Wenn wir von der Welt reden, so meinen wir damit ihre Bewohner, wie ja auch dem Jona bedeutet wurde, daß er Nineve nicht als eine Abstraktion ansehen dürfe, die nur dazu da sei, seine Prophezeiung zu rechtfertigen, sondern als eine große Stadt, in welcher „mehr denn hundert und zwanzig tausend Menschen“ waren, die nicht wußten, „was recht oder link ist, dazu auch viel Tiere.“ Wo Grausamkeit herrscht, leiden die Tiere mit den Menschen, weshalb die ganze Kreatur in Erwartung des Guten der „Offenbarung der Kinder Gottes“ harrt. Wenn sich die Menschen erst willig von dem Christus, der Wahrheit, leiten lassen, dann wird der Fluch nicht mehr die Erde verwüsten, noch werden die, so auf Erden wohnen, sich im Elend befinden; mit anderen Worten, die Zustände werden aufhören, welche das Ergebnis der Übeltaten der Erdenbewohner waren, von denen gesagt werden mußte: „Sie übertreten das Gesetz und ändern die Gebote und lassen fahren den ewigen Bund.“
In unseren Tagen denkt man sich unter dem Wort Tyrann stets einen, der obrigkeitliche Gewalt mißbraucht. Als in Griechenland das erbliche Königtum einer freien Regierungsform gewichen war, gelangten Menschen gar oft durch Betrug und Gewalttaten zur Machtstellung, und ein solcher wurde dann Tyrann genannt. Das Wort hatte also mehr Bezug auf die rücksichtslose Anmaßung der Gewalt als auf die Art und Weise, wie diese Gewalt gehandhabt wurde. Um dann aber die despotische Macht aufrechtzuerhalten, wurden Gesetz und Menschentum erfahrungsgemäß sehr oft außer acht gelassen. Und so kam es, daß man mit dem Wort Tyrannei drückende Steuern, grausame Behandlung und ungerechte Forderungen meinte. Den Bürgern wurden Lasten auferlegt, die nicht der Patriotismus, sondern die Willkür des Herrschers vorgeschrieben hatte. Wer in unseren Tagen die Macht, die er hat, dazu gebraucht, andere zu unterdrücken oder grausam zu behandeln, darf sicher sein, daß ihm die Bezeichnung Tyrann beigelegt wird.
In einer eigentlichen Regierung gibt es jedoch keine Tyrannei. Der Zweck der Regierung ist Ordnung, und gute Ordnung fördert das Glück, das Wachstum und die Erziehung aller Bürger und gibt ihnen Gelegenheit zu nützlichem Dienst. Unter einer guten Regierung hat der Mensch Gelegenheit, sein Bestes zu tun, und er wird dazu ermutigt, Vollkommenheit zu erstreben. Jesus weist mit folgender Frage auf das Erfordernis der Wachsamkeit hin: „Welcher ist aber nun ein treuer und kluger Knecht, den der Herr gesetzt hat über sein Gesinde, daß er ihnen zu rechter Zeit Speise gebe?“ worauf er sagte, ein solcher Knecht werde selig sein. Sodann sprach er von dem bösen Knecht, der in der Abwesenheit seines Herrn anfängt „zu schlagen seine Mitknechte, isset und trinket mit den Trunkenen.“ Wir haben hier ein gutes Bild von einem prinzipienlosen Menschen, der des vergänglichen Genusses wegen Böses tut, und der „seinen Lohn“ erlangen wird „mit den Heuchlern.“ Das Schicksal eines solchen kommt mit den Worten zum Ausdruck: „Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappen.“
Mrs. Eddy betont im Zusammenhang mit ihren Bemerkungen über das klare Licht, welches die Christliche Wissenschaft auf die Lebensprobleme wirft, der Mensch habe keine Entschuldigung, wenn er böse oder unnütz sei. In „Unity of Good“ sagt sie (S. 11): „Jesus forderte weder Zeit noch Gedankenperioden zur Zeitigung der Vollkommenheit und ihrer Möglichkeiten. Er sagte, das Himmelreich sei jetzt vorhanden, es sei im Gemüt einbegriffen. Er erklärte, ihr sagt, es sind noch vier Monate, so kommt die Ernte. Ich aber sage euch, hebet eure Augen auf und schlagt sie nicht nieder, denn das Feld ist schon weiß zur Ernte, und sammelt die Ernte nach dem mentalen, nicht nach dem materiellen Verfahren.“ Mrs. Eddy gibt den Erdenbewohnern einen Maßstab, wenn sie sagt: „Die Christliche Wissenschaft ist absolut. Sie ist weder hinter dem Punkte der Vollkommenheit zurück noch nähert sie sich demselben; vielmehr befindet sie sich an diesem Punkt und muß von da aus ausgeübt werden“ (Miscellany, S. 242). Natürlich erheben sich laute Stimmen gegen die Vollkommenheit, und es lassen sich viele Gründe anführen, warum das Menschengeschlecht nicht vollkommen sein könne und warum Unvollkommenheit fortdauern müsse. Wir wollen jedoch in diesem Zusammenhang die folgenden Worte der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft aufmerksam betrachten: „Was würde man von einem wissenschaftlichen Mathematiker denken, der die Genauigkeit einer Regel tadelt, weil er nicht bereit ist, streng genug zu arbeiten, um sie anwenden zu können? Gerade in der Vollkommenheit der christlich-wissenschaftlichen Regel liegt ihre Anwendbarkeit. Manche bleiben hinter dem gegebenen Maßstab zurück, andere nähern sich ihm. Und letztere sind nur die, welche sich an diesen Maßstab halten“ (Miscellaneous Writings, S. 233).
Tatsächlich hängt die Wohlfahrt der Welt ganz von denen ab, die den wahren Maßstab anerkennen und nach demselben handeln. Die Welt hat Despoten-Tyrannei unter einem Eroberer nach dem anderen und Pöbel-Tyrannei in einer Revolution nach der anderen kennen gelernt. Die absolute Macht eines einzelnen sterblichen Gemüts zeigt in ihrer Ausübung die gleiche Laune und unberechenbare Zerstörungssucht wie die eines Pöbelhaufens. Keine Sicherheit und kein Friede ist da zu finden, wo der Glaube an eine mentale Kraft herrscht, die den Christus leugnet und nicht dem alleinigen Gott dient. Andererseits fängt die Erlösung da an, wo Heilung erfolgt; und wo die Demonstration der Heilung stattgefunden hat, wird der Vater in dem Sohn geoffenbart, weil die Werke Gottes kundgetan werden.
Der Begriff Demokratie faßt die Souveränität der Allgemeinheit in sich. Welchen Zweck hat es, eine gottentfremdete Autokratie umzustoßen, wenn dann die Regierung nicht von einem gottesfürchtigen Volk geplant wird? In dieser Stunde der Umwälzung ist es von größter Wichtigkeit, daß ein jeder von allem prinzipienlosen Tun und Treiben und von lieblosem Aburteilen ablasse und sich ans Werk mache, seine eigene Umwandlung und Reinigung zu schaffen. „Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der da richtet. Denn worinnen du einen andern richtest, verdammst du dich selbst; sintemal du eben dasselbige tust, das du richtest.“
Eine Demokratie gewährt nur in dem Maße Sicherheit, wie die Menschen die Gerechtigkeit als Maßstab ansehen und aus höheren Rücksichten als denen der Klugheit ehrlich sind; in dem Maße, wie sie die Beherrschung des eigenen Ich durch das Prinzip höher achten als die Beherrschung anderer nach den Vorschriften einer Partei; in dem Maße, wie sie der Ermahnung des Apostels Paulus folgen, „daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich, allerlei zu genießen; daß sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund aufs Zukünftige, daß sie ergreifen das wahre Leben.“