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„Sei nicht ungläubig”

Aus der April 1916-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Beim Lesen der Geschichte vom ungläubigen Thomas muß man sich nur wundern über den hartnäckigen Zweifel dieses Jüngers. Dabei kann man sich die Tiefe der Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit vorstellen, in welche ihn dieser schlimme Fehler gestürzt hatte. Wie eindrucksvoll ist doch der sanfte, liebevolle Vorwurf, den ihm der Meister machte: „Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!”

Je mehr man über diese Begebenheit nachdenkt, desto mehr erkennt man, wie jeder hemmende Zweifel etwas von dieser Hartnäckigkeit an sich hat, und wie wir alle um die zum Glauben nötige Empfänglichkeit beten müssen. Der Glaube eines Menschen wird nicht nur durch eine vernunftgemäße Auffassung bestimmt, sondern auch durch anerzogene Neigungen und Empfindungen, vor allem aber durch den Willen. Als der Meister sagte: „Heb dich weg von mir, Satan!” wies er sämtliche materielle Regungen und Vorstellungen zurück, besonders jenen vorgeblichen Gewaltherrscher, der in der Christlichen Wissenschaft das sterbliche Ich genannt wird. Dieses Ich ist unser „eigentlicher Feind,” um mit Mrs. Eddy zu reden („Miscellaneous Writings,“ S. 10).

Wie kläglich ist doch der Zustand eines Menschen, der trotz aller ihm zu Gebote stehenden Nahrungsmittel dem Hungertod entgegensieht, weil er nicht schlucken kann. Er veranschaulicht den Zustand dessen, der wohl überzeugende Beweise von der Richtigkeit einer wichtigen Behauptung erhalten hat, sie aber wegen seiner ererbten und anerzogenen Gemütsart scheinbar nicht anzunehmen vermag. Gewiß ist jeder wissenschaftliche Fortschritt, jede gesunde geistige Entwicklung von jenem Zweifel begleitet, der logisches Denken und überzeugende Beweise fordert, ehe eine aufgestellte Behauptung Glauben finden kann. Wer jeder noch unerprobten Theorie, jeder neuen Lehre ohne weiteres Aufnahme gewährt, macht wohl manche interessante Erfahrungen, erreicht aber nichts Nennenswertes, und kein kluger Mensch wird ihn um seine „Weitherzigkeit” beneiden. Ebenso schlimm ist jedoch ein solcher dran, der sich nicht überzeugen läßt, einer, der unbewußt stolz geworden ist auf seine vermeintliche unerschütterliche Wahrheitstreue, wenn sie auch tatsächlich nichts andres ist als eine sektiererische Abgeneigtheit, über einen gewissen Kreis hinauszudenken. Diese Thomas- Art ist sehr weit verbreitet.

Der Schüler der Christlichen Wissenschaft wird bald gewahr, daß er in dieser Hinsicht eine große Befreiung erfahren hat. Wie ein Krebs, falls er sich weigerte, seine letztjährige Schale zu verlassen, ein Zwerg bleiben würde, so wird ein Mensch, welcher gewohnheitsmäßig alles abweist, was die Unhaltbarkeit seiner Anschauungen dartut, in seinem geistigen Wachstum gehindert. Auf jeder Lebensstufe ist Gelehrigkeit ein notwendiges Erfordernis zum Wachstum.

Zwei Tatsachen treten in dieser Geschichte von Thomas klar hervor: des Jüngers hartnäckiges Bestehen auf der Unverletzlichkeit materieller Gesetze, und des Meisters Bereitwilligkeit, ihm auf seiner eignen Stufe entgegenzukommen. Thomas hatte wiederholt und wiederholt die Macht des Geistes über physische Gesetze beobachtet, einschließlich der Erweckung von Toten, wie er denn auch vom Meister gehört hatte, daß dieser am dritten Tage nach der Kreuzigung auferstehen werde; und doch glaubte er nicht. Sein Unglaube ließ ihn nicht nur an seiner Hoffnung verzweifeln, sondern war auch in Anbetracht seiner vielen günstigen Gelegenheiten und seines Bekenntnisses höchst tadelnswert. Ähnlich aber verhält es sich mit vielen gläubigen Christen unsrer Tage. Sie geben zu, daß Jesus und seine Jünger die Kranken durch geistige Mittel geheilt haben, sie glauben an die Unveränderlichkeit des göttlichen Gesetzes, und es ist ihnen von vielen Mitjüngern gesagt worden, daß Christus, die Wahrheit, wiedergekommen ist und in unsrer Mitte Sünde, Krankheit und Tod vernichtet; und doch glauben sie nicht.

Dieser hartnäckige Zweifel ist eine der beklagenswertesten Erscheinungen unsrer Zeit, ja aller Zeiten. Aber wie im Fall des Thomas weicht er immer mehr der mitleidsvollen und überzeugenden Wirksamkeit der Christus-Idee in der Christlichen Wissenschaft.

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