Für Nationen, deren Staatseinrichtung auf der Grundlage des Friedens beruht, ist es naturgemäß eine große Überraschung, wenn sie sich im Krieg verwickelt sehen. Ist eine Nation auf der Kriegsbasis, so bedeutet das vom metaphysischen Gesichtspunkte aus, daß sie fortwährend Krieg führt — d. h. sie denkt Krieg, sie plant Krieg, sie bereitet sich auf den Krieg vor; und wenn dann dieser mentale Kampf zum physischen Kampf wird, setzt das kriegerische Volk einfach öffentlich fort, was es im geheimen eingeübt hat. Man ist kaum überrascht, und es finden fast gar keine Verschiebungen statt. Die Erzeugnisse für das Militär und die Marine sowie die finanziellen, industriellen und landwirtschaftlichen Produkte fließen in die Kanäle, die ihnen angewiesen worden sind, die Bürger denken vorschriftsmäßig, Kirche und Staat mischen ihre Ingredienzen in vorher bestimmten Quantitäten, und die subventionierte Presse kontrolliert die Tagesneuigkeiten. Wo die Probleme des Vorbereitetseins im voraus ausgedacht worden sind, findet das Überschreiten der gedachten Linie zwischen Krieg und Frieden ohne große Störung für die kriegerische Nation statt.
Nun wird vielleicht jemand sagen, der entscheidende Faktor sei vergessen worden, nämlich die göttliche Zustimmung. Aber keineswegs. Die kriegerische Nation gibt sich mit einer falschen Psychologie ab, erkennt aber, daß die Menschheit Gottes Zustimmung begehrt, und kommt daher diesem Verlangen entgegen. Sie erdenkt einen falschen Gott und bringt ihn an die Front, so daß nach der Kriegserklärung der Vormarsch gegen eine friedliche Nation stattfinden kann, ohne daß lästige religiöse Fragen in den Vordergrund treten. Die kriegerische Nation besteht darauf, daß ein Übereinkommen oder ein Konkordat zwischen Kirche und Staat nötig sei, auf Grund deren die Kirche als Gegenleistung für empfangene Dienste sich anheischig macht, diesen falschen Gott bis zu Ende des Krieges an der Front zu halten. Keine wohlgerüstete kriegerische Nation kann ohne ein derartiges kirchliches Anhängsel zuwege kommen.
Ganz anderer Art ist das Problem einer friedliebenden Nation, die vom Krieg bedroht wird. Indem sie bei anderen Nationen wohlwollende Absichten voraussetzt, paßt sie sich in gewissem Maße den individuellen Rechten und den Idealen der Freiheit und Erleuchtung an, so genau, wie ihre Einsicht es ihr erlaubt. Ihre Produkte finden ihren Markt ohne Rücksicht auf internationale Politik, ihr Militär und ihre Marine sind unansehnlich. Wenn dann der Krieg eintritt, erfährt jeder Zweig menschlicher Tätigkeit eine ernste Störung, und in der Herstellung von Kriegsgeräten muß ganz von vorne angefangen werden. Die Verehrung Gottes und die Ausübung der Religion überläßt man in erleuchteten Nationen dem Gewissen des einzelnen. Aber der letztgenannte scheinbare Nachteil in Kriegszeiten wird schließlich zur Ehre Gottes ausschlagen, und „der Grimm der Menschen“ wird Gott preisen (Zürcher Bibel, Ps. 76, 11).
Der tätige Christliche Wissenschafter nimmt weder die mentale Haltung einer kriegerischen Nation noch die einer ausgesprochen friedliebenden Nation ein. In gewissem Sinne führt er stets Krieg und lebt dennoch stets im Zustand des Friedens. Das menschliche Bewußtsein ist das Schlachtfeld. Auf demselben kämpft der geistige Sinn mit materiellen Vorstellungen, die Erkenntnis des ewigen Lebens mit einem vermeintlichen Gegenteil, das Metaphysische mit dem Kirchentum, Krankheit mit Gesundheit, Sünde mit Heiligkeit. Die Erfahrung jedes Christlichen Wissenschafters verbietet ihm einerseits, Krieg zu verursachen, und andererseits, ihm auszuweichen. Er ist auf irgendein Ereignis vorbereitet, denn seine Glaubenslehre befähigt ihn, jede Art des Bösen als unwirklich und jede Kundwerdung des Guten als unzerstörbar zu erkennen. Er läßt sich nicht durch die Erscheinungsformen des Bösen täuschen, die im Namen des Guten von der materialistischen Religion, Medizin und Wissenschaft angepriesen werden. In den Schriften Mrs. Eddys wird das menschliche Dasein sehr oft als eine Schlacht dargestellt. Mrs. Eddy warnte ihre treuen Nachfolger vor versteckten Feinden und machte sie auf den kommenden Konflikt aufmerksam. Hätte doch die Welt ihren inspirierten Worten Beachtung geschenkt!
Vor einer Reihe von Jahren sagte Mrs. Eddy gelegentlich einer Feier des vierten Juli, die auf einen Sonntag fiel: „Nie zuvor ist ein so ernster und entschiedener Aufruf zu inniger Gottergebenheit und absoluter Hingabe an die allergrößte und heiligste Sache ergangen, wie Gott ihn heute an uns ergehen läßt. Die Stunde ist gekommen. Wir stehen vor der Schlacht von Harmegedon. Die Mächte des Bösen haben sich verschworen gegen den Herrn und gegen seinen Christus, wie er in der Christlichen Wissenschaft zum Ausdruck kommt und wirksam wird. Große Scharen sind Tag und Nacht in verzweifelter Arglist am Werke, Angriffe auf uns ins Werk zu setzen. Ihre Gesinnung und ihre Absichten sind tödlich, und sie haben dem Leben unserer Bannerträger Vernichtung geschworen“ (Miscellaneous Writings, S. 177). Diese Worte sind prophetisch, und der Entwicklungsgang der christlich-wissenschaftlichen Bewegung hat aus ihren Anhängern mentale Helden gemacht, die für den Frieden des Christus eintreten.
Das menschliche Bewußtsein, das von der Christlichen Wissenschaft durchsäuert ist, bleibt jedoch nicht auf dem Schlachtfelde, nachdem der Sieg errungen ist. Gott war nicht in dem Aufruhr, den der menschliche Sinn erzeugte. Gott ist stets in Seinem Eigentum, wo Er wacht und wartet und die geistige Individualität, die Christus-Idee, den wahren, gottgeschaffenen Menschen schützt und pflegt. Dieser Mensch, der in der absoluten göttlichen Wissenschaft wohnt, spiegelt die friedliche und aufbauende Tätigkeit des göttlichen Gemüts wieder, denkt im Einklang mit diesem Gemüt, ist rein geistig, hat nichts von Kugel und Bombe zu fürchten, steht zur See unter göttlichem Schutz und liegt nicht in den Banden irgendwelcher falscher Vorstellungen. Dieser gottgeschaffene Mensch hat kein doppeltes Wesen, das Krieg herbeiführt und dann Frieden erklärt, sondern ist eine vollkommene Einheit. Er spiegelt den ewigen Frieden und die Kraft Gottes wieder, die alles Böse vernichtet. Dieser Mensch ist, wie Mrs. Eddy auf Seite 475 von Wissenschaft und Gesundheit sagt, „die zusammengesetzte Idee Gottes und schließt alle richtigen Ideen in sich; der Gattungsname für alles, was Gottes Bild und Gleichnis wiederspiegelt; die bewußte Identität des Seins, wie wir sie in der Wissenschaft finden, in welcher der Mensch die Wiederspiegelung Gottes oder des Gemüts ist und daher ewig ist.“
Der Soldat oder Matrose, der den Menschen als Gottes Idee klar erkennt, ist geistig im Zustand des Friedens, während er physisch am Krieg teilnimmt. Er führt geradezu einen Talisman des wahren Verständnisses bei sich, der ihn inmitten der sterblichen Raserei zu Land und zur See schützt. Der Gefangene im Feindesland ist sicher und geborgen unter dem Schirm des Höchsten. Das Mutterherz lernt in der Christlichen Wissenschaft, wie man einen Sterblichen aufgibt und den wahren Menschen gewinnt. Rahel trauert dann nicht mehr. Die bösen Absichten des Herodes sind vereitelt worden. Die Christus-Idee ist geborgen im Schoße des Vaters.