Eine der schönsten Gaben, die uns die Christliche Wissenschaft bringt, ist die Gelegenheit zu Dienstleistungen, die erhöhte Fähigkeit, dem Nebenmenschen zu helfen, denn dies bedeutet wahren Gottesdienst. Der Ordner oder Platzanweiser in einer Kirche der Christlichen Wissenschaft sollte sich klarmachen, daß er in seinem Amte unsrer großen Sache dient und hierdurch besser befähigt wird, Gott zu dienen. Er muß sich deutlich bewußt werden, daß das Platzanweisen nur ein geringer Teil seiner Aufgabe ist. Wie jede Tätigkeit innerhalb der christlich-wissenschaftlichen Bewegung, so ist auch seine Arbeit tatsächlich ein Heilungswerk, mag er es auch indirekt, unpersönlich und unbewußt betreiben.
Ein Herr bemerkte kürzlich zu einem Ordner: „Ich fühle mich wohler, sowie ich diese Kirche betrete und Ihr Gesicht sehe. Wenn ich müde, abgespannt und niedergeschlagen bin oder mich krank fühle, wird durch den Ausdruck der Liebe, des Friedens und des Vertrauens, den ich hier finde, sofort die Vergegenwärtigung der Wahrheit in mir angeregt, und ich fühle mich frei.” Nicht selten gewinnt der Fremde seinen ersten Eindruck von der Christlichen Wissenschaft in dieser Weise; daher sollte der Ordner alle weltlichen Gedanken aus seinem Bewußtsein ausscheiden, damit nur Liebe, Friede und Geistigkeit durch ihn zum Ausdruck kommen möge. Steht es mit seinem Herzen richtig, dann können Kopf und Hände nicht fehlgehen. Seine Aufgabe, richtig aufgefaßt, ist eine ebenso metaphysische wie die Behandlung von Krankheit. Wenn sich der Ordner die Wahrheit über Gott und den Menschen vergegenwärtigt, wird er zu einer Kraft, die in der Kirche viel Gutes wirkt. Es ist ebenso wichtig, daß er die wahre Bedeutung von Kirche verstehe, wie sie auf Seite 583 von Wissenschaft und Gesundheit gegeben ist, als daß er die Zeit und die Ordnung des Gottesdienstes kenne.
Sodann ist das Amt des Ordners nicht nur als eine Pflicht zu betrachten, sondern auch als ein Vorrecht. Es ist bedauerlich, daß sich so wenig Gelegenheit bietet, der Sache der Wahrheit auf solche Weise zu dienen. Der Ordner muß sich vergegenwärtigen, daß es für jeden Menschen einen rechten Platz gibt und daß Gott „nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens” ist. Er darf nie als einzelner Mensch einen selbstsüchtigen Zweck verfolgen, sondern muß sich als ein Diener der Wahrheit und Liebe die Förderung unsrer Sache zur Aufgabe machen, muß stets bereit sein, dem Bedürftigen einen „Becher kaltes Wassers” in Christi Namen zu reichen.
Wir haben für die vielen empfangenen Wohltaten nur wenig zu geben. Deshalb sollten wir auf jede uns übertragene Arbeit alle Mühe verwenden. Der Ordner darf sich nicht vom regelmäßigen Besuch der Versammlungen abhalten lassen, und er sollte es sich zur Gewohnheit machen, seinen Platz zur festgesetzten Stunde prompt einzunehmen — nicht etwa, weil er fürchtet, sein regelmäßiger Platz könnte vielleicht einem andern angewiesen werden, sondern weil er es für seine Pflicht hält, anwesend zu sein, und weil er weiß, daß Unpünktlichkeit oder Unregelmäßigkeit seiner Leistungsfähigkeit Abbruch tut. Er weiß, daß Pünktlichkeit im Geschäft eine Hauptbedingung ist. Stellt etwa die Arbeit im Dienste des Vaters weniger hohe Anforderungen? Um im Segen arbeiten zu können, muß der Ordner lernen, sich vom göttlichen Prinzip leiten zu lassen, statt sich auf die vermeintlichen eignen Fähigkeiten, Wünsche oder Meinungen zu verlassen. Er muß sich bewußt werden, daß es in der Christlichen Wissenschaft keine Verwirrung gibt, keine Disharmonie, keine Unordnung. Stets sollte er eingedenk bleiben, daß jeder Besucher als ein müder Wanderer kommt, nach Wahrheit suchend, und daß der Ordner eines der Zwischenmittel ist, durch die er sie finden kann.
Der Ordner muß ferner darauf achten, daß sein Tun und Handeln außerhalb der Kirche nicht mit seinem Bekenntnis in Widerspruch stehe. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß die Öffentlichkeit anfängt die Christlichen Wissenschafter als Menschen anzusehen, die nach höheren Idealen streben als die meisten andern Weltbürger. Dieses Urteil muß aber ein jeder von uns rechtfertigen. Er muß die Öffentlichkeit erkennen lassen, daß das Leben des wahren Christlichen Wissenschafters während der sieben Tage der Woche mit seinem Bekenntnis übereinstimmt. Der Ordner sollte sich fragen, ob seine Gepflogenheiten im täglichen Leben das zum Ausdruck bringen, was die Menschen seinem eignen Wunsche nach von den Lehren der Christlichen Wissenschaft halten sollen und was dem Wesen eines wahren Christlichen Wissenschafters wirklich entspricht. Lediglich sich fragen: „Wäre es recht, dies zu tun?” oder: „Würde es mir schaden, so zu handeln?” ist nicht genug.
Zur Veranschaulichung möge folgender Vorfall dienen. Zwei Christliche Wissenschafter trafen sich unlängst auf der Straße, und es entspann sich ein Gespräch, im Verlaufe dessen der jüngere von den beiden sagte: „Vor einigen Tagen begegnete ich einem Ordner, der in unsern Versammlungen gute Zeugnisse abgegeben hat und mir immer viel Achtung einflößte. Zu meinem Erstaunen sah ich ihn auf der Straße rauchen, und sofort sank er um die Hälfte in meiner Achtung, so sehr ich mich auch bemühte, mir die Wahrheit über ihn zu vergegenwärtigen.” Hier handelt es sich nun um ein individuelles Problem, und wir sind gewiß, daß sowohl besagter Bruder wie auch andre diese Gewohnheit früher oder später in der rechten Weise überwinden werden.
Wir denken hier an die Schlußworte von Mrs. Eddys erster Ansprache in Der Mutter-Kirche („Miscellaneous Writings,“ S. 110): „Geliebte Kinder, die Welt bedarf euer und zwar mehr als Kinder denn als Männer und Frauen: sie bedarf eurer Unschuld, Selbstlosigkeit und treuen Liebe, eures unbefleckten Lebens. Ihr müßt ferner wachen und beten, daß ihr diese Tugenden makellos erhaltet und sie nicht durch Berührung mit der Welt verliert. Gibt es ein höheres Streben als das in euch zu erhalten, was Jesus liebte, und zu erkennen, daß euer Beispiel mehr als eure Worte den sittlichen Maßstab für die Menschheit festlegt?” Es ist sicherlich die Pflicht eines jeden Christlichen Wissenschafters, ehrlich und gerecht zu sein, wahr gegen sich selbst und Gott, denn es stehet geschrieben: „Niemand kann zweien Herren dienen.”
