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„Wir sind Gebrüder“

Aus der März 1918-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Eine Definition des Wortes Brüder lautet: „Mitglieder einer Brüderschaft,“ und diese Auslegung ist wohl die höchstmögliche. Gewiß hatte der Meister diese Bedeutung im Sinne, als er sagte: „Ihr ... seid alle Brüder.“ Paulus schreibt an seine „Brüder in Christo,“ und dem ersten Brief des Johannes zufolge ist es ein Beweis, „daß wir aus dem Tode in das Leben kommen sind,“ wenn wir die Brüder lieben.

Wie wenig beachten wir doch auf unsrer menschlichen Lebensstufe Jesu Gebot, einander so zu lieben, wie er uns geliebet hat. Und wie sehr hat uns dieser sanfte, mitleidsvolle Lehrer geliebt! „Niemand,“ so erklärt er, „hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lässet für seine Freunde.“ Ein weiteres Gebot lautet: „Folge mir nach!“ Wenn wir wirklich diesem Führer folgen würden, dann gäbe es heute weniger Tadelsucht, Verdacht, scheele Blicke und harte, unfreundliche Worte in der Welt.

Wie die andern Formen des Bösen, so schadet auch Unfreundlichkeit dem am meisten, der sie bekundet, und nicht dem, gegen den sie gerichtet ist. Darum können wir jedem unbrüderlichen Wort, jeder unbrüderlichen Tat mit einem Lächeln begegnen, sogar mit einem Gedanken der Vergebung und des Mitleids gegen den Schuldigen, da wir ja wissen, wie Mrs. Eddy uns lehrt, daß „der mentale Pfeil, der von dem Bogen eines andern abgeschossen wird, in Wirklichkeit harmlos ist, es sei denn, unsre eignen Gedanken versehen ihn mit einem Widerhaken“ (Miscellaneous Writings, S. 223). Wer sich der Waffen des Hasses bedient, entartet dadurch und wird hart, denn dieser Irrtum macht ihn nicht nur weniger liebevoll, sondern auch weniger lieblich. Er muß daher einen längeren und rauheren Weg zurücklegen, es sei denn, er ist reumütig, macht den angerichteten Schaden wieder gut und sucht nach Kräften, mehr Liebe zu beweisen.

Wir können alle Trost und Ermutigung aus dem Umstand schöpfen, daß es nie zu spät ist, sich zu bessern. Als Kinder des einen Vater-Mutter Gottes, als „Gottes Hausgenossen“ sich der Brüderschaft bewußt werden, bedeutet, daß man aller Feindschaft entsagt, seinen Mitmenschen unaufhörlich mit Liebe und Hilfbereitschaft entgegenkommt und das eigne Gute in rücksichtsvoller Dienstleistung sucht. Gewiß wünscht niemand, die Bürde der Welt auch nur um das Gewicht einer Feder zu vermehren. Ein freundliches Wort, ein freundlicher Blick, oder ein herzlicher Händedruck kann niemandem schaden, am wenigsten dem, der ihn gibt. Vor Gott gibt es ebensowenig einen Klassenunterschied wie in der Denkweise Jesu, des Freundes der Menschheit. Niemand war so niedrig, niemand so sündhaft, daß der Meister ihn nicht bei der Hand genommen und liebevoll besseren Dingen entgegengeführt hätte. Und wer sind wir, daß wir denen, die unsrer Liebe und Freundlichkeit bedürfen (und wer bedürfte ihrer nicht?) die starke Hand der Freundschaft verweigern und in Selbstgerechtigkeit an ihnen vorübergehen? Alle brauchen Liebe und Ermutigung, alle müssen vergeben, wie auch ihnen früher oder später vergeben werden muß, denn alle „mangeln des Ruhmes, den sie an Gott haben sollten.“

Es kostet nichts, höflich und freundlich zu sein, und kann uns nur Anerkennung und Glück bringen. Wenn wir am Ende eines jeden Tages wahrheitsgetreu sagen können, daß wir unsre Brüder geliebt und ihnen geholfen haben, daß unsre Hand nicht einen einzigen Tropfen der Bitterkeit in den Kelch unsers Bruders hat fließen lassen, ist das nicht an sich schon eine Belohnung, die zu erstreben sich der Mühe lohnt? Gelegenheiten, jene Liebe zu bekunden, die unparteiisch ist und sich auf die ganze Menschheit erstreckt, warten unsrer stündlich. Solche Liebe ist eine Gabe Gottes; sie ist die Wiederspiegelung jener Liebe, die alle Ideen in sich schließt und sie zärtlich und unparteiisch beschützt.

Eine alte Sage erzählt von einer Frau, die einem Nachbarn Übles nachgeredet hatte. Zur Strafe mußte sie aufs Feld gehen und eine Distel pflücken, die nahe daran war, ihren geflügelten Samen fallen zu lassen. Diese Samenkörnlein mußte sie bis aufs allerletzte wegblasen und sie dann, nachdem sie sich niedergelassen hatten, wieder sammeln. Erst nachdem sie alle Samenkörnlein wiedergefunden haben würde, durfte sie Vergebung erhoffen. Sie fand es leicht, die gefiederten Samenkörnlein wegzublasen, aber sie zu sammeln, war eine ganz andre Sache. So manchen Tag suchte sie, bis sie schließlich müde und matt ihren Lehrer aufsuchte und sagte: „Wenn meine Vergebung für üble Nachrede vom Sammeln des Distelsamens abhängt, werde ich sie nie erlangen, denn die mir gestellte Aufgabe ist unausführbar.“ Alsdann wurde ihr folgende Lehre eindringlich gemacht: „Ebensowenig kannst du die nach allen Richtungen zerstreuten Worte der Bosheit und der unfreundlichen Kritik wieder sammeln. Auch sie sind von dem Winde der Übertreibung und des Neides weit weg geweht worden, so daß all dein Wünschen und Streben sie nicht mehr zurückbringen können. Wer solchen Samen ausstreut, tut es stets zu seinem eignen Schaden.“

Dies ist gewiß eine Lehre, auf die wir alle achten sollten. Wir müssen prüfen, welcher Art der Same ist, den wir säen. Wer von Liebe zu seinen Mitmenschen erfüllt ist, wird Samen der Liebe ausstreuen. Er kann nichts andres säen, denn ein von Liebe erfülltes Bewußtsein kennt keine Lieblosigkeit. Niemand steigt dadurch höher, daß er einen andern herabzieht. Und man tut wohl, sich daran zu erinnern, daß Vorurteil, Verdacht, üble Nachrede, Neid und Tadelsucht geflügelte Samenkörner sind, die manchmal mehr Schaden verursachen als diejenigen glauben, die sie aussenden. Und wissen wir nicht alle, daß unser menschliches Dasein ohne sie viel glücklicher wäre? Ein jeder, der bestrebt ist, sein Denken und Reden sorgfältig zu bewachen, kann auf wirksame Weise zu ihrer Ausrottung beitragen.

Auf Seite 225 von Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Liebe ist der Befreier,“ und da jedes geschaffene Wesen für den Einfluß der Liebe empfänglich ist, können wir sie unsern Brüdern stets zuteil werden lassen, ja manchmal sind sie ihrer mehr bedürftig als wir uns vorstellen. Das gebende Herz wird reich und glücklich, und das Leben andrer wird durch seinen Einfluß gesegnet, ob man nun seine Schätze der Liebe bewußter- oder unbewußterweise aussendet. Folgendes ist gewiß ein guter Rat: „Sage nichts Böses von einem Menschen, wenn du es nicht gewiß von ihm weißt; und wenn du es weißt, so frage dich: ‚Warum sage ich es‘?“ Alle können mitleidsvoll, höflich, liebevoll sein und auf diese Weise dazu beitragen, die Brüderschaft der Menschen auf Erden herzustellen, wie sie auf ewig im göttlichen Gemüt besteht. Die Christlichen Wissenschafter tun wohl, den Rat unsrer Führerin auf Seite 106 von Miscellany zu befolgen: „Ich ermahne die Christlichen Wissenschafter, entweder in liebevoller Weise von der ganzen Menschheit zu reden, oder still zu schweigen; denn die Liebe ist des göttlichen Gesetzes Erfüllung, und ohne diesen Beweis der Liebe wäre die mentale Praxis nutzlos.“

Ein weiterer Grund, warum wir mit dem „Becher kalten Wassers“ bereit sein müssen, ist der: wir können auf Grund des äußeren Scheins nicht wissen, welche Kämpfe derjenige, den wir tadeln, durchzumachen hat. In einer seiner Antrittsreden gab Abraham Lincoln, der „die Brüder“ liebte, Worten Ausdruck, die allen Menschen, was ihre Stellung auch sein mag, zum Motto dienen können: „Ohne Feindschaft gegen irgend jemand, mit Liebe gegen alle, mit Festigkeit im Recht, in dem Maße wie Gott uns das Recht erkennen läßt.“

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