der zum erstenmal einen Einblick tut in die hohe Potenz der Nichtsheit des tierischen Magnetismus, in den Mesmerismus, die anmaßliche esoterische Magie, oder in irgendeines der vielen absichtlichen Übel.
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