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Die Freude das Erbrecht des Menschen

Aus der Dezember 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Das Bewußtsein eines Christlichen Wissenschafters ist gleich einem lieblichen, stillen Garten, worin sich jeden Tag neue Gedankenknospen entfalten, von dem Tau des Glaubens genährt, von den Winden der Hoffnung erquickt und von dem warmen Sonnenschein der Liebe zu Leben und Schönheit erweckt. Wie die Welt jedes Jahr aus ihrem langen Winterschlaf erwacht, so erwachen auch die Sterblichen unter der belebenden Berührung der Wahrheit früher oder später aus ihrem Schlaf der materiellen Vorstellung, um mit Verwunderung gewahr zu werden, daß sie sich in einer neuen, herrlichen Welt befinden, nämlich im „neuen Himmel” und in der „neuen Erde,” wie Johannes sie sah. Die Tätigkeit, die die gefrorenen Bäche erschließt, die die Hecken mit grünen Girlanden behängt und der zarten Anemone ihr bescheidenes Lächeln entlockt, ist nur ein Teil jener großen geistigen Tätigkeit, welche „die Wüste und Einöde” des hungernden menschlichen Herzens in fruchtbares Land verwandelt, in ein Land der „Lust und Freude.”

Mrs. Eddy fragt: „Wer hätte nicht, wenn er den Verlust menschlichen Friedens fühlte, ein stärkeres Verlangen nach geistiger Freude gewonnen? ... Die Schmerzen der Sinne belehren uns gar bald, daß Sinnenlust sterblich, Freude aber geistig ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 265). Und da die Freude geistig ist, so ist sie ein Teil des ewigen Erbrechts des Menschen. Gottes Idee hat das Recht, glücklich zu sein, denn sie ist sich des Vaters Willen stets bewußt und handelt in Übereinstimmung mit demselben. Es ist für einen Menschen ebenso natürlich, glücklich zu sein, wie für einen Vogel, zu singen. Die Freude ist ein geistiges Besitztum und ist daher unparteiisch und universell — eine stets gegenwärtige Wirklichkeit, ebenso unveränderlich und ewig wie das Gemüt, das sie erzeugt.

Was sagt nun das sterbliche Gemüt dazu? Natürlich widerspricht es kurzweg, geradeso wie es versucht, jede andre Wahrheit Lügen zu strafen. Es erklärt, Freude sei weit davon entfernt, allgemeines Eigentum zu sein, sondern sie sei vielmehr eine seltene Gabe, im Besitze weniger. Es besteht darauf, daß die Freude nicht zum normalen Zustand des Menschen gehöre, sondern unnatürlich sei. Es behauptet ferner, der Mensch lebe naturgemäß „kurze Zeit” und sei „voll Unruhe.” Hiob glaubte dies einst, aber es war, ehe er zwischen dem sterblichen und dem gottgeschaffenen, vollkommenen Menschen zu unterscheiden gelernt hatte. Die allgemeine Ansicht hat sich nicht viel geändert seit zu jener Zeit die verarmte Selbstgerechtigkeit, ihres teuersten Besitzes beraubt, im Staub und in der Asche saß und der falschen Teilnahme falscher Freunde Gehör schenkte.

Hiob wurde für glücklich gehalten, solange seine persönlichen Sinne befriedigt waren, und unglücklich, sobald ihm dieses Wohlgefühl entzogen war. Im allgemeinen stimmt die Welt Hiob bei; sie behauptet, des Menschen Glück bestehe darin, daß er „viel Güter” habe; daher ihre große Anstrengung, diese „Güter” zu erwerben. Sie sagt, Freude sei bedingt durch Reichtum, Macht, Ruhm, weltlichen Erfolg, befriedigten Ehrgeiz, durch viel freie Zeit, um dem eignen Ich zu frönen, kurz, durch alles, was „der Augen Lust und hoffärtiges Leben” bedeutet. Daher vertreiben die Menschen ihre kurze Spanne Zeit damit, daß sie diesen „Schätzen” nachjagen, gerade wie Kinder ein tanzendes Irrlicht zu erhaschen suchen; und dabei wissen sie, daß, wenn dieses sogenannte Glück erreicht ist, sie es nur so lange behalten können wie Zufall und Wechsel es ihnen gestatten, ja daß es nur einer plötzlichen Wendung der verfänglichen Wetterfahne, genannt „Umstände,” bedarf, um es wieder zu verlieren.

Wie wohl tut es einem doch, im Gegensatz zu solchen Gedanken sich daran zu erinnern, daß Jesu reiche Erbschaft, die er seinen Jüngern hinterließ, seine „Freude” in sich schloß. „Solches rede ich zu euch, auf daß meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.” Also sprach der Meister zu den traurigen Jüngern kurz vor dem Gang nach Gethsemane. Man bedenke: seine Freude, wo er doch kurz darauf gekreuzigt werden sollte! Indem wir die in jenem „großen Saal” zu Jerusalem gesprochenen Worte lesen, fühlen wir, daß auf dem Antlitz des Meisters jene hehre Freude geleuchtet haben muß, welche auch auf dem Antlitz seiner Nachfolger leuchtet: das klare, ununterbrochene Ausstrahlen richtiger Gedanken.

Das sinnlose Geflatter vorübergehender Ereignisse vermag die wahre Freude nicht im geringsten ihrer Ruhe und Gelassenheit zu berauben. Paulus schrieb einst, er sei „überschwenglich in Freuden in aller unsrer Trübsal.” Sich freuen will nicht heißen, daß man vor Beschwerden Reißaus genommen, sondern daß man sie überwunden hat. Wahre Freude ist eine Dankesbezeigung für Gottes unendliche Liebe. Sie gleicht nicht der ungestörten Stille eines von der Junisonne beschienenen Gartens, sondern vielmehr der Stimmung in dem nämlichen Garten, wenn nach einem erfrischenden Regen die Blumen ihre duftenden Häupter erheben. Sie ist gleich der Farbenpracht des Regenbogens, der sich gegen die davoneilenden Gewitterwolken abhebt. Sie ist das Gefühl, welches man empfindet, wenn sich die sternenlose Nacht zu Ende neigt und die Drossel mit ihrem fröhlichen Gesang den Tag ankündigt.

Irgendwo in einem stillen Zimmer steht eine feine Vase. Den ganzen Tag leuchtet sie in den verschiedensten Farben, je nachdem die Lichtstrahlen sie treffen. Gegen Abend jedoch, wenn die dunkeln Schatten sich ins Zimmer schleichen, kommt ihre Schönheit erst recht zur Geltung, denn obschon die Farben nach und nach verschwinden, leuchtet sie fort wie ein kleiner heller Stern, lange nachdem alles um sie her in Dunkel gehüllt ist. Erinnert dies nicht an den wahren Christlichen Wissenschafter, der seinen Blick über das Sinnenzeugnis erhebt, sich des Sonnenscheins erfreut und sich in demütiger Selbstentsagung mit seiner Umgebung in Einklang bringt?

Auf Seite 340 von „Miscellaneous Writings” schreibt unsre Führerin: „Das Leben großer Männer und Frauen ist ein Wunder der Geduld und Ausdauer. Wie bei den Sternen, so strahlt jede Leuchte in dem Sternbild menschlicher Größe mit dem wiedergespiegelten Lichte Gottes.” „Eure Freude soll niemand von euch nehmen,” sagte unser Meister. Also fahre fort zu leuchten, du kleiner Stern! Wer weiß, wie viele, die in der Finsternis wandeln, deinen hellen Schein sehen und aus dem Schatten heraustreten werden, um sich mit dir im Sonnenschein der stets gegenwärtigen Liebe zu erfreuen?

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