Beim Nachdenken über die ganze folgende Erfahrung ist mein Herz von Dank erfüllt gegen den liebenden Vater, der uns bei einem kürzlichen Unfall zur See geführt, behütet, erhalten und befreit hat. Jede unsrer Handlungen an jenem Tage war ein zum Ausdruck gebrachter Gedanke, und daß er eine Wiederspiegelung des göttlichen Denkens war, ist gewiß aus dem Endergebnis zu ersehen. Den ersten rettenden Gedanken hatten wir, als wir meinen Klappstuhl an einen andern Ort brachten. Er hatte auf dem Vorderteil des Schiffes gestanden, aber weil mein Mann dachte, es würde für mich am andern Ende des Schiffes wärmer und bequemer sein, brachte er mich dahin. Als die Explosion erfolgte, wurde der Ort, wo ich eben noch gesessen hatte, völlig zertrümmert.
Es war ein schöner Tag. Mein Mann stand am Geländer gelehnt neben mir und ließ den Blick über das Wasser schweifen, als er in der Ferne die Spur eines Torpedos sah und ausrief: „Ein Torpedo kommt!“ Gleich darauf gab es einen Krach, und eine Flutwelle bedeckte den Schiffsteil, auf dem wir uns befanden, während der Bug, wie mit einem Messer abgeschnitten, versank. Ich verwunderte mich sehr, als ich mir nach einigen Augenblicken bewußt wurde, daß wir uns noch unversehrt auf dem Schiff befanden. Wir nahmen unsre Mäntel ab und halfen einander die beiden Rettungsgürtel anlegen, die eine Armeslänge von uns hingen. Dann standen wir allein da, denn die andern waren alle nach hinten gestürzt. Ich fragte, wo wir hin sollten. Meinem Manne, der mit Sicherheit annahm, daß das Schiff in wenigen Minuten sinken werde, fiel nun ein, daß ihm ein Freund, der Passagier auf einem versenkten Schiff gewesen war, gesagt hatte, wir sollten im Fall eines Schiffbruchs hoch steigen. Somit begaben wir uns nach vorne und stiegen auf die Kommandobrücke, wo Rettungsboote hingen. Eines wurde gerade herabgelassen, und wir sprangen mit etwa fünfzehn andern Personen hinein, unter denen ich mich als einzige Frau befand, weil die Treppe zur Kommandobrücke weggeschossen und diese daher nur schwer zu erreichen war.
Mir war wohl bekannt, daß schon viele Rettungsboote beim Herunterlassen umgekippt sind, doch wußte ich, daß es ein Gesetz Gottes gibt, das unsrer Not abhelfen konnte, daß dieses Gesetz wirksam ist, und daß wir auf Grund desselben unbeschadet aufs Wasser gelangen würden. Und so war es auch, obwohl mindestens fünfzehn Personen ins Boot sprangen, während es langsam an der Schiffswand niederging. Gerade als wir wohlbehalten auf dem Wasser waren und vom Schiff abstießen, drang Wasser in das Boot, so daß wir ausschöpfen mußten — mit Hüten, mit Mützen, mit Handtaschen, mit irgend etwas, was wir finden konnten. Alle fürchteten, wir würden sinken, aber Gottes Gesetz, im Sinne der Christlichen Wissenschaft verstanden, war da, um alles zu ordnen, und nach einer kleinen Weile hörte das Lecken auf.
Viel Schwierigkeit bereitete der Umstand, daß wir uns nicht gegenseitig verständigen konnten, weil so viele Nationalitäten vertreten waren. Nicht weit von uns schwamm eine Frau im Wasser und rief um Hilfe, und wir sowie ein wackerer junger Engländer ruderten auf sie zu, die andern aber in entgegengesetzter Richtung, da bereits fünfzehn Personen mehr im Boot waren, als es eigentlich tragen durfte. Wir hatten einen Führer nötig, und die göttliche Liebe wurde dieser Führer. Sie veranlaßte die andern, mit uns zu rudern, und wir konnten somit ohne weiteren Einspruch noch sechs andre personen retten.
So ruderten wir denn in völliger Eintracht mehrere Stunden lang in der Nähe des Schiffes umher, durften aber noch nicht an Bord, da vorderhand nicht mit Sicherheit anzunehmen war, daß das Schiff über Wasser bleiben würde. Nun erhob sich plötzlich auf der bis dahin ruhigen See ein Wind, es bildeten sich dunkle Wolken, und einige Schneeflocken fielen. Verzweiflung bemächtigte sich vieler, denn wir wußten, daß weder das Schiff noch unser kleines Boot stürmischem Wetter Stand halten konnte. Unser Boot war so schwer beladen, daß eine einzige Sturzsee die größte Gefahr für uns bedeutet hätte. Da kamen mir mit völliger Klarheit die Worte aus dem Aufsatz „Das berichtigende Gesetz Gottes“ in den Sinn (Broschüre „Law and Work,“ Übersetzung im Herold vom März 1916): „Ist ein Mensch mitten auf dem Ozean am Ertrinken, und keine Menschenhilfe ist in der Nähe, so kann ihn das Gesetz Gottes, wenn er es in der rechten Weise anruft, aus der Notlage erretten.“ Ich schloß die Augen gegenüber der menschlichen Furcht und dem Leid um mich her, und rief dieses Gesetz an. Es war keine Menschenhilfe zur Hand, aber Gott ist überall. Er hat alle Macht und kann zu den Wellen sprechen: „Schweig und verstumme.“ Und Er tat es.
Einige Augenblicke später war der Sturm vorüber, und wir wurden aufs Schiff zurückgerufen, denn es schien, als würde es über Wasser bleiben, bis Hilfe käme. Es vergingen mehrere lange Stunden bis zur Ankunft eines Dampfers, und wie ernstlich betete ich doch, daß wir von einem nach Frankreich fahrenden Schiff gerettet werden möchten. Wir befanden uns nämlich auf der Heimreise nach der Schweiz, wo wir, obgleich wir Amerikaner sind, seit neun Jahren gelebt hatten. Dann kam der Befehl: „Erst die Frauen!“ worauf diese auf den andern Dampfer gebracht wurden. Hierauf wurde ein Seil befestigt, an dem sich die Männer von unserm Dampfer zum andern herunterlassen konnten. Mein Mann und ich hatten alles zusammen durchgemacht, und ich wollte nicht zuletzt noch von ihm getrennt werden. Deshalb warteten wir, bis außer mir keine Frau mehr an Bord war, und wurden dann zusammen hinübergebracht. Gleich darauf ertönte das Signal zur Abfahrt, und ich vernahm zu meiner großen Freude, daß Frankreich unser Reiseziel war.
Die Fahrt durch die finstere, kalte Nacht, die jedermann in der Befürchtung verbrachte, daß uns vielleicht ein weiteres Torpedo erreichen könnte, verging gewiß nicht zu schnell, und wir waren dankbar, als wir etwa zwölf Stunden nach dem Unglück landeten. Natürlich waren wir naß und kalt und hatten leichte Verletzungen und Quetschungen davongetragen; aber Gottes Gesetz war zur Hand, um angerufen zu werden, und alles wurde überwunden. Ein jeder, der dies liest, wird mir sicher beistimmen, daß Gottes Willigkeit und Fähigkeit, zu erretten, in diesem Fall in wunderbarer Weise demonstriert wurde.