So mancher wendet sich der Christlichen Wissenschaft zu, der religiöse Erfahrungen durchgemacht hat, in welchen die biblischen Verheißungen von Friede und Harmonie nicht zur Verwirklichung gekommen sind. Vielleicht vermochten seine religiösen Anschauungen ihn nicht vor Krankheit, Entmutigung oder andern Wechselfällen zu schützen. Er weiß, daß er sich auf die gleichen Bibelverheißungen verlassen hat, auf die sich die Christlichen Wissenschafter verlassen, und doch kennt er nur herbe Mißerfolge. Ferner sieht er ein, daß die Lehre, der er früher anhing, nicht imstande war, ihm für die Dauer den geistigen Sinn und die Schönheit der Bibel zu entfalten. Er gedenkt der Zeit, wo er in banger Ungewißheit schwankte, ob er an einem Glauben, dem er entwachsen war, festhalten, oder alle Hoffnung auf eine vernunftgemäße Auslegung der Schrift aufgeben sollte. Das Ergebnis eines solchen Kampfes ist oft, daß der Sucher eine Zeitlang seinen Glauben an Gott verliert und in den Zustand zynischen Zweifels gerät.
Wenn nun bei einem solchen Menschen Teilnahme an der Christlichen Wissenschaft erregt wird, sei es durch die Schönheit dieser Lehre, oder durch Heilungen, auf die er aufmerksam geworden ist, so mag er sich erst skeptisch verhalten. Wie ein gebranntes Kind, das das Feuer scheut, hat er kein Verlangen nach einer Wiederholung seiner Enttäuschungen. Aber er braucht nicht zu zögern. Durch die Christliche Wissenschaft eröffnet sich ihm eine gerade, zuverlässige Bahn — „der heilige Weg,“ wie Jesaja ihn nennt. Diesem Sucher, ja allen Suchern nach Wahrheit, gibt die Christliche Wissenschaft eine feste Grundlage, auf der er Gottvertrauen erlangen kann; sie gibt ihm die Zusicherung, daß die Bibelverheißungen wahr, demonstrierbar wahr sind. „Die Theologie der Christlichen Wissenschaft,“ schreibt Mrs. Eddy, „ist Wahrheit; ihr entgegengesetzt ist der Irrtum der Krankheit, der Sünde und des Todes, den die Wahrheit vernichtet“ (Miscellaneous Writings, S. 62). Die Theologie der Christlichen Wissenschaft ist durch und durch echt. Sie ist makellos und ihre Folgerungen sind unumstößlich. Sie spiegelt das Licht so vollkommen wieder wie ein fehlerfreier Diamant. Ihre vernünftige, logische Grundlage spricht den denkenden Menschen an und macht dem forschenden Denken neue Offenbarungen der Wahrheit möglich, der Wahrheit, die in der Tat unendlich ist.
Da der Mensch ein geistiges Wesen ist, so muß die Religion, wenn sie sein geistiges Sehnen befriedigen soll, ihm notwendigerweise eine umfassendere, bessere, und klarere Anschauung von Gott und Seinem Weltall entfalten. Diese Anschauung muß vernunftgemäß sein, muß sich logisch von der Ursache zur Wirkung oder von der Wirkung zurück zur Ursache bewegen. In Wirklichkeit kann es keinen Konflikt geben zwischen dem Wesen Gottes, dem unendlich Guten, und den geistigen Gesetzen, die Er erläßt und kraft deren Er das Weltall regiert. Gott, der unendliche Liebe ist, kann unmöglich der Urheber von Krankheit oder Sünde sein. Wer das nicht anerkennt, wird am Fortschritt gehindert. Ohne das Ideal der Vollkommenheit Gottes und Seines geistigen Weltalls geht der einzelne, geht die Menschheit zugrunde. Durch das Heilen von Krankheit allein arbeitet man seinen Lebenszweck nicht aus; „es ist nur ein Trompetenruf zum Denken und Handeln in dem höheren Kreis des unendlichen Guten,“ wie Mrs. Eddy auf Seite 2 von „Rudimental Divine Science“ schreibt. Die Schönheit und der Glanz der Heiligkeit, das ungeteilte Gewand der Wahrheit, die Logik und Folgerichtigkeit der geistigen Wissenschaft, dies alles muß erkannt werden, um die Gedanken derer zu fesseln und zu befriedigen, die Hosea die „Kinder des lebendigen Gottes“ nennt.
Wenn der Studierende diese Wissenschaft der Wahrheit erfaßt hat, kann er festen und frohen Schrittes voranschreiten. Er verliert seine verkehrte Auffassung von dem Begriff Theologie; er sieht das geistige Weltall in der wahren Perspektive. Die Theologie wird für ihn zur exakten, beweisbaren Wissenschaft. Weil er das Licht und die Logik des Wortes versteht, wird er nicht mehr auf dem Ozean menschlicher Annahmen hin und her geworfen. Das Christentum des Christus, ja der lebendige Weg der Erlösung tritt klar hervor. Glaubenssätze und Lehrmeinungen werden richtig beurteilt, das Unwichtige, das Unbedeutende und das Relative wird richtig eingeschätzt, und was mit der ewigen Wahrheit übereinstimmt, nimmt seinen richtigen Platz ein, „ineinandergefüget“ mit all den andern Schöpfungen des Geistes. Von der Grundlage der Allheit des Geistes ausgehend, entfaltet ihm das Verständnis stets neue Offenbarungen von Licht und Schönheit.
Der scharfe Unterschied, den wir zwischen der Heilung durch das menschliche Gemüt und der geistigen Heilung machen, haben wir ebenfalls der echten Theologie der Christlichen Wissenschaft zu verdanken. Erst wenn der Studierende die Ganzheit oder Heiligkeit, die Allmacht und Allwissenheit des Geistes erfaßt, ist er imstande, den Unterschied zu machen zwischen der sogenannten Heiltätigkeit des sterblichen Gemüts und den echten geistigen Heilungen der Christlichen Wissenschaft. Erst wenn der Christliche Wissenschafter die direkten Strahlen der Wahrheit sieht und wiederspiegelt, erst wenn er im Bereich dieser unmittelbar von Gott kommenden Strahlen verharrt, ist er imstande, deren heilende Kraft und göttliche Inspiration zu beweisen und somit den Fallgruben der menschlichen Annahmen und den Spitzfindigkeiten der falschen Theologie zu entgehen.
Die Christlichen Wissenschafter können nicht dankbar genug sein, daß die Christliche Wissenschaft logisch und theologisch echt ist. An der echten Theologie dieser Lehre haben wir in der Tat „einen sichern und festen Anker unsrer Seele,“ um mit Paulus zu reden; sie errettet ihre Anhänger von der Verwirrung die entsteht, wenn die Menschen versuchen, Gott vom Standpunkt der körperlichen Sinne aus zu erklären. Ohne eine feste metaphysische Grundlage wäre geistiges Heilen nicht möglich, noch gäbe es eine sichere Richtschnur, nach welcher man entscheiden könnte, was Wort Gottes und was nicht Wort Gottes ist. Werfen wir einmal einen flüchtigen Blick auf die Geschichte der Religion vieler Jahrhunderte, auf ihre Glaubensstreitigkeiten und die sich daraus ergebenden Absurditäten, ihre vielerlei Dogmen, Glaubenssätze und Sekten, ihre bitteren Religionskriege. Warum all der Streit, all die heftigen Meinungsverschiedenheiten? Ohne Zweifel ist dieser Zwist größtenteils auf den Umstand zurückzuführen, daß die Christen das unveränderliche Gesetz Gottes, das ungeteilte Gewand der göttlichen Wissenschaft, die Theologie Christi Jesu, nicht verstanden und angewandt haben. Ist dieses Verständnis erlangt, so erklärt sie die Vaterschaft und Mutterschaft Gottes, in der wir in Übereinstimmung mit dem geistigen Gesetz harmonisch „leben, weben und sind,“ wie Paulus sagt. Wie echt klingen dann auch jene andern Worte des Apostels: „Derselbige Geist gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind.“
Mrs. Eddy spricht in ihren Schriften häufig von der Theologie der Christlichen Wissenschaft — sie widmet der Erklärung dieses Gegenstandes ein ganzes Kapitel —, ja sie hebt sorgfältig den Unterschied hervor zwischen falscher Theologie, die sich mit den Trebern der Materialität zufrieden gibt, und der lebenspendenden, gedankenerhebenden und freudebringenden Theologie Jesu Christi. Über die echte Theologie sagt sie auf Seite 138 von Wissenschaft und Gesundheit: „Diese Theologie Jesu war es, welche die Kranken und die Sündigen heilte. Es ist seine Theologie in diesem Buch und die geistige Bedeutung dieser Theologie, welche die Kranken heilt und veranlaßt, daß ‚der Gottlose lasse von seinem Wege, und der Übeltäter seine Gedanken‘.“