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Befreiung

Aus der Januar 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein sehr hilfreicher Aufsatz in einer unsrer Zeitschriften brachte eine Gefühlssaite bei mir zum Schwingen und ließ mich die süße Erfahrung wiedererleben (das Wort süß bedeutet unter anderm melodisch), die ich durchmachte, als unsre Führerin die allwöchentlichen Zeugnisversammlungen für uns einrichtete. Soweit ich zurückdenken kann, litt ich unter einem Gefühl äußerster Befangenheit und empfand eine peinliche Abneigung dagegen, vorwärtszugehen, wenn nicht ein andrer die Initiative ergriff. Ich war in einer Glaubensanschauung auferzogen worden, die ihre gemeinsamen Gebete, Riten und Zeremonien mit Ehrfurcht beobtete und ein Abweichen von denselben für unmöglich hielt; aber ich vermochte immer weniger mit jener Ungezwungenheit zu handeln, die ich bei andern so bewunderte.

In den Jahren treuer Anhängerschaft an dieser kalten Lehre war ich stets krank, ohne Hoffnung auf Befreiung von Furcht und Leiden, bis die Christliche Wissenschaft auf mein müdes Selbst schien und die Schatten vertrieb. Daß ich von einem beständigen Angstgefühl befreit wurde und Zuversicht, Mut und Kraft erlangte, war eine unausbleibliche Folge der Änderung meines Gottesbegriffs. Er führte mich auf ganz natürliche Weise aus der alten Kirche heraus, ohne daß ich dabei ein andres Gefühl als das des Friedens und der Freude gehabt hätte — der Freude darüber, endlich einen Gott zu haben, der alle schwierigen Fragen beantworten würde, die meine „geistlichen Ratgeber,“ so gewissenhaft und aufrichtig sie auch waren, stets mit den Worten abtaten: „Das ist ein Geheimnis, in das du jetzt nicht eindringen kannst.“

Während der erwähnten Zeit meiner Kränklichkeit empfand ich eine unnatürliche Angst vor Menschen, und ich brauche daher kaum zu erwähnen, daß es mir nicht möglich gewesen wäre, vor einer Anzahl Menschen zu sprechen, noch viel weniger hätte ich Erfahrungen berichten können, wie man sie in unsern Mittwochabend-Versammlungen zu hören bekommt. Übrigens war nach meiner ritualistischen Erziehung eine derartige „Regelwidrigkeit“ unerlaubt. Die vielen Segnungen, die mir der heilende Christus täglich brachte, ließen in meinem Gemüt Danklieder erklingen und erfüllten mich mit dem Verlangen, den von unsrer Führerin gewiesenen Weg gehorsam zu gehen. Eine meiner ersten Gelegenheiten, meine Aufrichtigkeit zu beweisen, kam, als unsre Führerin auf dem Arbeitsfelde die Zeugnisversammlungen anordnete, und zwar mit folgenden inspirierten und inspirierenden Worten: „Erweitert eure Grenzen, damit ihr die Menschen segnen könnt. ... Lernt vergessen, was ihr nicht im Gedächtnis behalten sollt, nämlich das eigne Ich, und lebet für das Gute, das ihr tut. Seid demütig; euer Motto für diese Versammlungen sei: Wer wird der Geringste, wer wird Diener sein; und ‚Kindlein, liebet einander‘ “ (Journal, Jahrgang XIII, S. 41).

Segensvolle Worte! Mein erstes Gefühl war das der Dankbarkeit; dann erhob der persönliche Sinn Einwand, als ich erkannte, daß ich diesem Ruf denselben Gehorsam schuldete, als ob es außer mir keinen Christlichen Wissenschafter auf Erden gäbe. Wenn man einem Feind entgegentreten muß, ist es nie klug, die Tätigkeit zu verschieben, durch die er überwunden wird, denn die Suggestionen der persönlichen Annahme schwächen das Streben, bis Entschuldigungen wegen Ungehorsams gegen das göttliche Prinzip uns als berechtigt erscheinen. Auf Seite 341 von „Miscellaneous Writings“ haben wir unschätzbare Belehrungen über das „Übel der Untätigkeit und Verzögerung.“ In meiner Erfahrung fragte die sanfte Stimme der Liebe: „Möchtest du wirklich helfen, die Grenzen zum Segen der Menschen zu erweitern?“ Und sie erweckte in mir ein bereitwilliges Entgegenkommen. Dann kam die Frage: „Fürchtest du dich, der Frau zu folgen, die von Gott auserwählt wurde, die Botschaft Seiner Liebe zu übermitteln? Führt sie uns je dem Selbst oder dem Bösen?“ Und für beide Fragen gab es nur eine Antwort. Wie um meine Aufrichtigkeit gründlich auf die Probe zu stellen, kam die weitere Frage: „Möchtest du die Segnungen vermissen, die der Gehorsam stets bringt?“ und darauf: „Willst du dein Teil tun?“ Dann war es mit dem Fragen zu Ende.

Als die praktische Anwendung kam, nämlich aufzustehen und die heilende Wahrheit zu bezeugen, war ich bereit, obschon mein heftig pochendes Herz und mein trockener Hals mich zum Schweigen gebracht und auf meinem Sitz festgehalten hätten, wenn ihr Zeugnis für mich wahr gewesen wäre. Der Wert jeder derartigen Erfahrung liegt im Bezwingen jenes sogenannten Selbst, dessen Befürchtungen, Leiden und Gefahren so wirklich geschienen haben, daß sie für unvermeidlich und all-beherrschend gehalten werden. Wenn wir beim tatsächlichen Bezwingen dieser Unwahrheiten lernen, daß sie uns nicht festhalten, so wissen wir, daß es das Gesetz des Gemüts ist, das die Annahme von einem von Gott getrennten Selbst aufgehoben hat.

Es kann jemand Mrs. Eddy als die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft offen anerkennen und doch nicht des Umstandes gedenken, daß dies die Entdeckung all der Mittel und Wege in sich schließt, durch die die Wissenschaft im menschlichen Bewußtsein entfaltet und aufgerichtet wird, „bis daß wir alle,“ wie der Apostel Paulus sagt, „hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohns Gottes und ein vollkommner Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi.“ Wenn wir in vollem Maße erkennen, was es unsre geliebte Führerin gekostet hat, den Weg zu weisen, dann werden wir gewiß eifrig nach den Vorschriften forschen und den Vorschriften gehorchen, die uns dazu verhelfen, in der Tat und in der Wahrheit Christliche Wissenschafter zu werden, wie entschieden auch das eigne Ich verleugnet werden muß. Die Antwort unsrer Führerin an einen Schüler, der Obiges ihr gegenüber betonte, lautete: „Das geht den Dingen auf den Grund und bezeichnet die Bedürfnisse dieser Stunde.“ Wir müssen einen guten Wachtposten ausstellen, damit der Feind des geistigen Fortschritts das Denken nicht trüben und uns nicht veranlassen kann, uns zu entschuldigen, weil wir nicht freudig das befolgt haben, was dadurch, daß es einen segnet, alle segnet.

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