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Versuchung

Aus der April 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Nachdem Jesus seine demütige Gesinnung bewiesen hatte, indem er sich von Johannes taufen ließ, worauf der Himmel sich über ihm auftat, eine Taube herabfuhr und eine Stimme ertönte, die ihn als Gottes „lieben Sohn” bezeichnete, führte ihn der „Geist in die Wüste, ... auf daß er von dem Teufel versucht würde.” Wie uns erzählt wird, hatte er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet, als der Versucher zu ihm trat.

Wenn man die Schönheit und Herrlichkeit der Christlichen Wissenschaft zuerst gewahrt, will es einem scheinen, als blieben alle materiellen Nöte und Schwierigkeiten dahinten. Mit freudigem Vertrauen beginnt man zu fasten, d. h. jene Enthaltsamkeit in bezug auf alles materielle Wesen zu üben, die, wie uns Jesaja sagt, Gott erwählt hat, um die mit Unrecht Gebundenen loszulassen, die Unterdrückten ledig zu lassen, die Bedrängten freizugeben und wegzureißen allerlei Last. (Jesaja 58, 6). Wir sehen also, daß die Menschen vierzig Tage und vierzig Nächte — eine geraume Zeit — glauben können, sie befänden sich auf einer Stufe, wo der sterbliche Sinn weder auf ihr Denken noch auf ihr Handeln einen Einfluß ausüben könne; sie meinen, sie hätten das Reich des Geistes erreicht wo ihnen selbst die Teufel durch das Verständnis der Wahrheit untertan seien. Dann tritt wohl, wie in der Erfahrung des Meisters, der Versucher eines Tages vor diesen oder jenen, um ihm einzureden, ihn hungere nach menschlichen Dingen, der fleischliche Sinn habe sicherlich Ansprüche auf ihn, es müsse ihm doch das Recht auf manche materielle Dinge zuerkannt werden, und man dürfe gewiß das eigne Verständnis von geistiger Macht zur Erlangung dieser Dinge gebrauchen — den Steinen befehlen, Brot zu werden, die Materie zum Ausdrucksmittel für die Herrlichkeit des Geistes machen.

Diese falschen Begründungen drangen bis an die Schwelle des Bewußtseins Jesu, doch sein klares geistiges Wahrnehmungsvermögen ließ ihn dieselben sofort erkennen, und er wies sie ab mit den Worten: „Der Mensch lebet nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet.” Mit andern Worten: Der Mensch darf die Materie nicht als Träger des Lebens ansehen, denn Gott ist des Menschen Leben, und das Wort Gottes ist seine Speise. Hier handelt es sich um eine Sache, die viel Eifer der rechten Art, viel Demut, Hingabe und Arbeit fordert. Es hieße die Kraft des Gemüts fälschen, wollte man die Kenntnis der „Überlegenheit der geistigen Macht über die sinnliche” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 454) dazu brauchen, dem Körper zu dienen, statt ihn derart unter die Herrschaft der Wahrheit zu bringen, daß die geistigen Bedürfnisse des wahren Menschen und seine geistigen Versorgungsmittel erkannt werden. Wer nicht wachsam ist und daher auf die Stimme des Versuchers hört, kommt immer mehr unter den Einfluß des Irrtums und sieht sich schließlich von Ungewißheit und Dunkel umfangen.

Diesem Angriff auf des Meisters geistige Erkenntnis folgte die Aufforderung, sich von der Höhe seines geistigen Standpunktes herabzulassen. Der Irrtum berief sich sogar auf die Schrift, nämlich, daß, weil er der Sohn Gottes sei, Engel ihn auf den Händen tragen würden, damit er seinen Fuß nicht an einen Stein stöße. War aber dies nicht dieselbe Versuchung in einer andern Gestalt? Sie bezweckte die Anerkennung des materiellen Sinnes sowie Nachgiebigkeit gegenüber demselben. Die Begründung war, daß er als Gottes Sohn unmöglich zu Schaden kommen könne, selbst wenn er seinen rein geistigen Standpunkt verließe und zugäbe, daß der Mensch materiell wie geistig beschaffen sei.

Die dritte Versuchung bediente sich auf den ersten Blick einer ganz andern Begründung, indem menschliche Macht und menschlicher Einfluß in Aussicht gestellt wurde, unterschied sich aber ihrem Wesen nach nicht von den andern. Der Irrtum machte geltend, daß, wenn Jesus den fleischlichen Sinn zum Mithelfer machen und sich seiner Verfahrungsarten bedienen würde, er die Welt beherrschen, ja die Menschheit dazu veranlassen könnte, in das Reich seines Vaters einzugehen und erlöst zu werden, mochte sie wollen oder nicht.

Hier sei daran erinnert, daß Mrs. Eddy ihren Anhängern stets die Weisung gab, sich nicht mit den Gedanken andrer zu befassen, wenn ihre Hilfe nicht gewünscht wird. Im Einklang mit Jesu Lehren hat sie ferner die Christlichen Wissenschafter ermahnt, sich stets ihre mentale und moralische Freiheit zu wahren und zugleich andern das Recht zuzugestehen, ihre menschlichen Probleme nach ihrem Gutdünken auszuarbeiten. Unter den Nachfolgern des Christus haben so manche der Versuchung nachgegeben, anders zu handeln. Die Geschichte verzeichnet das Ergebnis. Als die Urkirche die Dornenkrone gegen eine Fürstenkrone und den ungenähten Rock gegen ein Purpurkleid vertauschte, verminderte sich ihre Kraft und ging schließlich verloren. Nur durch die Wiederkehr zum Standpunkt unsres Wegweisers kann der Welt wieder jene geistige Erleuchtung zuteil werden, die „alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit” als ein Nichts und eine Täuschung erscheinen läßt.

Es scheint als ob sich der Widersacher (das sterbliche Gemüt) immer derselben Versuchung bediene, möge er auch in mannigfacher Gewandung auftreten. Er wendet sich stets an den Eigenwillen, an die Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe, mit der Absicht, zu täuschen und im Bewußtsein einen andern Gott einzusetzen, etwas angeblich Gutes. Selbst nach langem, treuen Dienst und so manchem Sieg kann es vorkommen, daß sich diese listige Stimme Gehör zu verschaffen und ihre Schmeicheleien vorzubringen sucht. Die Entgegnung sollte in Jesu entschiedenen Worten erfolgen: „Heb dich weg von mir, Satan!”

Nicht einen eben erst geistig Erweckten wollte jener falsche Sinn versuchen, sondern den Menschen, der geistige Dinge klar erkannte und der zum Kampf gegen die Welt, das Fleisch und das Böse gerüstet war, den Menschen, der sich auf das Verständnis vom geistigen Gesetz stützen konnte und somit fähig war, durch die Zerstörung der Herrschaft des Bösen der Menschheit werktätige Beweise zu liefern, daß Gott allein mächtig ist.

Wenn Christus Jesus gleich am Anfang seiner Laufbahn die Materie als Person oder Macht anerkannt hätte, so wäre das Licht erloschen, sein Werk wäre ein Fehlschlag gewesen, und die Messias-Botschaft wäre entweder nicht verkündet worden, oder um mit Mrs. Eddy zu reden, sie hätte ihre „wesentliche Lebenskraft” verloren (Wissenschaft und Gesundheit, S. 98). Wir müssen daher auf Schritt und Tritt wachsam sein, damit jede Versuchung für uns ein Überwinden und ein höheres, größeres Werk bei der Aufrichtung des Reichs Gottes auf Erden bedeute, wie dies bei unserm Meister der Fall war.

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