Für den Christlichen Wissenschafter drückt das Wort Prinzip die Wahrheit aus, daß Gott „unendliche Person“ ist, unbegrenzt in Erkenntnis und Güte, wie das Lehrbuch erklärt. An andrer Stelle lesen wir: „Gott ist Liebe. Er ist daher das göttliche, unendliche Prinzip, das Person oder Gott genannt wird“ (Wissenschaft und Gesundheit, SS. 116 u. 302). Falls wir einstmals dachten, wir könnten in unsrer Gedankenkammer im Geheimen sechs Tage in der Woche arbeiten und dann am siebenten Tage unser weltliches oder selbstsüchtiges Denken dadurch verdecken, daß wir Frömmigkeit zur Schau trugen, so verschwand dieser ganze Täuschungsversuch mit dem ersten Schimmer der Erkenntnis, daß Gott Prinzip ist.
Man hört zuweilen den Einwand, daß das Wort Prinzip für den Betreffenden etwas Kaltes, Scharfes, Unerbittliches bedeute. Die tatsächliche Demonstration des Heilens bringt jedoch die Gewißheit mit sich, daß Prinzip Trost, Hilfe, Zuverlässigkeit bedeutet — die Wärme des Lebens, die Freude der Rechtschaffenheit. Es bedeutet die Nähe des Himmels, wenn man erkannt hat, daß das Prinzip auf Grund seiner Allgegenwart den Menschen regiert, daß es alle seine Schritte himmelwärts lenkt. Die Heilige Schrift beschreibt dies genau mit den Worten: „Von dem Herrn wird solches Mannes Gang gefördert, und er hat Lust an seinem Wege.“
Früher waren die Menschen gewohnt, Gott für so persönlich zu halten, daß sie sich die göttliche Erkenntnis als beschränkt dachten, als so beschränkt, daß Er notwendigerweise nach dem Ansehen richten mußte. Verlangte Er z. B. Lobeserhebungen und hörte Er den lauten Beifall der Menge, so konnte Er von den umherschweifenden Gedanken eines einzelnen Verehrers keine Kenntnis haben. Verlangte Er ein Fasten, so war es möglich, Ihm dadurch zu gefallen, daß man, wenn man auch im Geheimen schwelgte, vor den Leuten das Angesicht verstellte und zu fasten schien. Verlangte Er Gebete, so befriedigten Ihn häufige wohlriechende Weihrauchwolken statt der Herzensdemut und des geläuterten Verlangens. Lange und prahlerische Gebete vor der Öffentlichkeit konnten einen günstigen Eindruck machen und geheime Bosheit verdecken. Hieraus ergibt sich, daß, wenn man einen persönlichen Begriff von Gott hat, das unausbleibliche Ergebnis Pharisäismus ist, und diesen verdammte Jesus aufs Entschiedenste als etwas, was für den Menschen ein Weh bedeutet und keinen Segen. Er sagte: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor! Darum werdet ihr desto mehr Verdammnis empfahen.“
Der persönliche Begriff von Gott bedeutet somit eine Trennung zwischen Ihm und dem Menschen, oder, ins Praktische übertragen, eine Trennung zwischen dem Menschen und dem Guten; er bedeutet, daß man nur bei besonderen gottesdienstlichen Gelegenheiten oder bei Ereignissen, die man als Tage der Abrechnung bezeichnen könnte, sich den Schein des Guten gibt. Diese Anschauung bedeutet ein Leugnen der göttlichen Allgegenwart und Allwissenheit. Wenn wir aber die Lehre der Christlichen Wissenschaft annehmen und Gott als unendliche Person erkennen — als vollkommenes, allmächtiges, allgegenwärtiges, allwissendes Gemüt —, dann wird es uns klar, wie nutzlos es ist, uns und die Gottheit durch falschen Schein täuschen zu wollen. Wir hören vielleicht die Menschen sagen, daß „der Schein trügt,“ erkennen aber, daß ihre irreführenden Vorstellungen weder das unendliche Gemüt, noch den, der von diesem Gemüt regiert wird, beeinflussen können. Von dem göttlichen Boten heißt es: „Er wird nicht richten, nach dem seine Augen sehen, noch Urteil sprechen, nach dem seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und recht Urteil sprechen den Elenden im Lande.“ Christus Jesus wurde also genau und unfehlbar vom Prinzip geleitet, von dem er nicht einen Augenblick getrennt war.
Das Erscheinen der Erkenntnis des Prinzips ist wie das Aufgehen der Sonne nach einer stürmischen Nacht. Aber hier hört der Vergleich auf, denn nach dem menschlichen Kalender gibt es einen Sonnenuntergang, während es in der Metaphysik heißt: „Diene Sonne wird nicht mehr untergehen.“ Wenn man erst das Licht angenommen hat, wird es einem nie mehr vorenthalten. Gott regiert buchstäblich als göttliches Prinzip jeden Beweggrund und jede Tat, so daß inmitten weltlicher Verwirrung Friede und trotz „Kriegen und Kriegsgeschrei“ die gewisse Zuversicht herrscht, daß die Allmacht der Liebe selbst dann heilen kann, wenn die Menschen den Kummer und das Leiden der Menschheit zu vermehren scheinen.
Da nun „der Tag des Herrn“ schon so vielen erschienen ist, so muß Sein Licht für alle leuchten. Diejenigen, die in ihrem blinden Streben einen Augenblick innehalten, sagen wohl: Zeig uns das Heil unsers Gottes. In allen Fällen, wo diese Frage aufrichtig ist, können die Christlichen Wissenschafter sie dadurch beantworten, daß sie das Prinzip als den allgegenwärtigen Führer kund tun und über ihre Heilung Zeugnis abgeben. Welchen Wert hätten denn unsre Zeitschriften für die Welt, wenn sie nicht ein öffentliches Tribunal wären, wo Angaben, Bezeugungen und Beweise der Tatsache dargebracht werden, daß Gott Erwachsenen wie auch Kindern genau als unendliches Prinzip bekannt ist, d. h. als unerschöpfliche Liebe, an deren Mildtätigkeit der Mensch teilnimmt, von deren unaufhörlichen Güte er nie getrennt werden kann.