Dank ihrem geistigen Wahrnehmungsvermögen, mit welchem sie so reichlich ausgerüstet war und welches sie zum Heil der Menschheit gebrauchte, sah Mrs. Eddy klar voraus, daß eine der größten Gefahren, welche der ihr so teuren Sache der Christlichen Wissenschaft drohen, in jenem Zustand des sterblichen Gemüts besteht, den sie „rein persönliche Zuneigung” genannt hat (Kirchenhandbuch, S. 40). Aus den Satzungen Der Mutter-Kirche, aus Mrs. Eddys beratenden und ermahnenden Briefen wie auch aus Wissenschaft und Gesundheit kann selbst der oberflächliche Leser ersehen, daß dieser Feind, den unsre Führerin anderswo als „persönliche Ansteckung” bezeichnet („The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany,“ S. 116), dem geistigen Wachstum der Christlichen Wissenschafter sehr hinderlich ist.
In den Schriften unsrer Führerin finden wir durchweg die Ermahnung, uns von der Herrschaft des persönlichen oder materiellen Sinnes loszumachen und die Leitung des göttlichen Prinzips zu suchen. Mit andern Worten, wir sollen das Zeugnis der materiellen Sinne widerlegen und das unendliche Gemüt als unser aller Vater, als den Gesetzgeber anerkennen. „Das Vertrauen auf irgend etwas andres,” schreibt Mrs. Eddy auf Seite 153 von „Miscellany,“ „führt die Vernunft irre, läßt die Macht Gottes außer acht, ... sucht eine Stütze an der Persönlichkeit und mißachtet das göttliche Gesetz der Liebe.” Auf diese Weise suchte sie die Christlichen Wissenschafter von dem Einfluß falscher und veränderlicher sterblicher Anschauungen zu befreien und sie der unveränderlichen Weisheit und den ewigen Wirklichkeiten des göttlichen Gemüts zuzuführen, wie ja auch Jesus den Begriff von Persönlichkeit rügte, als er sagte: „Ich nehme nicht Ehre von Menschen. ... Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmet, und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht?” Bei einer andern Gelegenheit wies er alles eigne Verdienst von sich und schrieb seine Erfolge ganz und gar seinem liebevollen Gehorsam gegen den Willen Gottes zu. „Der Vater aber, der in mir wohnet, derselbige tut die Werke,” sagte er.
In den ersten Jahren des Bestehens unsrer Kirche hatten die meisten Gemeinden nur einen Lehrer der Christlichen Wissenschaft, und die Mitglieder waren naturgemäß zum großen Teil Schüler dieses Lehrers. Obschon nun ein solches Verhältnis persönliche Kontrolle begünstigte, was gewiß zu bedauern ist, so war es doch als ein Ergebnis der Umstände entschuldbar. Im Laufe der Entwicklung nun, die unsre Bewegung erfahren hat, sind die meisten unsrer Gemeinden derartigem entwachsen — aber leider noch nicht alle.
Daß in dieser Richtung Gefahr droht, hat also Mrs. Eddy vorausgesehen, ebenso wie sie die Gefahr erkannte, die entstehen würde, wenn die Leser in unsern Kirchen auf unbestimmte Zeit im Amte blieben, und deshalb den Zweig-Kirchen den Rat gab, die Amtszeit ihrer Leser auf drei Jahre zu beschränken. Der Segen, den das Eingehen auf diesen Wunsch gebracht hat, ist allen Christlichen Wissenschaftern offenbar. Ein gleicher Segen wird unsrer Bewegung dadurch erwachsen, daß in allen unsern Kirchen der Geist sowohl wie der Buchstabe von Abschnitt 9, Artikel XXIII unsres Kirchenhandbuchs befolgt wird. Dieser Abschnitt lautet: „Die Mutter-Kirche und die Zweig-Kirchen sollen ihre Mitgliedschaft nicht auf die Schüler eines Lehrers beschränken.”
Unter den Gefahren, welche der Bewegung der Christlichen Wissenschaft in all den Jahren ihrer Entwicklung gedroht haben, ist wohl keine, die so hinterlistig ist wie die, welche dadurch herbeigeführt wird, daß man zu großes Gewicht auf menschliche Anschauungen legt und der menschlichen Persönlichkeit nachfolgt. Wie deutlich sind doch die Warnungen unsrer Führerin hinsichtlich dieses Punktes! Zum Glück hat es stets solche gegeben, die mit ihrer Erkenntnis vom göttlichen Gemüt und mit ihrer Entschlossenheit, diesem Gemüt treu zu bleiben, der genannten Gefahr entgegengewirkt haben, wobei sie aber große Selbstverleugnung üben und oft unsäglich leiden mußten.
In Kirchen, wo die Frage von „mein und dein” nicht die Gemüter der Mitglieder beherrscht, ist die Gelegenheit zu individuellem Wachstum und individuellen Wahrheitsbeweisen viel größer als in den Kirchen, die sich zu sehr auf menschliche Meinungen und menschliche Führerschaft verlassen, uneingedenk des Rates unsrer Führerin: „Jeder Schüler soll und muß sein Problem des Seins selbst ausarbeiten, in dem Bewußtsein, daß Gott mit ihm wirkt und er keiner persönlichen Hilfe bedarf” („Miscellaneous Writings,“ S. 283). Wie ein jeder einsehen sollte, ist in der Christlichen Wissenschaft Personenkult sehr unweise denn er wirkt stets nachteilig.
