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„Gottes Haus”

Aus der April 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im achtundzwanzigsten Kapitel des ersten Buchs Mose, wo wir die Geschichte von Jakobs Traum von der Himmelsleiter lesen, kommt der Ausdruck „Gottes Haus” zum erstenmal in der Bibel vor. Bekanntlich befand sich Jakob unterwegs von Beer-Seba nach Haran und blieb in Lus über Nacht. Auf offenem Felde, mit einem Stein als Ruhekissen, träumte ihm, er sehe eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reichte und auf der die Engel Gottes auf- und niederstiegen. Als er erwachte, wußte er, daß er in der Gegenwart Gottes geweilt hatte und nahm daher an, jene Stätte sei ein heiliger Ort. Er rief aus: „Hie ist nichts anders denn Gottes Haus, und hie ist die Pforte des Himmels.” Hierauf „nahm er den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Mal ... und hieß die Stätte Beth-El.” Dann gelobte er sich, daß nach glücklicher Ausführung seines Unternehmens auf seiner Heimkehr der Stein, den er zu einem Mal aufgerichtet hatte, zum „Gotteshaus” werden sollte.

Vom geistigen Standpunkt aus betrachtet, umfaßt dieser primitive Begriff einer Betstätte alle Erfordernisse eines Tempels oder einer Kirche, denn es handelt sich hier um einen Ort, wo ein Mensch unmittelbar mit Gott redete und die Zusicherung des geistigen Schutzes empfing. Die Leiter, die Jakob im Traume sah, war ein Sinnbild der Stufen, die vom Irdischen zum Himmlischen führen. Die aufsteigenden Engel bedeuten die nach Gerechtigkeit strebenden Gedanken, währenddem die von Gott herniedersteigenden Engel die geistigen Ideen darstellen, die die Menschheit auf ihrem mühsamen Weg ermutigen und aufmuntern. An jenem einsamen Ort, der frei war von dem Prunk und dem Zeremoniell einer kirchlichen Feier, war sich Jakob der Gegenwart Gottes so klar bewußt, war er der erhaltenen Verheißung so gewiß, daß er vertrauensvoll erklärte: „Alles, was du mir gibst, des will ich dir den Zehnten geben.”

Jakobs unmittelbares Verlangen, der Dankbarkeit gegen Gott Ausdruck zu geben, bekundete seine Erkenntnis des Prinzips alles wahren Gebens und Empfangens. Dieses Abgeben des Zehnten war das Urbild des „Dankopfers,” welches Moses später in der Wüste einführte und durch welches die levitische Kirchenherrschaft aufrecht erhalten wurde. Es war also kein Sühnopfer, sondern eine Gabe, die ihn an den unsichtbaren Geber erinnern sollte. Nach ungefähr zwanzig Jahren, als Jakob der Besitzer zahlreicher Herden geworden war und nunmehr Israel hieß, erinnerte er sich seines Gelübdes und kam zurück, um es zu erfüllen. Hierauf erschien ihm Gott abermals und wiederholte Seine Verheißungen; und an dieser Stelle, wo der Herr ihm zweimal erschienen war, errichtete er einen steinernen Altar und widmete ihn dem „El-Beth-El,” d. h. dem „Gott des Hauses Gottes.”

Die Gottesdienstfrage kommt erst im zweiten Buch Mose wieder zur Sprache. Vierhundertunddreißig Jahre lang hatten die Nachkommen Jakobs im Lande Gosen gelebt, als Gott dem Moses im feurigen Busch erschien und ihn beauftragte, die Israeliten aus Ägypten zu führen. Einer der Zweifel, die Moses angesichts eines solchen Unternehmens hegte, war, daß die Leute nicht glauben würden, daß Gott ihm erschienen sei. Er sah sogar ihre Frage voraus: „Wie heißt sein Name?” Es erforderte viele Zeichen und Wunder, bis das geistige Bewußtsein der Kinder Israel erwacht war, ja erst nach langem Murren und nachdem sie unumstößliche Beweise erhalten hatten, erkannten sie Jehova als ihren Gott und Moses als ihren Führer an. Drei Monate nach dem Durchzug durchs Rote Meer, am Fuße des Berges Sinai, wurde die ebräische Priesterherrschaft gegründet. Moses verkündigte das Gesetz und das Volk rief einstimmig: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun.”

Von da an können wir die allmähliche Entwicklung der jüdischen Priesterherrschaft und die fortwährenden Eingriffe des ägyptischen Materialismus beobachten. Der ursprüngliche Begriff von „Gottes Haus,” wie Jakob ihn in seinem Traum bekommen hatte, scheint von der levitischen Priesterschaft nie völlig erfaßt worden zu sein. Samuel kam dem Verständnis von Immanuel oder „Gott mit uns” wohl am nächsten; aber der Psalmist schrieb von der nächsten Generation: „Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen.”

Mit der Zeit wuchs der Same Jakobs zu einem großen und mächtigen Volk heran, und Israel erfreute sich des allgemeinen Friedens. Der sehnliche Wunsch des Königs David ging in Erfüllung, als der herrliche Tempel von seinem Sohne Salomo in Jerusalem erbaut wurde. An jenem denkwürdigen Tage, der Einweihung des Tempels, stand Salomo in der Mitte der Sänger, Priester und Ältesten Israels und betete: „So habe ich nun ein Haus gebauet dir zur Wohnung und einen Sitz, da du ewiglich wohnest.” Und wohl wissend, daß eine irdische Behausung den Unendlichen nie zu fassen vermag, rief der König aus: „Sollte in Wahrheit Gott bei den Menschen auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel kann dich nicht fassen; wie sollte es denn das Haus tun, das ich gebauet habe?”

Jesus säuberte den Tempel von den Wechslern und Krämern. „Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber habt eine Mördergrube draus gemacht.” Er erklärte dem Weib aus Samaria, daß wahres Beten nicht auf eine besondere Stätte beschränkt sei, sondern daß Gott, da Er Geist sei, „im Geist und in der Wahrheit” angebetet werden müsse. Und genau diese Art des Gottesdienstes ist es, die Mrs. Eddy durch die Kirche Christi, der Scientisten, wieder eingeführt hat.

In ihrer Botschaft anläßlich der Einweihung der Ersten Kirche Christi, der Scientisten, in Concord, N. H., macht Mrs. Eddy den wahren Zweck der Gründung von Kirchen klar. Sie schreibt: „Wir errichten Kirchengebäude, damit die Christen darin Gott anbeten sollen, und nicht, damit sie Kirchengebäude anbeten sollen” („The First Church of Christ, Scientist, and Miscellanny,“ S. 162). Der wahre Begriff von Kirche und Gottesdienst, wie er in obigem Zitat ausgedrückt ist, bedingt, daß man ein „Täter des Worts und nicht Hörer allein” sei. Deshalb kommt die Gegenwart Gottes in einer Kirche in dem Maße zum Ausdruck, in dem die Mitglieder geistig erwacht sind. Wenn eine Anzahl Leute an einem gewissen Ort zusammen kommen und alle von dem gemeinsamen Wunsche beseelt sind, ihre Erkenntnis von Gott zu bereichern, so wird die Stimmung allgemein anregend und inspirierend.

Die Aufgabe, vor die jeder Christliche Wissenschafter gestellt ist, nämlich, sich ein eignes Gebäude richtiger Ideen zu erbauen, in welchem Gottes Engel stets Herberge finden, scheint anfangs überwältigend in ihrer Größe. Unsre geliebte Führerin flößt uns jedoch Mut ein, wenn sie sagt: „‚Das Reich Gottes ist inwendig in euch.‘ Dieses geistige Bewußtsein ist daher eine gegenwärtige Möglichkeit” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 573). Jeder Sieg einer richtigen Idee über eine falsche Vorstellung bedeutet einen neuen Stein in dem wahren Tempel des Charakters. Jeder innere Kampf, bei dem wir als Sieger hervorgehen, bedeutet, daß wir auf der Leiter geistigen Fortschritts eine Stufe gestiegen sind und einen klareren Ausblick auf das wahre Himmelreich erlangt haben.

Johannes beschreibt in der Offenbarung seine Eindrücke vom neuen Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel herabfuhr. Er sah kein Kirchengebäude, denn der Tempel dieser neuen Stadt war „die Herrlichkeit Gottes.” Dieses Gesicht des Johannes hat eine auffallende Ähnlichkeit mit Jakobs Traum zu Beth-El, übertrifft ihn aber an Erhabenheit. Jakob sah zweifellos eine vom geistigen Himmel getrennte materielle Erde; aber Johannes erkannte die Einheit der wahren Erde und des wahren Himmels, denn der frühere Begriff von Himmel und Erde war vergangen.


Der Haß ist eine läst’ge Bürde,
Er senkt das Herz tief in die Brust hinab
Und legt sich wie ein Grabstein schwer auf alle Freuden.

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