Energie ist ein Lieblingswort der Physiker. Mit demselben beschwören sie eine ganze Reihe von Zuständen herauf und versuchen eine Menge Dinge zu erklären. Dem Christlichen Wissenschafter jedoch erscheinen zuweilen solche Versuche, über sogenannte Ursachen und Wirkungen Aufschluß zu geben, fast lächerlich. Eine dieser letzten Aufklärungsversuche kam dem Schreiber dieses Aufsatzes vor einigen Tagen zur Kenntnis. In einer wissenschaftlichen Zeitschrift erschien nämlich der Abriß eines Vortrages, der vor einer Gelehrtengesellschaft gehalten worden war und der den Titel „Der Ursprung und die Entwicklung des Lebens“ führte. Wenn man den Redner richtig zitiert hat, so versuchte er in dem Vortrag zu zeigen, daß das Leben „aus lebenskräftiger Energie“ besteht, „die sich in Wirkung, Rückwirkung und Wechselwirkung äußert und in der Ausdruckweise der lebenskräftigen Energie erklärt wird.“ Das beständige Forschen nach dem Ursprung des Lebens zeigt uns deutlich die Rastlosigkeit des sterblichen Gemüts und läßt uns erkennen, wie dieses Gemüt, trotzdem es behauptet, Schöpfer sowohl als Geschöpf zu sein, keineswegs mit diesem Ergebnis zufrieden ist. Wie vorteilhaft ist es da, sich an Mrs. Eddys Worte auf Seite 249 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ zu halten: „Laßt uns die göttliche Energie des Geistes empfinden, die uns in die Neuheit des Lebens bringt, und die nicht anerkennt, daß eine sterbliche oder materielle Kraft fähig ist zu zerstören.“
Der Prophet Jesaja gibt uns eine herrliche Darlegung der Allmacht Gottes, und die Heilige Schrift erklärt überall, daß Gott Geist ist. Dies bedeutet unanfechtbares Zeugnis, und die logische Folgerung ist die, daß Gott, Geist, gleichbedeutend ist mit Energie. Mithin ist die einzige wahre Energie die Energie des Prinzips, Gottes, des Guten.
Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß Energie eine Eigenschaft der Wahrheit ist, der Kraft, die den verzweifelten Kranken heilt, dem Herzen neue Hoffnung bringt und die bleichen Wangen färbt. Die Wahrheit war es, die Lazarus aus dem düsteren Grabe hervorrief und ihn seinen trauernden Schwestern wiedergab. Auch heutzutage heilt die Wahrheit Tausende und erfüllt Zehntausende mit neuem Mut. Jesus wußte, daß Gott der Ursprung aller Kraft und Energie ist, denn er sagte: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, ... werdet [ihr] die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch freimachen.“ Er wußte, daß die Menschen die Erkenntnis dieser Wahrheit erst dann erlangen, wenn ihre Herzen von reinem und heiligem Verlangen erfüllt sind.
Der Apostel Johannes kam zu dem Schluß, daß die Liebe das Kennzeichen Gottes sei. Hieraus ersehen wir deutlich, daß Liebe auch gleichbedeutend sein muß mit göttlicher Energie. Liebe ist der Quell in uns. Sie macht unsere Herzen zu Kanälen für das Wasser des Lebens, sie verleiht uns durch jeden freundlichen Antrieb Gesundheit, weil sich in einem von Liebe erfüllten Herzen kein Raum für irgend etwas findet, was Gott, dem Guten, unähnlich ist. Die göttliche Energie hat alles gemacht, und alles, was Gott gemacht hat, ist gut. Daher ist das Weltall nur mit Gutem erfüllt, und das Böse findet weder Raum darin, noch besitzt es Wirklichkeit. Aber die Sterblichen setzen in ihrer Unwissenheit sterbliche Annahmen an Stelle der reinen vollkommenen Ideen des Geistes. Das bringt Sünde, Weltlichkeit, Krankheit, Habgier, Sinnenlust, Trunksucht und Tod mit sich.
Früher oder später müssen jedoch alle einsehen lernen, daß diese Illusionen des sterblichen Gemüts unwirklich sind. Dann werden diese verschwinden, wie die Wasser des Bergstromes, die ein Wolkenbruch getrübt hatte, sich wieder klären, wenn sie dem Ozean zufließen. Liebe, die Energie des göttlichen Gemüts, leitet den Menschen auf Pfade des Friedens, der Harmonie und der wahren Brüderlichkeit — nicht so, wie das sterbliche Gemüt es selbst in der besten Absicht wünscht, sondern gleich liebenden, sorgsamen Eltern, die bestimmen, was am besten für die Kinder ist, selbst wenn denselben die Weisheit ihres Entschlusses nicht gleich einleuchtet.
Mit der einzigen Ausnahme der Mathematik sind alle sogenannten exakten Wissenschaften weit davon entfernt, exakt zu sein, wie jeder aufmerksame Schüler zugeben muß. Ja, wenn man einen Einblick in die Experimente der Vergangenheit tut, von den zuerst aufgezeichneten bis zu denen der Jetztzeit, so muß man zu der Erkenntnis kommen, daß die Naturwissenschaft einem beständigen Wechsel unterworfen ist. Die ersten Beobachter physischer Erscheinungen machten Experimente und leiteten ihre Schlüsse von denselben ab. Diese Schlüsse wurden dann von anderen Forschern umgestoßen, und so ging es weiter bis auf unsere Tage herab, wo die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen von ebenso kurzer Dauer sind wie zu Anfang. Mag es auch widersprechend klingen, so scheint doch aus der Finsternis der Ungewißheit heraus ein Lichtstrahl, denn von der Zeit des Archimedes und seiner Wasserschraube an bis zur Gegenwart sind die Ergebnisse der meisten empirischen und anderen Versuche aufgezeichnet worden; und sie zeigen, in der Perspektive der Jahrhunderte gesehen, nur die Vergänglichkeit materialistischwissenschaftlicher Voraussetzungen. Dies hat den unabhängigen Denker veranlaßt, Halt zu machen, und einige sind zu dem Schluß gekommen, daß die Materie durchaus nicht das ist, was sie zu sein scheint, und daß Substanz und Energie keineswegs von einem materiellen Standpunkte aus erklärt werden können.
Die Behauptung, daß der Lebensfunken mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten durch die Materie ins Dasein gerufen worden sei, ist, gelinde ausgedrückt, Götzendienst. Es ist unbegreiflich, wie der menschliche Scharfsinn, der z. B. die Zeit einer Sonnenfinsternis Tausende von Jahren vor dem Eintritt derselben berechnen oder die Stellung des Planeten Neptun nach den scheinbar unregelmäßigen Bewegungen anderer Himmelskörper feststellen kann — wie dieser Scharfsinn aus der zufälligen Verbindung einiger chemischen Elemente hervorgegangen sein könnte. Ebensowenig kann man sich vorstellen, daß das allerhabene Gemüt die Vollendung seines Werkes chemischen Wirkungen überlassen hätte, nachdem es das Weltall mit seinen unzähligen Sonnen erschuf, die jede den Mittelpunkt eines Sonnensystemes bilden, von denen unser eigenes, so weit wir wissen, nur das kleinste ist, und die sich alle nach bestimmten Gesetzen bewegen.
Die Christliche Wissenschaft entscheidet die ganze Frage in bezug auf Energie einfach, klar und bestimmt, indem sie Gott, das Leben, als Ursprung allen Seins und aller Wirkung anerkennt und in der allerhabenen, unendlichen Intelligenz die Kraft sieht, die das Weltall durch das Wirken eines geistigen Gesetzes regiert. Diese übersinnliche Offenbarung ist das Ergebnis der Arbeit einer edelgesinnten Frau, die sich im Jahre 1866 durch das, was sie „die lebendige, pulsierende Gegenwart des Christus, der Wahrheit“ nannte (Wissenschaft und Gesundheit, S. 351), plötzlich geheilt sah und dann durch eingehendes Forschen in der Heiligen Schrift entdeckte, daß es ein beständig wirkendes Gesetz gibt, das, richtig verstanden, heute gerade so wie zu Jesu Zeiten heilt. Solcher Art ist das Werk Mary Baker Eddys, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft. Ihr verdanken Tausende auf der ganze Erde das Wiedererlangen ihrer Gesundheit, ihres Glücks und ihrer Freiheit.