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Der letzte Feind

Aus der Dezember 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es hat wohl nie ein größeres Hindernis zwischen dem sterblichen Menschen und seinem Glück und Frieden gestanden als seine Vorstellung vom Tod und seine Furcht vor demselben. Daher besteht die Notwendigkeit (die zur heutigen Stunde wohl dringender ist als je zuvor), daß man einen richtigen Begriff von diesem Gegenstand erlange — daß man einigermaßen die Tatsache erfasse, die Jesus bewies, daß der Tod hier und jetzt überwunden werden kann, daß man ihn als das erkennen kann, was er in Wirklichkeit ist, nämlich die gleiche Täuschung wie das Zusammentreffen von Himmel und Erde am fernen Horizont. Jesus Christus hat „dem Tod die Macht“ genommen, wie Paulus sagt (man merke wohl auf die Worte), hat den Vorhang zurückgezogen und „Leben und ein unvergänglich Wesen ans Licht gebracht.“

Nun ist es aber noch keinem gelungen, den Horizont zu erreichen, wenn mit diesem Wort der Berührungspunkt von Wasser und Himmel gemeint ist, noch hat ein Mensch ihn je überschritten. Er ist nichts als eine Täuschung. Der Reisende, der scheinbar auf den Horizont zufährt, erreicht ihn niemals. Er hat ihn stets vor sich, er ist für ihn stets unerreichbar. Wohl kommt es den Leuten am Ufer vor, als ob das Schiff, auf dem sich der Reisende befindet, am Horizont verschwinde; aber die an Bord sind sich keiner Veränderung bewußt. Der Horizont ist ihnen immer voraus, bis sie schließlich einsehen, daß er in Wirklichkeit nicht besteht. Für den Seemann ist der Horizont weder Ding, Ort noch Reiseziel, und er erkennt, daß er ihn nie durchkreuzen kann. Er erkennt ihn als die Grenze seines Sehvermögens, und er weiß, daß, wenn er die Welt von der Unermeßlichkeit des Raumes aus betrachten könnte, der Horizont nicht mehr vorhanden sein würde. Die Menschen am Ufer verlieren die Menschen auf dem Schiff aus dem Auge; diese aber fahren in der angenehmen Gesellschaft ihrer Reisegefährten weiter, und wenn sie dann in ein anderes Land kommen, begegnen sie alten Freunden und schließen neue Freundschaftsverhältnisse mit denen, die sie da treffen. Es gibt kein Überschreiten des Horizontes, und in demselben Sinne keinen Durchgang durch den Tod. Sagte nicht unser Meister: „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich“?

Und trotzdem hat sich die Welt seit Jahrtausenden von dieser Annahme fesseln lassen. Wir können die Freiheit nur durch eine wahrere, vollkommenere Auffassung vom Leben erlangen, d.h. indem wir die große Tatsache erkennen, daß gerade so wie die Behauptung, daß zwei mal zwei vier ist, keine Grenzen kennt und keinem Wandel unterworfen ist, so auch das, was wir von der Wahrheit, was wir von Gott wissen, hier und jetzt, nicht erst in künftiger Zeit ewiges Leben ist. Je mehr wir in dem Bewußtsein dieses Lebens leben, wird auch unsere Ebenbildlichkeit mit dem Ewigen allmählich so wachsen, daß es nur dem Beobachter am Ufer der Zeit vorkommt, als hätten wir den Horizont durchkreuzt. Wir werden immer mehr mit uns in die Ewigkeit nehmen und immer weniger zurücklassen, bis wir, wie Johannes, einen neuen Himmel und eine neue Erde sehen können, ohne die Grenzlinie, die man den Tod nennt, überschreiten zu müssen. Mrs. Eddy sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 598): „Ein Augenblick göttlichen Bewußtseins oder das geistige Verständnis von Leben und Liebe ist ein Vorschmack der Ewigkeit. Diese erhabene Anschauung, die erhalten und festgehalten wird, wenn die Wissenschaft des Seins verstanden ist, würde die Zwischenzeit des Todes mit geistig erkanntem Leben überbrücken, und der Mensch würde in dem vollen Bewußtsein seiner Unsterblichkeit und seiner ewigen Harmonie sein, wo Sünde, Krankheit und Tod unbekannt sind.“

Die Christliche Wissenschaft erklärt das sterbliche Dasein als einen Traum, aus dem die Menschen erwachen müssen. Nun ist aber eine der Eigentümlichkeiten beim Erwachen aus dem Traum die, daß sich Vergangenheit und Gegenwart berühren; der Zusammenhang ist wieder hergestellt, und in diesem Zusammenhang findet der Traum keinen Raum. Der sterbliche Mensch erklärt sich die Zeit zu seiner eigenen Zufriedenheit. Er erkennt, daß der Traum nur ein Traum war, und daß die Welt, wie er sie kennt und wie sie ihn kennt, sich weiterbewegt hat, während er schlief. Und da der sterbliche Mensch an diese Auffassung gewöhnt ist, läßt er den Traum oberflächlich als „Traum“ gelten und fügt dann der Zahl seiner Erdenjahre einen ganzen Tag hinzu.

Wir denken in diesem Zusammenhang an Mrs. Eddys treffende Frage, was für ein Unterschied denn eigentlich zwischen dem Traum im schlafenden Zustand und dem Traum im wachen Zustand bestehe. Sie kommt zu dem einzig richtigen Schluß, nämlich, daß sie gleich sind. Wenn dem so ist — und selbstverständlich ist dem so — dann wird das Erwachen aus diesem Traume ebenso wie das Erwachen aus dem Traume, den man im Schlaf hatte, von dem Bewußtsein begleitet sein, daß man zur Erkenntnis der Wirklichkeit erwacht ist, zur Erkenntnis eines Daseins, das einem wonnevoll vertraut ist. Man sieht ein, daß man nur einen Traum zurückgelassen hat. Einem Menschen, der aus dem Traum erwacht, den er im Schlaf hatte, braucht man nicht zu sagen, er sei erwacht, und das, woraus er erwacht sei, sei nur ein Traum gewesen. Er weiß das, ohne daß man es ihm sagt. Gerade so ist es beim Erwachen aus dem Traum des Todes. Dieses Erwachen ist jedoch in der Regel keine plötzliche Veränderung, sondern ein allmählicher Vorgang. Es bedeutet das fortwährende Ablegen jeder Gott unähnlichen Vorstellung, verbunden mit der wachsenden Erkenntnis der großen Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft, bis man die Unwirklichkeit, das Nichtvorhandensein des Todes einsieht und dann eine wenn auch anfangs nur unvollkommene, später aber immer klarere Einsicht in die Tatsache gewinnt, daß der Mensch „weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens“ hat. Und gerade dann, wenn das menschliche Bewußtsein beim Gedanken an die unzähligen Jahrhunderte des Seins verwirrt ist, erkennt man, daß Zeit inmitten solcher Unermeßlichkeit eine Sinnwidrigkeit ist, und daß es nichts gibt außer dem „ewigen Jetzt.“ Vergangenheit und Gegenwart fallen zusammen in der Erkenntnis des unendlichen Prinzips, in der Erkenntnis, daß Gott „gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ ist, und daß der Mensch Sein Bild und Gleichnis ist. In dieser Erkenntnis gibt es keinen Tod und keine Hölle.

Auf Seite 428 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt Mrs. Eddy: „In diesem erhabenen Moment ist es das Vorrecht des Menschen, die Worte unsres Meisters zu beweisen: ‚So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich,‘ “ und auf Seite 426 sagt sie: „Wenn die Todesannahme vernichtet und das Verständnis erlangt würde, daß es keinen Tod gibt, so würde dies ‚ein Baum des Lebens‘ werden, der an seinen Früchten zu erkennen ist.“ Die Menschen unserer Zeit haben es sehr nötig, sich von der falschen Annahme frei zu machen, daß der Tod unvermeidlich sei. Der einzige Tod, den es gibt und je geben kann, ist der Tod eines sterblichen Begriffs von den Dingen, und von dieser Art Tod kann derjenige, der Gott so erkennen lernt, wie Ihn die Christliche Wissenschaft offenbart, mit Paulus sagen: „Ich sterbe täglich.“ Dieses tägliche Sterben wird schließlich in dem Bewußtsein eines jeden einzelnen „dem Tode die Macht“ nehmen, indem es „Leben und ein unvergänglich Wesen“ ans Licht bringt. Das Grauen vor dem Tode, das im menschlichen Bewußtsein besteht, beruht auf dem Grauen vor dem Unbekannten, und gerade dieses Grauen beginnt die Christliche Wissenschaft sofort zu entfernen. Die Fortschritte, die wir in dieser Wissenschaft machen, befähigen uns, von den wahren Gedanken, die täglich mehr Raum in unserem Bewußtsein einnehmen, zu sagen: Diese Gedanken sind allezeit mein. In diese Gedankenwelt kann ich stets eintreten, in ihr kann ich stets verweilen; dies ist wahrlich Wahrheit, Gott, ewiges Leben. Immer mehr werden diese Gedanken zunehmen, bis schließlich keine anderen Gedanken mehr eindringen können und der Schüler erkannt hat, daß er nur noch das kennt, was ewig ist — daß er geborgen ist vor Disharmonie und Verfall. Er erkennt somit, daß die Möglichkeit des Todes für ihn verschwunden ist, daß vor ihm und hinter ihm nur das unendliche Leben ausgebreitet liegt. Die Worte Jesu: „Ehedenn Abraham ward, bin Ich,“ und sein weiterer Ausspruch: „Ich und der Vater sind eines,“ sind ihm nun völlig klar.

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