Erkennen die ausübenden Vertreter der Christlichen Wissenschaft und solche, die Heilung suchen, hinreichend den Wert des Frohsinns bei der Überwindung von Krankheit und andern unharmonischen Zuständen, oder lassen sie es bisweilen an der Pflege jenes heiteren Wesens fehlen, das bei der Anwendung der göttlichen, heilenden Wahrheit zur Erlösung der Welt von so hoher Bedeutung ist? In den Sprüchen lesen wir: „Ein fröhlich Herz macht ein fröhlich Angesicht; aber wenn das Herz bekümmert ist, so fällt auch der Mut.” Im Einklang mit diesem Bibelwort sagt auch Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit (S. 395): „Eine übellaunige, mürrische oder falsche Person sollte nicht Pflegerin sein. Die Pflegerin muß fröhlich, ordentlich, pünktlich, geduldig und voll Vertrauen sein — empfänglich für Wahrheit und Liebe.”
In der bildenden Kunst werden die Umstände, welche die Bildsamkeit des zu formenden oder umzugestaltenden Materials beeinflussen, sorgfältig in Erwägung gezogen. Ähnlich ist es in der christlich-wissenschaftlichen Heilweise, die sich auf unerschütterliches Vertrauen auf das höchste Wesen gründet. Hier ist der Frohsinn ein wichtiger Umstand, weil er den Patienten empfänglicher macht, während Niedergeschlagenheit oder Entmutigung die Wiederherstellung des normalen Zustandes und der normalen Tätigkeit von Geist und Körper erschwert. Diejenigen, die die Menschheit zum Gegenstand ihres Studiums machen, darunter viele materialistisch gesinnte Ärzte, haben längst die große Bedeutung des Frohsinns erkannt und dessen Wirkungen beobachtet. Da sie aber weitaus in den meisten Fällen des Verständnisses entbehrten, zu dem die Christliche Wissenschaft führt, so konnten sie aus diesen Beobachtungen nicht die richtigen Folgerungen ziehen. Auf Seite 149 von Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Ein Arzt der alten Schule bemerkte einst mit großem Ernst: ‚Wir wissen, daß das Gemüt den Körper in etwas beeinflußt, und wir raten unsern Patienten, hoffnungsvoll und fröhlich zu sein und so wenig Medizin wie möglich zu nehmen; organische Beschwerden aber kann das Gemüt niemals heilen.‘ Diese Logik hinkt, und die Tatsachen widersprechen ihr.”
Wie denkt sich wohl ein Mensch das höchste Wesen und welchen Anspruch darf er auf Folgerichtigkeit machen, wenn er behauptet, Gott habe die Dinge so eingerichtet, daß übles Denken uns krank machen und selbst das Aufhören der Herztätigkeit herbeiführen könne, zugleich aber bestreitet, daß der göttlichen Anordnung nach gerechtes und gutes Denken das Gegenteil von Krankheit und Tod bewirken könne! Wie der Mensch denkt, so ist er. Sagt nicht Paulus: „Fleischlich gesinnet sein ist der Tod, aber geistlich gesinnet sein ist Leben und Friede”? Dieser Ausspruch des Apostels ist nach christlich-wissenschaftlicher Anschauung von hoher Bedeutung. Die Weisen des Altertums stimmen darin überein, daß ein glückliches Leben, zu dem in der Regel gute Gesundheit gehört, eine Folge der Tugendhaftigkeit ist, und daß Tugendhaftigkeit durch rechtes Denken bedingt wird. Hier sei eine Stelle aus dem siebenten Buch des Werkes über die „Politik” von Aristoteles wiedergegeben. Sie lautet wie folgt: „Was ein glückliches Leben betrifft, sei dasselbe in Vergnügungen oder in der Tugend oder in beiden zu finden, so ist soviel sicher, daß es öfter bei denen zu finden ist, die neben reinen Sitten Geistesbildung besitzen und bei der Erwerbung äußerer Güter Mäßigkeit bewahren, als bei denen, die eine Fülle äußerer Güter ihr eigen nennen, aber des übrigen ermangeln.” Ein jeder wird zugeben, daß Frohsinn ein hervortretendes Merkmal eines glücklichen Lebens ist. Es tut einem ordentlich wohl, wenn man in der Bibel die Stellen liest, wo unser Meister die Traurigen zum Frohsinn ermahnte. Zu einem Gichtbrüchigen sagte er: „Sei getrost, mein Sohn,” worauf er ihn heilte. Und gegen Ende seiner irdischen Laufbahn sagte er zu feinen Jüngern: „Seid getrost, Ich habe die Welt überwunden.” Ferner lesen wir, daß dies die göttliche Botschaft an Paulus war, als er sich dem sterblichen Sinn nach in äußerster Bedrängnis sah. Er vernahm die Worte: „Sei getrost, Paulus!”
Wir sollten Frohsinn als einen ständigen Gast in unsrer geistigen Behausung willkommen heißen. Je mehr wir seine beglückende Gegenwart suchen und pflegen, desto öfter besucht er uns und desto länger verweilt er. Jede Stunde, die wir in seiner Gemeinschaft verbringen, sollte uns mutiger, standhafter, erbarmungsvoller gegen andre machen und unsern Glauben an die göttliche Liebe festigen; und je mehr wir uns diese Eigenschaften aneignen, desto öfter wird der Frohsinn seine Lieder in unserm Herzen anstimmen, bis schließlich alle unsre Tage durch das Licht seiner Gegenwart erhellt werden. Ob wir im Glück lächeln oder wegen widriger Umstände bekümmert sind, ob sich unsre weltlichen Güter zu mehren oder zu vermindern scheinen, ob uns unsre Freunde erhalten bleiben, um unser Leben zu beglücken, oder ob wir sie verlieren: wir können in allen Fällen frohen Sinnes, dankbar, gleichmütig, geduldig, vertrauensvoll und glücklich sein, denn wir haben die Zusicherung, daß uns die beschützenden Arme der unvergänglichen Liebe allerwärts und ewig umfangen.
Wenn wir den Frohsinn als Gast in unserm Bewußtsein zu haben wünschen, müssen wir uns seiner Gegenwart würdig erweisen, denn Frohsinn sucht gleichgesinnte und ihm ebenbürtige Gesellschaft. Seinen stärkenden und erhaltenden Einfluß spürt nicht der eigensüchtige Sterbliche, der nur sich selbst lebt, der sich und andre opfert, um seine Gelüste zu befriedigen, der niedrige Ziele und Maßstäbe des Denkens und Handelns hat, der andre ohne Bedenken leiden und hungern läßt, wenn er nur selbst dadurch zu Wohlstand kommt, der hochmütig und mit Überhebung unter seinen Opfern einherschreitet, und dessen ganzer Lebenslauf ein Hohn auf das wahre Menschentum ist. Einem solchen ist wirklicher Frohsinn nicht beschieden.
Frohsinn ist der Lohn derer, die edel denken und tugendhaft leben. Er läßt sich nicht mit Geld erwerben. Er ist kein Begleiter der Trägheit, oder der Genußsucht, oder des Stolzes, der durch Macht, Stellung oder Reichtum erzeugt wird. Er kommt mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung, mit der Verleugnung des eignen Ich zum Wohle andrer. Er ist das Ergebnis reiner Ideale, hohen Strebens und einer edlen Gesinnung. Ja der sicherste Weg zu dauerndem und höchstem Frohsinn ist Treue gegenüber einem hohem Ideal und völlige Selbstverleugnung. Mag uns auch die Welt mißverstehen, mögen auch Freunde an uns zweifeln, mögen uns Leiden, Gefangenschaft, ja physischer Tod drohen, so braucht es uns doch nicht an Geduld und Mut zu fehlen. Wir können uns vergegenwärtigen, daß unser wahres Selbst göttlichen Ursprungs, göttlicher Art ist, und daß die allerhabene Intelligenz über uns wacht und alles wohl machen wird.
Die Geschichte legt dafür Zeugis ab, daß die Märtyrer einer großen Sache stets frohsinniger waren und einen weit größeren Sieg davongetragen haben als diejenigen, von denen sie verfolgt und unterdrückt wurden.
Gute Musik, nützliche Lektüre und Unterhaltung der rechten Art sind dem Frohsinn förderlich. Vor allen Dingen aber müssen wir nach dem Frohsinn streben, der mit der Anerkennung der Allgegenwart unsres liebenden Vater-Mutter Gottes kommt.
